Ich höre dir zu.
Ich habe immer geglaubt, dass es Schrecken gibt, die den Mund versiegeln. Nicht nur den Mund. Auch Herz und Sinne, zumindest für lange Zeit. Dass es Schrecken gibt, die alle Geschichten sterben lassen, weil sich die Worte verweigern.
Aber du willst erzählen.
Ich werde dir zuhören wie schon viele Male zuvor. Ich werde versuchen, das Unbegreifliche aufzunehmen, und sehen, was mit mir geschieht.
Wir werden unsere Worte zusammentun und ich werde sie aufschreiben. Vielleicht ist es ja so, dass das einmal in Worte Gefasste von uns weggeht. Oder zu etwas wird, von dem wir selbst einen Schritt zurücktreten können. Wenn uns das gelingt, wird der Schmerz, eingebettet in ein Ganzes, vielleicht irgendwann zur Ruhe kommen.
Lass uns eine Brücke bauen, die uns über Unerträgliches hinwegführt. Ich bin sicher, dass wir, hin- und hergewandert, auf beiden Seiten Liebe finden werden.
Jeanne hockte in der kleinen Blechwanne, die bereits am Nachmittag nach draußen in den Innenhof gebracht worden war, damit die Sonne das Wasser erwärmen konnte.
Das Wasser hatten die Kinder selbst zum Haus getragen. Sie waren im Verlauf des Tages mehrere Male über den schmalen Pfad zu der entfernten, sorgfältig bewachten Wasserstelle gezogen, wo man es an einem Kiosk kaufen konnte. Morgens, mittags und abends wanderten sie in Begleitung der Größeren und einiger Erwachsener dorthin, um den notwendigen Tagesvorrat zu sichern. Im Schatten von Bananenpalmen, die rechts und links den Pfad säumten, legten sie schwatzend, manchmal auch singend den Weg zurück. Vorbei an einem Bambusfeld, dessen armdicke Stäbe meterhoch emporragten, etwas später durch ein Eukalyptuswäldchen, das einen großen Froschteich barg. Der schmutzige Wasserspiegel des Teichs senkte sich selbst in trockenen Zeiten nie, denn er wurde fortwährend durch mehrere aus dem Boden sprudelnde Quellen getränkt. Hier holten sich die ihr Wasser, die das käufliche nicht bezahlen konnten.
Bei einem der vielen Gänge hatte Jeanne unterwegs einmal weit mehr als tausend Schritte gezählt.
Wenn Bananensaft hergestellt werden sollte, brauchte man viel Wasser. Die Jüngeren, zu denen auch Jeanne noch zählte, balancierten die kleineren Plastikkanister auf dem Kopf, gehalten von einem Kranz aus Bananenblättern oder einem um das kurz geschorene Haar geschlungenen Tuch, in dem der harte Boden eingebettet war wie in einem Nest.
Die älteren Kinder – unter ihnen Jeannes Bruder Jando – und die Erwachsenen schleppten die großen Kanister über einen langen, stabilen Stock gehängt, der an beiden Enden gehalten wurde.
Das Wasser kam aus den Bergen. Es gab genug davon. Aber man musste es zu den Häusern bringen. Und so war Wasserholen ein ebenso unabänderlicher Teil des Tagesablaufs wie Aufwachen und Schlafengehen.
Als sich Tante Pascasias kräftige Hand mit dem Schwamm näherte, zog Jeanne den Kopf ein und krümmte ihren Rücken zu einem Katzenbuckel. Die Augenlider so fest wie möglich zusammengekniffen und innerlich vor Ungeduld zappelnd, ertrug sie es, von Kopf bis Fuß eingeseift und abgeschrubbt zu werden, bis ihre Haut glühte. Gegen den Staub des Tages kannte Tante Pascasia kein Erbarmen. Jeanne hasste dieses unvermeidliche abendliche Reinigungsritual, fand es unter ihrer Würde. Sie war sechs und wollte nicht mehr gewaschen werden.
Zu Hause, bei den Eltern, war es ihr einmal gelungen, das noch sehr junge Hausmädchen Julienne zu überreden, sie diese Arbeit selbst tun zu lassen. Allerdings hatte es ihr den lautstarken Spott al