MEMENTO
Alahrian spürte eine sonderbare Wärme durch seine Adern strömen – eine Wärme, die nicht vom Licht in seinem Inneren herrührte. Er war glücklich. Vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben war er wirklich glücklich.
Er hatte sich auf seinem Bett ausgestreckt, die Arme locker hinter dem Kopf verschränkt. Sein Blick jedoch wanderte immer wieder hin zum Nachttischchen, auf demsein Handy lag. Ein Geschenk von Lilly – und zugleich noch so viel mehr: eine Verbindung zu ihr und ihrer menschlichen Welt, wie er sie bis vor kurzem nicht für möglich gehalten hätte.
Nein, er würde sie nicht anrufen, jetzt, mitten in der Nacht. Aber es war ein gutes, ein beruhigendes Gefühl, zu wissen, dass er es hätte tunkönnen. Dass jemand dort draußen in der Dunkelheit auf ihn wartete, gar nicht weit von ihm entfernt.
Schon morgen würde er sie wiedersehen.Morgen …
Sein ganzes Leben lang hatte ihm das Verstreichen der Zeit nichts bedeutet. Es hatte schlicht und ergreifend nichts gegeben, woran er den Zeitfluss hätte festmachen können. Das war jetzt anders. Jetzt gab es etwas, worauf er warten konnte. Er trieb nicht mehr einfach so dahin im Ozean der Zeit; er schwamm auf etwas zu. Lilly war sein Anker, sein Fixpunkt geworden.
Morgen früh schon, allerspätestens in der Schule, würde er Lilly wiedersehen. Und vielleicht würde er sie vorher anrufen, nur um ihre Stimme zu hören.
Was für eine entzückende Erfindung der Sterblichen, so ein Handy! Im Gegensatz zu seinem Bruder Morgan hatte es ihn nur bisher nie interessiert. Es hatte keine Stimmen gegeben, die er unbedingt hören wollte.
Ja, ganz bestimmt würde er sie anrufen, gleich morgen früh …
Sein Herz machte einen freudigen Hüpfer. Einige seiner Rosen, die ihre Kelche längst geschlossen hatten, öffneten sich daraufhin noch einmal, und als er sich auf die Seite drehte, die Wange in das seidene Kissen geschmiegt, da krochen sie so nah zu ihm hin, als wollten sie ihn umarmen. Alahrian störte sich nicht daran. Die Augen fielen ihm zu und er glitt mit glückseliger Leichtigkeit in einen tiefen Schlaf hinüber.
***
Alahrian träumte in dieser Nacht. Zuerst war es nichts weiter als eine Erinnerung, ein Bildfetzen, der – angelockt durch den Tag auf dem Dachboden leise aus seinem Unterbewusstsein emporgekrabbelt kam.
Er lief mit der Königin durch die Gärten von Versailles, vorbei an den Rosen, die er für sie gezüchtet hatte, an munter klingelnden Wasserspielen entlang, getragen von flirrenden Sonnenstrahlen, die durch das satte Grün der Bäume flossen. Die Königin lachte. Anmutig sprang sie über die taufrischen Wiesen, dicke Strähnen hatten sich aus ihrer kunstvollen Frisur gelöst und glitten ihr golden-ungezähmt über den Rücken. Ihr Lachen sprudelte im Wind und wurde davongetragen.
Bis es erstarb.
Abrupt blieb die Königin stehen und drehte sich um