: Alfred Döblin
: Christina Althen, Steffan Davies
: Hamlet oder Die lange Nacht nimmt ein Ende Roman
: S. Fischer Verlag GmbH
: 9783104033013
: 1
: CHF 13.00
:
: Hauptwerk vor 1945
: German
: 640
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Alfred Döblins letzter großer Roman - erstmals in der ursprünglichen Fassung Der englische Soldat Edward Allison kehrt traumatisiert aus dem Zweiten Weltkrieg in sein Elternhaus zurück. Er fragt nach der Schuld am Krieg und löst damit einen Reigen von Erzählungen aus, die ganz unterschiedliche Facetten von Schuld beleuchten, vor allem auch innerhalb der eigenen Familie. Ein Meisterwerk der Erzählkunst, neu ediert auf der Grundlage des ursprünglichen Typoskripts. Herausgegeben von Christina Althen und Steffan Davies

Alfred Döblin, 1878 in Stettin geboren, arbeitete zunächst als Assistenzarzt und eröffnete 1911 in Berlin eine eigene Praxis. Döblins erster großer Roman erschien im Jahr 1915/16 bei S. Fischer. Sein größter Erfolg war der 1929 ebenfalls bei S. Fischer publizierte Roman ?Berlin Alexanderplatz?. 1933 emigrierte Döblin nach Frankreich und schließlich in die USA. Nach 1945 lebte er zunächst wieder in Deutschland, zog dann aber 1953 mit seiner Familie nach Paris. Alfred Döblin starb am 26. Juni 1957.

Erstes Buch


Die Heimkehr


Man brachte ihn zurück. Es fiel ihm nicht zu, den asiatischen Kontinent zu betreten.

Fünf Tage nach dem Durchschleusen des Panamakanals bei Morgengrauen warfen sich zwei japanische Selbstmordflieger auf das Schiff. Der erste segelte schräg aus einer Wolkenwand herunter, glitt durch den weichen Nebel, der auf dem sanft schaukelnden Ozean lag, streifte die Schiffsbrücke, durchbohrte das Deck und riß heulend und flammenspeiend breite Löcher in die Schiffshaut. Gierige Wassermassen sprudelten heran. Man errichtete aus Matratzen und Brettern einen Damm. Er half noch beim Abdichten und beim Wegschleppen der Opfer.

Dann war der zweite Flieger da. Die Menschenbombe sauste senkrecht aus der schweren Wolke herab, die wie eine trächtige Kuh oben hinzog, schmetterte durch das Deck und wühlte sich in den Maschinenraum ein.

Er wurde aufgehoben wie eine Puppe, um sich und über sich gedreht und flog in Flammen und schwarzem Rauch mit Maschinenteilen, Sprengstücken, Holzfragmenten, mit Leichen, Verwundeten und abgerissenen Gliedern. Nichts hatte Bewußtsein in dem heißen Wirbel.

Der Kreuzer brannte aus. Die überlebende Mannschaft mit einer Hilfskolonne von einem Nachbarschiff rettete alles, was noch Lebenszeichen gab, auf einen anderen Kreuzer hinüber. Ihn fand man entfernt von einer Explosionsstelle auf einer dunklen Eisentreppe, die er hinuntergekollert war.

Das Wasser gurgelte friedlich und einschläfernd um die Schiffe, die sich weiter östlich bewegten. Die trächtige Kuh oben schleppte sich schwerfällig fort. Sie hatte einen langen Weg hinter sich und einen noch längeren vor.

Im Bauch des Kreuzers, im Operationsraum, brannten die starken elektrischen Lampen. Auf den Gängen, im Vorraum, stauten sich die Bahren mit den Halbverbrannten, Verstümmelten; junge Wesen, die noch atmeten, aber nicht mehr das Ansehen von Menschen besaßen. Die eilige heiße Fahrt in die Luft hatte ihnen das genommen.

Sein linkes Bein war nicht vorhanden. Man trug die Knochen- und Fleischreste ab, entfernte Holz- und Metallstücke aus den Armen und Schultern, säuberte die klaffende Fleischwunde am Rücken. Man konnte das mit einem Minimum an Narkose; der Schock machte ihn fast empfindungslos. Eine Bluttransfusion vor dem Eingriff, eine Transfusion während der Arbeit, dann noch die anderen Drogen, Sulfa und Penicillin, Tetanusantitoxin hatte er schon erhalten.

Als man ihn vom Tisch nahm, war sein Puls nicht schlecht. Er atmete ruhig, flach und fühlte sich kühl an.

Nach zwei Tagen flog man alle Überlebende, die dem Risiko einer Reise noch ausgesetzt werden konnten, nach Westen über das Meer und setzte sie an der warmen pazifischen Küste Amerikas ab. Hospitäler auf den Hügeln unter Palmen nahmen sie auf. Die Schrecken konnten hier verebben.

Unten lag flach ausgebreitet eine große Stadt. Ihre Häuser kletterten die Hügel herauf. Blühende bunte Gärten umgaben prächtige Villen, Garagen und blaue Schwimmbassins. Durch die gepflegten Alleen fuhren im Strom unhörbar Autos. Es gab weite Geschäftsstraßen, durch die Autobusse und Elektrische sausten; Stühle und Bänke voller Menschen auf grünen Parkplätzen. Frauen überschritten den Damm und betrachteten glänzende Schaufenster mit Kostümen, Schuhen, H