: Pierre Rabhi
: Glückliche Genügsamkeit
: Matthes& Seitz Berlin Verlag
: 9783957571311
: 1
: CHF 15.20
:
: Philosophie, Religion
: German
: 176
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die europäische Moderne hat den Mensch erst der Erde, nun der menschlichen Gesellschaft entfremdet; aus Ernte ist Produktion, aus Beziehung Kommunikation geworden. Wo immer ausgetüfteltere Geräte das Leben erleichtern sollten, sind die westlichen Gesellschaften von ihnen abhängig geworden. Der Mensch, versklavt von Technik, Finanzmarkt und Konsum, ist verletzlich und unfrei wie nie. In seiner grundlegenden Kritik der Moderne enttarnt Pierre Rabhi deren Verlockungen als Blendwerk. Die neue Unermesslichkeit der überfordernden Informationsgesellschaft, die Prämissen des zwanghaften Fortschritts und des »Immer mehr«, sowie die Glücksverheißungen des Konsums bedeuten nicht die Befreiung des Menschen, sondern dessen schleichende Unterjochung. In »Glückliche Genügsamkeit« propagiert Rabhi das rebellische Prinzip der Mäßigung, die gegen die Überflussgesellschaft protestiert und den Menschen ihrem Klammergriff entreißt. Seine engagierte Streitschrift entwirft eine Utopie der Rückkehr zur Trias aus Natur, Mensch und Gemeinschaft und fordert auf zur mündigen Selbstbefreiung.

Pierre Rabhi, 1938 in Algerien geboren, war Landwirt, Umweltaktivist und Schriftsteller. Er gilt als einer der Begründer der ökologischen Landwirtschaft in Frankreich und engagierte sich besonders für die umweltfreundliche Entwicklung von Dürreregionen. Zur Beförderung einer ökologischen Lebensweise gründete er die Organisation Colibris, die in Frankreich heute mehr als 100 Ortsgruppen hat. Rabhi verstarb 2021 in Algerien.

FORTSCHRITT ZWISCHEN MYTHOS UND REALITÄT


Die Technologien und die zahlreichen Innovationen, die unter dem Signum des Fortschritts für alle – eines Fortschritts, der sich als Mythos entpuppt – heute die Welt faszinieren, stellen lediglich die Avatare eines Prinzips quasi metaphysischer Natur dar. Hinter den verführerischen Erscheinungen einer Ära, der die Befreiung des Menschen zugeschrieben wird, tritt nun eine Ideologie zutage, die auf der Verherrlichung eines selbst inthronisierten Demiurgen beruht, eines Wesens, das den Göttern des Olymp ebenbürtig zu sein beansprucht, gestützt einzig auf die Macht der Vernunft, deren Vorrang schon das antike Griechenland erklärte und besang. Dieser Anspruch, der von radikalen materialistischen Theorien verstärkt wurde, hat das, was man als Spiritualität bezeichnet, auf ein Minimum reduziert, ja mit dem fundamentalistischen Materialismus sogar aus dem neuen, westlich geprägten Denken verbannt. Aus dieser den Menschen zum König erhebenden metaphysischen Voraussetzung heraus wurde die untergeordnete Stellung der Natur proklamiert und schließlich das Prinzip, die Rohstoffvorkommen des Planeten nach und nach auszubeuten, zur Norm erhoben. Ein unvoreingenommenes Denken, das sich die daraus erwachsenden zerstörerischen Folgen für das Leben vor Augen führt, wird sich fragen müssen, ob die Natur den Menschen nur zum Zweck ihrer eigenen Ermordung hat entstehen lassen. Wie aber sollte man einer solch absurden Hypothese zustimmen können? An ihr ist nicht weniger Falsches, als sich selbst den Status eines Prinzen der Schöpfung einzuräumen, dessen ausbeuterischem Treiben der gesamte Planet überlassen ist.

Um der Moderne nicht alles aufzuhalsen, sollte daran erinnert werden, dass die Plünderung und die Verwüstung des Erdballs sowie seines lebenserhaltenden Kleids, seiner Wälder, bereits eine gravierende Folge des Übergangs von den sogenannten primitiven zu den entwickelteren Zivilisationen darstellt.4

Abgeschnitten von der Klugheit des Lebens, dessen Geschöpfe wir alle sind, hat der Fundamentalismus der reinen Vernunft eine Parallelwelt aufgebaut und strukturiert, die nun vor de