: Val McDermid
: Der lange Atem der Vergangenheit Kriminalroman
: Verlagsgruppe Droemer Knaur
: 9783426435670
: Karen Pirie
: 1
: CHF 10.00
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 480
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der dritte Kriminal-Roman mit Detective Chief Inspector Karen Pirie von Val McDermid, Englands »Queen of Thrill«. Ein vielschichtiger Krimi über Schuld, Sühne und späte Rache. Verborgen in der Turmspitze eines viktorianischen Gemäuers in Edinburgh wird eine skelettierte Leiche mit einem Einschussloch im Schädel gefunden. Um wessen sterbliche Überreste handelt es sich? Detective Chief Inspector Karen Pirie soll den rätselhaften Fall aufklären. Ihre Nachforschungen führen sie zurück in die Balkan-Kriege der neunziger Jahre. In einem Labyrinth aus falschen Identitäten, politischen Konflikten und sorgsam gehüteten Geheimnissen scheint sich die Spur zu verflüchtigen. Doch manchmal ist die Vergangenheit erbarmungslos ... »Neue grandiose Krimi-Unterhaltung von der Großmeisterin der Spannungsliteratur.« Literaturmarkt.info »Die Schottin Val McDermid zeigt millionenfach erfolgreich, dass sich in Krimis ein akkurater Blick auf die Gesellschaft werfen lässt.« Salzburger Nachrichten Und hier die Kriminal-Romane rund um Cold-Case-Expertin Karen Pirie in der richtigen Reihenfolge: »Echo einer Winternacht« »Nacht unter Tag« »Der lange Atem der Vergangenheit« »Der Sinn des Todes«

Val McDermid ist eine internationale Nr. 1-Bestsellerautorin, deren Bücher in mehr als 40 Sprachen übersetzt wurden. Ihre mehrfach preisgekrönten Thrillerserien und Einzelromane wurden für Fernsehen und Rundfunk adaptiert - etwa die Serie Hautnah - Die Methode Hill mit dem Profiler Dr. Tony Hill und DCI Carol Jordan. Die TV-Serie um die schottische Cold Case-Ermittlerin Karen Pirie ist international mit großem Erfolg gestartet. Val McDermid war 2017 Vorsitzende des Wellcome Book Prize und Jurorin für den Women's Prize for Fiction und den Man Booker Prize 2018. Sie ist Trägerin von sechs Ehrendoktorwürden, außerdem Honorary Fellow des St Hilda's College in Oxford. Zu ihren zahlreichen Auszeichnungen gehören der CWA Diamond Dagger für ihr Lebenswerk und der Theakstons Old Peculier Award für 'Outstanding Contribution to Crime Writing'. Val ist außerdem eine erfahrene Rundfunksprecherin und gefragte Kolumnistin und Kommentatorin in Printmedien. Mehr über die Autorin unter www.val-mcdermid.de

2


Das soll wohl ’n Witz sein?« Detective Chief Inspector Karen Pirie legte den Kopf in den Nacken und starrte hinauf zu dem Ecktürmchen hoch oben. »Man erwartet doch wohl nicht im Ernst, dass ich auf dem Dach eines Gebäudes herumkrieche, das eigentlich schon auf der Abrissliste steht? Alles wegen eines Skeletts?«

Detective Constable Jason »Minzdrops« Murray blickte zweifelnd auf die Dachverkleidung, dann wieder zurück zu seiner Chefin. Sie sah, wie sich in seinem Kopf die Rädchen drehten:Zu dick, zu steif, ein zu hohes Risiko. Aber obwohl er zweifellos etwas unterbelichtet war, hatte der Minzdrops unter Karens Fittichen gelernt, sich vernünftig zu verhalten. Es wäre ihm zwar schwergefallen, die entsprechenden Wörter richtig zu schreiben, aber im Lauf der Jahre hatte er sich Rudimente von Diskretion angeeignet. »Ich versteh sowieso nicht, wieso das ein Fall für uns sein soll«, sagte er. »Ich meine, wie kann es ein alter ungelöster Fall sein, wenn er erst heute früh gefunden wurde?«

»Nur um das festzuhalten: Wir wissen nicht sicher, dass es ein Er ist. So lange nicht, bis jemand, der sich mit Knochen auskennt, die Sache angeschaut hat. Und außerdem … Jason, für wen arbeiten Sie?«

Der Minzdrops sah verwirrt aus. Das war sein standardmäßiger Gesichtsausdruck. »Die Polizei von Schottland«, sagte er im Tonfall einer Person, die das Selbstverständliche ausspricht, aber weiß, dass sie trotzdem einen Anschiss abbekommen wird.

»Genauer, Jason.« Karen bereitete sich genüsslich auf die Rüge vor.

»Ich arbeite für Sie, Boss.« Einen Augenblick schien er mit sich zufrieden.

»Und was ist meine Arbeit?«

Darauf gab es viele mögliche Antworten, aber dem Minzdrops kamen sie alle unpassend vor. »Sie sind der Boss, Boss.«

»Und wovon bin ich der Boss?«

»Von den ungelösten Fällen.« Jetzt war er zuversichtlich.

Karen seufzte. »Aber was ist der richtige Name unserer Abteilung?«

Jetzt fiel der Groschen. »HCU. Historic Cases Unit.«

»Und deshalb gehört der Fall uns. Wenn die Leiche so lange da oben gelegen hat, dass sie jetzt ein Skelett ist, dann haben wir die Arschkarte.« Da Karen jetzt die Lehre erteilt hatte, wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem Mann in Helm und Warnweste zu, der neben ihr stand. »Ich nehme an, es handelt sich da oben um einen engen Raum?«

Fraser Jardines Kopf hob und senkte sich wie der eines nickenden Esels im Schnellvorlauf. »Absolut. Man hätte Mühe, zwei von Ihnen da rein zu kriegen.«

»Und der Zugang? Ist der auch ziemlich eingeschränkt?«

Fraser zog die Stirn in Falten. »Was? Sie meinen schmal?«

Karen nickte. »Ja, schon. Aber auch - also, wie viele Zugänge gibt es? Gibt es nur einen sichtbaren Weg nach drinnen und wieder heraus?«

»Na ja, es ist an einer Ecke, ich nehme also an, dass man theoretisch auch von beiden Seiten kommen könnte. Wenn man durch die Dachluke auf das Dach klettert und dann nach links geht, wäre es das zweite Türmchen. Ich war zuerst nach rechts gegangen, deshalb war es dann der dritte Turm.«

»Und diese Eingänge, ich vermute, dass sie offen und dem Wetter ausgesetzt sind, Wind und Regen?«

»Es ist ein Dach. Da gehört das dazu.« Er seufzte kurz. »Tut mir leid, ich will hier nicht den Besserwisser geben, bin nur ’n bisschen mitgenommen. Und mein Boss, der fragt jetzt: ›Hält dich die Sache von deinen Gutachten ab?‹ Ich hab also Zeitdruck, verstehn Sie?«

Karen klopfte ihm leicht auf den Arm. Selbst durch seinen Arbeitsanzug hindurch spürte sie die strammen Muskeln. Ein Mann wie Fraser, der würde kein Problem haben, eine Leiche in ein Dachtürmchen hoch zu schaffen. Aber bei einem solchen Fundort ließ sich der Kreis der Verdächtigen schon ziemlich eingrenzen. Wenn das Opfer irgendwo anders gestorben war.

»Dafür habe ich schon Verständnis. Wie ist das Gebäude innen? Haben Sie Anzeichen gesehen, dass schon jemand anders vor Ihnen da war?«

Fraser schüttelte den Kopf. »Ich hab nichts bemerkt. Aber ich weiß nicht, ob es leicht zu erkennen wäre. Da drin herrscht ein ziemliches Durcheinander. Das Gebäude ist schon lange versiegelt, und es hat reingeregnet. Es ist also feucht und schimmelig, und aus den Wänden wachsen Pflanzen. Ich weiß nicht, wie lange es dauert, bis eine Leiche zum Skelett wird, aber ich nehme an, ein paar Jahre?«

»Das kommt hin«, sagte sie selbstsicherer, als ihr zumute war.

»Wenn also vor Jahren ein ganzes Team da durchgegangen wäre, wüsste man nichts davon. Die Natur übernimmt das Ruder und löscht die Spuren, die wir hinterlassen. Manchmal dauert das nur ein paar Monat