: Orestes Davias
: Chilifeuer& Knollengenuss Die essbaren Nachtschattengewächse
: Nachtschatten Verlag
: 9783037882092
: 1
: CHF 8.90
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: Garten
: German
: 120
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
War der Paradiesapfel das wahre Ei des Kolumbus? Wie spielten sich ehemals die Kriege mit scharfer Paprika als Waffe ab? Kann die Kartoffel in den Weltraum fliegen? Unbeantwortete Fragen, die ihren Schlüssel suchen, und die Rätsel des Naturforschers gleiten endlich auf der Rutschbahn der Zeit aus und werden uns als Delikatessen auf unserem Tisch serviert. In dampfenden Töpfen werden die Herzen der Leser erwärmt und das Gift der Nachtschattengewächse neutralisiert, während vom Himmel dieses Buches Früchte und Wurzeln, Abenteuer und Märchen, Ratschläge und verlockende Rezepte fallen.......

Orestes Davias wurde 1964 in Graz geboren, lebt aber seit seiner Kindheit in Griechenland. Als Biologe ist er auf Botanik spezialisiert und hat einige Bücher zu Ethnobotanik und Aphrodisiaka veröffentlicht. Er schreibt für diverse Zeitschriften Artikel zu diesen Themen, beschäftigt sich ebenso ausführlich mit Phytotherapie, Räucherungen und Vegetarismus im alten und neuen Griechenland

Rin in die Kartoffeln!


Vor einigen Jahren besuchte ich im Winter als Mitglied einer Gruppe von Journalisten einen Industriebetrieb in der französischen Provinz. Stolz gab die Firmenleitung bekannt, dass es sich um eine der weltweit größten Produktionseinheiten von vorfrittierten Tiefkühl-Pommes frites handelt. Unsere Führung war unbestritten sehr aufschlussreich, denn sie gab Einblicke in die Art des Denkens und Handelns der Ernährungsindustrie. Als Erfahrung jedoch war sie mehr als unangenehm. Während des gesamten Verarbeitungsprozesses verfolgte ich das Fließband – über mehrere Kilometer. Inmitten des nervtötenden metallischen Lärms beobachtete ich, welche Qualen die Kartoffeln vom anfänglichen Waschen bis zum abschließenden Verpacken erleiden mussten. Mich verletzten die leeren Blicke der Arbeiter, die ununterbrochen auf die vorbeiziehenden Kartoffeln starrten. Hier und dort breiteten sie mechanisch ihre Hände aus, um die »Unregelmäßigen« einzusammeln, die den installierten Kameras entgangen waren – und dies tun sie acht Stunden am Tag, dreihundert Tage im Jahr, viele Jahre lang, bis zu ihrer Rente …


Beim Verlassen dieses Purgatoriums war ich traurig und seelisch erschöpft. In diesem Moment beschloss ich, nie wieder industriell verarbeitete Kartoffeln zu essen. Zu meinem Glück befand ich mich aber wenige Monate später im Kartoffelmuseum in München, wo mir dank der wunderbaren, umfangreichen Sammlung die große Liebe offenbart wurde, die die Menschen aller Völker und Hautfarben mit der Knolle verbindet. Genau in jenem Augenblick erwachte in mir der Wunsch, mehr über die Geschichte dieses Gemüses zu erfahren, das, wie wir ohne Übertreibung sagen können, unsere Welt verändert hat. Also begann ich alles zu studieren, was mir über die Kartoffel in die Hände fiel, und nach den Spuren zu suchen, die sie im Laufe der Zeit und im Leben der Menschheit hinterlassen hat. So erkannte ich bald, dass sich ihre Geschichte aufgrund ihres vielen Auf und Ab wie ein Roman liest: Sie war die Grundlage für das Überleben der armen Indianer und wurde irgendwann zu einer botanischen Kuriosität für Könige und Kardinäle. Sie wurde als Speise der Revolution gepriesen, aber auch von multinationalen Konzernen als Quelle des Reichtums verehrt. Gleichzeitig ist sie es auch, die Heinrich Heine einmal sagen ließ:


»Warum die Rose besingen, Aristokrat?
Besing die demokratische Knolle, die das Volk nährt!«


Sie ist es auch, die die Macht hat, als banaler Snack in Kombination mit verblödenden Fernsehprogrammen, die Menschen in »couch potatoes« zu verwandeln. Für mein Leben wählte ich das, was zu mir passt, und beim Schreiben der folgenden Seiten wurde ich von einem einfachen Kartoffelesser zu einem glücklichen Kartoffelsinnigen. Als ich schließlich erfuhr, dass die jährliche Weltproduktion an Kartoffeln einen viel höheren Wert hat als alles Gold, das die Spanier aus den Palästen der Indianer raubten und in den Bergwerken abbauten, verstand ich, dass die bescheidene Kartoffel in Wirklichkeit der