Hamburg ist wie kaum eine andere Stadt in Deutschland die Summe seiner Stadtteile. Das Statistische Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein listete 2014 insgesamt 103 Viertel auf! Jedes einzelne hat seinen Lebensmittelpunkt, seine eigene Struktur und Atmosphäre und geht doch nahtlos in ein anderes über. Deshalb kann man Hamburg auch am besten zu Fuß erkunden, nur so entdeckt man das engmaschige, vielgesichtige Mosaik der Stadt.
Normalerweise stellt man sich Hamburg als eine Stadt vor, die der Tradition und der vornehmen hanseatischen Zurückhaltung verpflichtet ist. Die Geschichte der Hanse prägte den Ruf als Handelsstadt. Der Hafen war stets Arbeitsmittelpunkt der Kaufleute, während die Freizeit davon räumlich säuberlich getrennt war: der Hafen für die Arbeit, Alster und Außenalster für Wohnen und Wochenende.
Und heute? In kaum einer Stadt in Deutschland ist der Mangel an (bezahlbaren) Wohnungen größer als in Hamburg. Auch die ehemals günstigen Gegenden werden durch Neubauten und Sanierungen immer teurer. Ganz oben in der Preisskala stehen die Villen, Stadthäuser und Eigentumswohnungen rund um dieAußenalster. Die weißen Prachtbauten kosten mindestens 2–3 Millionen Euro, Tendenz steigend. Die schönsten Altbauten stehen z. B. am Harvestehuder Weg, am Alsterufer, Johnsallee, Bellevue, Leinpfad oder an der Schöne Aussicht. Da lohnt sich Häusergucken …
Hamburger Gegensätze: von hanseatisch vornehm an der Außenalster …
… bis kunterbunt im Schanzenviertel
Im Norden der Stadt, in den sogenannten Walddörfern, sind Versandhauskönig Otto und der Gründer der Blockhouse-Steakhauskette zu Hause. Zur Stadt ist es weit, aber die Abgeschiedenheit vom Trubel hat das gewisse Etwas. Besondere Adressen sind hier die Wellingsbütteler Landstraße oder der Wellingsbütteler Weg, Krietenbarg oder Treudelsberg.
Und dann die Elbvororte … Wer an derElbchaussee wohnt und den Schiffen auf der Elbe zuschauen kann, hat es im Leben geschafft. Auf dem Weg nach Blankenese kommt man an jenen Prachtvillen vorbei, die einem den Atem rauben. Wunderschön ist Othmarschen, direkt an die Elbe grenzend, mit alten Häusern und Gärten. Im Blankeneser Treppenviertel wird man keine Sozialwohnungen finden, stattdessen mediterran wirkende Villen mit toller Aussicht auf die Elbe. Auch in der neuenHafenCity geht es preislich hoch her, das eher jüngere Publikum macht schon mal 10.000 Euro locker, um den Quadratmeterpreis im Marco-Polo-Haus zu bezahlen.
Im Gegensatz dazu stehen Stadtteile wieWilhelmsburg oderVeddel. Hier ist der Ausländeranteil besonders hoch, ebenso die Zahl der Sozialhilfeempfänger und Arbeitslosen. Doch versucht man sich hier in einer Aufwertung, besonders die IBA (Internationale Bauausstellung) soll die Verbesserungen bringen.
Schön, gediegen, kreativ und lebendig ist im WestenOttensen in Elbnähe, schick istEppendorf mit seinen Spezialläden, schnuckligen Restaurants und wunderschönen Altbauten. Dagegen istSt. Georg in Bahnhofs- und Außenalsternähe ein multikultureller, szeniger Stadtteil, schrill, früher als Drogengegend verrufen, heute im positiven Wandel begriffen. Auf der Langen Reihe reihen sich Boutiquen und einladende Restaurants aneinander, ein Zuzugsgebiet – neuerdings für gut verdienende junge Leute. Trendig istSt. Pauli, und das sollte man nicht auf die Reeperbahn beschränken. Hier gibt es wahre kleine Oasen – und das alles in Elbnähe.
In fast jedem Viertel wird deutlich, dass Hamburger wahre Genießer sind, abzulesen an den vielen erstklassigen Restaurants und an den über die Stadt hinaus bekannten TV-Köchen wie Christian Rach (Slowman, Rach&Ritchy), Tim Mälzer (Bullerei) und Steffen Henssler (Ono). (mi)
Verrucht, gefährlich, aufmüpfig: Hamburgs bekanntester Stadtteil und weltberühmtes Vergnügungsviertel hatte schon immer mit seinem Ruf zu kämpfen. Dabei gehörte er lange Zeit gar nicht zur Stadt. Aus Richtung Hamburg kamen vor 1860 die Hamburger durch das Millerntor nach St. Pauli. In diesem Niemandsland zwischen Hamburg und dem dänischen Altona lebten zu jener Zeit all jene, die in der Stadt nicht willkommen waren: Ausländer, Katholiken, Handwerker ohne Zunft und Schausteller. Sie betrieben auf dem Spielbudenplatz ihre Geschäfte und die feinen Hamburger kamen nach dem Kirchgang hierher, um sich zu amüsieren. Durch den Hamburger Hafen entstand das käufliche Vergnügen, das sich damals auf zwei Straßen beschränkte (Hamburger Berg und Davidstraße). Umgangssprachlich wurde das Viertel deshalb in »St. Lustig« (Spielbudenplatz) und »St. Liederlich« geteilt.
Am Ende des Zirkuswegs geht es links in die Bernhard-Nocht-Straße, die wenig später zur Seewartenstraße wird. Vorbei am Hotel Hafen Hamburg zweigt links der Wanderweg »Bei der Erholung« direkt an der Hafenkante ab. Von einem Holzpodest lässt sich linker Hand Hamburgs einzigerWeinberg erkennen (ein Geschenk des Stuttgarter Weinfestes). Ein Fläschchen vom Stintfang Cuvée bekommt man allerdings lediglich als Gast des Bürgermeisters. Vorbei am zum Brunnen umgebauten Sudkessel der ehemaligen Bavaria-Brauerei geht es an der Elbe entlang, links ist die Kuppel des Alten Elbtunnels zu sehen. Das technische Wunderwerk wurde nach vier Jahren Bauzeit 1911 eröffnet und ermöglichte 18.000 Arbeitern einen schnellen Zugang zu ihren Arbeitsplätzen auf den Docks (s. S. 88). Weiter geht’s geradeaus in Richtung Vergnügen. Der Weg mündet in dieDavidstraße.
Hier hat die Prostitution Tradition. Schon als die erste Davidwache 1837 errichtet wurde, arbeiteten in der Nähe ca. 30 Prostituierte. Die Kunden fanden sie in der Kneipe oder auf der Straße, was zur Unfallquelle für die zahlreichen Kutschen wurde. Die damals von der Polizei erlassenen Regeln bezüglich der Straßenprostitution sind bis heute gültig. Sie ist auf eine Hälfte der Davidstraße und einige Nebenstraßen in der Zeit von 20 Uhr bis 5 Uhr morgens begrenzt. Diese Regeln werden konsequent befolgt, damit die juristische Duldung der Straßenprostitution bestehen bleiben kann. Unter dem Motto »Aus Geschichten wird Geschichte« lässt sich imSankt Pauli Museum (David-/Ecke Friedrichstr.) die Historie des Viertels nachvollziehen. (ik)
So kam die Reeperbahn zu ihrem Namen
Bis Mitte des 19. Jh. wurde das Handwerk der Seiler aufgrund des erhöhten Platzbedarfs außerhalb der Stadt betrieben. Entlang der heutigen Reeperbahn wurden Hanffasern gespannt und zu Tauen gedreht (norddeutsch: reepern).
Blick auf Weinberg und Landungsbrücken
Damals wie heute beliebt bei Touristen: die Reeperbahn bei Nacht
Die Queen hautnah
Direkt am Anfang der Reeperbahn findet sich eine Institution auf dem Kiez: das Panoptikum, das älteste Wachsfigurenkabinett Deutschlands! 1879 eröffnet wird es in vierter Generation von Dr. Hayo Faerber, dem Urenkel des Gründers, geleitet und zeigt auf vier Ebenen ca. 120 Figuren, von historischen Persönlichkeiten über Film- und Popstars wie Julia Roberts oder Madonna bis zu zeitgeschichtlichen Personen wie eben Queen Elizabeth II.
Seit Juli 2015 im Programm: Wachsfigur von Elizabeth II.
Spielbudenplatz 3/Anfang Reeperbahn, Tel. 040/310317,www.panoptikum.de, Mo–Fr 11–21, Sa 11–24, So 10–21 Uhr. Neben einem Audioguide wird – auf Anfrage – auch eine Führung angeboten, in der man viel über die Geschichte des Hauses und die Herstellung der Wachsfiguren erfahren kann (ca. 1,5 Std./7,50 € zusätzl. zum Eintritt).
INFO
Hinkommen: U3 St. Pauli, direkt unter dem Millerntorplatz
Information:Sankt Pauli Museum, Davidstraße 17,www.st-pauli-museum.com, Di–Mi 11–21, Do–Fr 11–23, Sa 11–0, So 11–18 Uhr, 5 €, erm. 4 €.
Essen& Trinken: An der Kreuzung Bernhard-Nocht-Straße und Davidstraße steht dasHotel Riverside Empire, Teil der Hafenkrone (s. S. 107) mit der Skyline Bar »20up« im 20. Stockwerk.
Ab 18 Uhr kann man hier beim Cocktail zu gehobenen Preisen eine phänomenale Aussicht durch die großen Panoramafenster über den Hafen genießen.
Tipp: Die Tour »Von allem etwas« vonLandgang St. Pauli. Rundgänge ab zwei Pers. unter Tel. 040/31794934,www.stpauli-landgang.de, 16 € p.P./Std.
Das umgangssprachlich als »Schanzenviertel« bezeichnete Gebiet (offiziell: Sternschanze) ist ein in sich geschlossenes Altbauviertel zwischen Eimsbüttel, Altona und St. Pauli. Es handelte sich einst tatsächlich um eine Bastion oder Schanze, die sternförmig der Stadtmauer vorgelagert war.
Vom 1866 errichtetenBahnhof...