: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
: Weiße Nächte Eine Liebesgeschichte
: Insel Verlag
: 9783458753209
: 1
: CHF 10.00
:
: Hauptwerk vor 1945
: German
: 112
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Es war eine wundervolle Nacht, eine solche Nacht, wie sie vielleicht nur vorkommen kann, wenn wir jung sind, lieber Leser.« - In dieser Nacht treffen in Petersburg zwei einsame Gestalten aufeinander: der Erzähler, ein »halbkranker Städter« und zugleich lebensfremder Träumer, und die junge, naive Nastenka, die verzweifelt die Rückkehr ihres Geliebten erwartet. Aus der zufälligen Begegnung entwickelt sich eine freundschaftlich-liebevolle Zuneigung. In vier Nächten nehmen sie Zuflucht zu intensiven Dialogen und spenden sich gegenseitig Trost. Doch ihr Traum kann der Realität nicht standhalten ... Dostojewskis Novelle erschien erstmals 1848 und gehört zu den schönsten Liebesgeschichten der Weltliteratur.

<p>Fjodor Michailowitsch Dostojewski wurde am 11. November 1821 in Moskau geboren und starb am 9. Februar 1881 in St. Petersburg. Er entstammte einer verarmten Adelsfamilie, sein Vater war Arzt. Nach dem Tod seiner Mutter 1837 ließ sich Dostojewski mit seinem Bruder Michail in St. Petersburg nieder, wo er von 1838 bis 1843 an der Militärakademie Bauingenieurwesen studierte. 1844 begann er mit den Arbeiten zu seinem 1846 veröffentlichten Erstlingswerk<em>Arme Leute</em>. Dieser Roman machte ihn zusammen mit<em>Der Doppelgänger</em>, der ebenfalls 1846 erschien, schlagartig berühmt. Zu seinem Hauptwerk zählen unter anderem die Romane<em>Schuld und Sühne</em>aus dem Jahr 1866,<em>Der Idiot</em> (1868) und<em>Die Brüder Karamasow</em>(1880). Dostojewski ist ein zentraler Vertreter des Realismus innerhalb der russischen Literatur und gilt neben Lew Nikolajewitsch Tolstoj als bedeutendster russischer Schriftsteller.</p>

Es war eine wundervolle Nacht, eine solche Nacht, wie sie vielleicht nur vorkommen kann, wenn wir jung sind, lieber Leser. Der Himmel war so voller Sterne und Helligkeit, daß man sich bei seinem Anblicke unwillkürlich fragen mußte: können denn wirklich unter einem solchen Himmel allerlei ärgerliche, launische Menschen leben? Das ist nun ebenfalls eine jugendliche Frage, lieber Leser, eine sehr jugendliche Frage; aber möge Gott sie recht oft Ihrer Seele eingeben! ... Da ich soeben von allerlei launischen, ärgerlichen Menschen sprach, konnte ich nicht umhin, mich auch an das wohlgesittete Benehmen zu erinnern, das ich diesen ganzen Tag über bewiesen habe. Vom frühen Morgen an quälte mich eine eigentümliche Art von Schwermut. Es kam mir auf einmal so vor, als ob alle mich einsam dastehenden Menschen verließen und sich von mir lossagten. Natürlich ist jedermann berechtigt zu fragen: wer sind denn diese alle? Denn es sind schon acht Jahre, daß ich in Petersburg wohne, und doch habe ich es nicht verstanden, auch nur eine einzige Bekanntschaft anzuknüpfen. Aber wozu brauche ich auch Bekanntschaften? Auch ohne das ist mir ganz Petersburg bekannt; und das ist auch der Grund, weswegen es mir so vorkam, als ob mich alle verließen, da ganz Petersburg sich plötzlich aufmachte und in die Sommerfrische fuhr. Es war mir eine schreckliche Empfindung, so allein zurückzubleiben, und ganze drei Tage lang irrte ich in tiefer Schwermut durch die Stadt und begriff absolut nicht, was mit mir vorging. Mag ich auf den Newski-Prospekt oder in den Sommergarten gehen oder auf der Uferstraße hin und her wandern: nirgends auch nur eine einzige von den Personen, die ich das ganze Jahr über an ein und derselben Stelle zu bestimmter Stunde zu treffen gewohnt gewesen bin. Sie kennen mich natürlich nicht; aber ich meinerseits kenne sie. Ich kenne sie genau; ich habe beinahe ihre Physiognomien studiert und blicke sie mit Freuden an, wenn sie vergnügt sind, und werde mißmutig, wenn sie trübe aussehen. Ich habe beinahe Freundschaft geschlossen mit einem alten Manne, dem ich tagtäglich zu bestimmter Stunde an der Fontanka begegne. Er hat ein so würdevolles, nachdenkliches Gesicht; immer flüstert er etwas vor sich hin und gestikuliert mit der linken Hand, während er in der rechten einen langen, knotigen Stock mit goldenem Knopfe hält. Er ist sogar schon auf mich aufmerksam geworden und nimmt an mir inneren Anteil. Wenn es sich so trifft, daß ich zu der bestimmten Stunde nicht an eben derselben Stelle der Fontanka bin, so bin ich überzeugt, daß er mißmutig wird. Aus diesem Grunde grüßen wir einander manchmal beinahe, namentlich wenn wir uns beide in guter Stimmung befinden. Neulich, als wir uns ganze zwei Tage lang nicht gesehen hatten und uns am dritten begegneten, waren wir nahe daran, an die Hüte zu greifen; aber zum Glück besannen wir uns noch rechtzeitig, ließen die Hände wieder sinken und gingen mit lebhaft interessierter Miene aneinander vorüber. Auch die Häuser sind mir bekannt. Wenn ich so einhergehe, kommt gleichsam jedes auf der Straße auf mich zugelaufen, sieht mich mit allen seinen Fenstern wie mit Augen an und sagt ordentlich: »Guten Tag; wie befinden Sie sich? Ich meinerseits bin, Gott sei Dank, gesund, und im Mai bekomme ich noch eine neue Etage aufgesetzt.« Oder: »Wie geht es Ihnen? Mich fängt man morgen an zu reparieren.« Oder: »Ich wäre beinah abgebrannt und habe dabei einen gewaltigen Schreck bekommen« und so weiter. Ich habe unter ihnen meine Lieblinge und nahen Freunde; eines von ihnen beabsichtigt, in diesem Sommer eine Kur bei einem Baumeister durchzumachen. Ich werde absichtlich alle Tage herangehen, damit man mir das Häuschen nicht etwa gar versehentlich zu Tode kuriert; Gott beschütze es! ... Aber nie werde ich die Geschichte vergessen, die mit einem allerliebsten, hellrosa Häuschen passierte. Das war ein so nettes steinernes Häuschen, und es blickte nach mir so freundlich und nach seinen plumpen Nachbarn mit einem solchen Stolze hi