Schillers Spuren
Blinzelnd trat er vor den Mannheimer Hauptbahnhof 1. Die Sonne sandte ihre Strahlen schräg auf den Willy-Brandt-Platz, an den sich zu zwei Seiten Bürotürme schmiegten. Die Fahrt mit dem Zug war zum Glück nicht zu lange gewesen, er fühlte sich in Zügen immer beengt, erst recht, wenn sie überfüllt waren. Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf, die ihn die meisten seiner Zeitgenossen überragen ließ, sein rötliches gelocktes Haar hielt wie meist ein Haargummi im Nacken zusammen. Gestern hatte er noch extra seine Kleidung frisch gebürstet. Sein Blick fiel auf die Schlagzeile einer Zeitung, die an einem Kiosk hing.
Noch immer keine Ermittlungserfolge im Fall der jungen Emilia G. in Weimar. Die SOKO Emilia tappt bezüglich des Mörders weiter im Dunkeln. Unsere Zeitung berichtet weiter über den Fall.
Da rechts vorne, da stand eine Gruppe von Menschen, ungefähr zwanzig. Er wollte schon ausholenden Schrittes an ihnen vorbei eilen, da rief einer aus der Menge »Da ist er doch! Wie originell, im Kostüm!«
War der nicht ganz dicht im Kopf? Kostüm? Diese Kleidung pflegte er stets zu tragen, auch wenn er anfangs dafür kämpfen musste.
»Friedrich Schiller! Genau! Unser Reiseführer trägt ein Kostüm wie Friedrich Schiller!« Eine runde Frau strahlte ihn an.
So eine Oberschlaue, hatte wohl Leistungskurs Deutsch in der Schule absolviert, mit acht Punkten im Abitur. Die Gruppe setzte sich in Bewegung. Und was meinte die mitwie? Er war Friedrich Schiller!
Rasch umringte ihn die kleine Gruppe. »Wir hatten sie erst in fünfzehn Minuten erwartet. Aber macht nichts, wir sind ja vollzählig. Wisset Sie, wir kommen von der Alb und haben heute Mannheim auf dem Programm stehen. Eineinhalb Stunden Stadtführung und danach noch eine Vesper. Wir sind gespannt, was uns erwartet.«
Sapperlot, eine Reisegruppe! Der Tag fing ja gut an und konnte dann beruhigt besser werden. Da er über kein Kleingeld mehr verfügte und von denen bestimmt Trinkgelder erhalten würde, kam ihm die Situation nicht ganz so ungelegen, wie sie sich zu Beginn dargestellt hatte.
»Herr von Schiller, wie lange sind Sie schon tot?« Ein Kichern folgte der originellen Frage.
»Ich fühle mich, im Gegensatz zu manch anderen derzeit, in der Tat sehr lebendig.« Das konnte heiter werden, die Leute hatten Humor, wie lustig. »Folgen Sie mir, ich geleite sie zu den wichtigsten meiner Wirkungsstätten hier in Mannheim, dem Sitz des Kurfürsten Carl Theodor, der seine erlauchten Hände über die Stadt zu halten wusste und zu unserem Wohle die Künste förderte.«
Am Tattersall 2 hielt er an dem Kiosk an der Straßenbahnhaltestelle inne. »Sehen Sie dieses moderne Bauwerk, das entstand erst nach meiner Zeit.«
»Gestatten, Hugo Laumert, Oberstudienrat im Ruhestand. Ähem, Unruhestand.« Herr Laumert, etwas schwitzend trotz seines leichten Leinenhemds, machte eine kleine Pause, d