Widerstand in Zeiten des Terrors
Am Mittwoch, den 22. Jänner 1941 um halb 12 Uhr mittags treffen einander zwei Personen im Café Viktoria Ecke Währingerstraße Maria-Theresien-Straße in Wien. Margarete Schütte-Lihotzky, Mitglied einer Widerstandsgruppe in Istanbul und Erwin Puschmann, genannt »Gerber«, Leiter der kommunistischen Widerstandsbewegung unterhalten sich über die weiteren Aufgaben im Widerstand. Zwei verschlüsselte Adressen werden übergeben, »als plötzlich, wie dem Erdboden entsprungen, zwei Männer auf uns losstürzten.« (S.50)1 Die beiden werden in die Gestapozentrale am Morzinplatz gebracht.
In welches Land kehrte Margarete Schütte-Lihotzky 25 Tage zuvor, am 24. Dezember 1940, aus dem sicheren Istanbul nach Wien zurück? Am 12. März 1938 hatten deutsche Truppen die Grenze überschritten und holten Österreich »heim ins Reich«. Unter tosendem Applaus wurde die nationalsozialistische Kamarilla am 15. März in Wien gefeiert. Was für diese Anhänger und Mitläufer Grund zum Jubel war, bedeutete für Tausende und Abertausende das Todesurteil.
Margarete Schütte-Lihotzky hat in Istanbul, wo sie seit 1938 arbeitete, mit einer Gruppe von Nazi-Gegnern und österreichischen und türkischen KommunistInnen Kontakt aufgenommen. Der Gruppe war sicherlich der Aufruf der Partei zum aktiven Widerstand bekannt. Ob die AktivistInnen sich aber das Ausmaß des nationalsozialistischen Terror-Apparats, der von Spitzeln durchsetzt war, vorstellen konnten? Es hätte vermutlich nichts genützt, Margarete Schütte-Lihotzky von der Rückkehr in ihre Heimat abzuhalten. Wird sie später gefragt, warum sie aus dem sicheren Ausland nach Wien gekommen ist, reagiert sie empört darüber, wie man eine solche Frage überhaupt stellen kann.
Mit der Besetzung Österreichs am 12. März 1938 begann die Verfolgung der jüdischen BürgerInnen, die im Novemberpogrom 1938 ihren ersten Höhepunkt erreichte. Parallel zur rassistisch motivierten Verfolgung begann die Jagd auf Menschen, die im Verdacht standen, Gegner des Regimes zu sein. Gestapo, Sicherheitsdienst und SS sind bereits bestens informiert über ihre Gegner. Schon in den ersten Tagen nach dem Einmarsch der deutschen Truppen wurden etwa 70.000 Menschen verhaftet, ein Großteil von ihnen in Gefängnissen und Konzentrationslagern inhaftiert. Die Gestapo ist auch im Besitz einer Liste von etwa 1.000 Personen, die als KommunistInnen gelten. Bis zum Herbst 1938 wurden einige hundert Funktionäre der Partei, darunter die erste Organisationsleitung der Kommunistischen Partei Österreichs, verhaftet und zu hohen Zuchthausstrafen verurteilt.
Noch in der Nacht vom 11. zum 12. März 1938 formulierte das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei in Prag als einzige politische Kraft den Aufruf zum aktiven Widerstand mit dem Ziel der Wiedererrichtung eines freien, unabhängigen Österreich. Das Flugblatt mit dem Aufruf wurde nach Österreich geschmuggelt und hier massenhaft verbreitet. Der mit enormem Einsatz geführte kommunistische Widerstand unterscheidet sich von dem anderer Gruppierungen aus mehreren Gründen: Durch den Aufruf zur Aktion, durch den patriotischen und politischen Charakter und durch den Umfang der Widerstandstätigkeit. 75% des organisierten Widerstands leisteten die KommunistInnen. Sie stellen auch die größte Gruppe der politisch Verfolgten: Von der Gesamtzahl der 5.348 Verurteilten sind 60% dem kommunistischen Widerstand zuzuordnen. Diesem Einsatz ist es zu verdanken, dass während der gesamten Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft die Existenz einer Opposition demonstriert werden konnte, über deren Ausmaß sich die Nationalsozialisten nie ganz im Klaren waren.
Die Partei hatte schon seit Mai 1933 Übung in illegaler Tätigkeit, war am Februaraufstand 1934 beteiligt, und viele ihrer Mitglieder kämpften bis zur Niederlage 1939 an der Seite der spanischen Republik. Parteimitglieder verstanden sich als Teil einer weltweiten Bewegung zur Bekämpfung von Krieg und Faschismus. Diese Überzeugung und der Wunsch, etwas zu diesem Kampf beizutragen, kommt in vielen Äußerungen von Margarete Schütte-Lihotzky zum Ausdruck und hilft ihr, Gefängnis und Zuchthaus zu ertragen und zu überleben.
Das im Exil agierende Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Österreichs stellte sich die Aufgabe, den Widerstand zu koordinieren und strategisch zu steuern. Es galt, den Informationsfluss zu den AktivistInnen und innerhalb derselben zu gestalten, Aktionen zu planen und den Kreis der AntifaschistInnen zu erweitern. Die Nazis verstanden es, durch eingeschleuste Spitzel die kommunistischen Zellen immer wieder aufzurollen. Ein einzig