: Gilbert Keith Chesterton
: Die Paradoxe des Mr. Pond und andere Überspanntheiten
: Die Andere Bibliothek
: 9783847753322
: Die Andere Bibliothek
: 1
: CHF 13.40
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: Hauptwerk vor 1945
: German
: 393
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Cape und zerdrückter Hut, Stockdegen und Zigarre.*Er war ein Mann mit Stil.*Und natürlich exzentrisch.*In den letzten Monaten seines Lebens veröffentlichte Gilbert Keith Chesterton monatlich eine Kriminalnovelle im »Storyteller« - ihr Held ist ein seltsamer Regierungsbeamter namens Mr. Pond.*Die Sammlung dieser acht scharfsinnigen Geschichten »Die Paradoxe des Mr. Pond« erschien erst ein Jahr nach Chestertons Tod. Es ist sein letzter literarischer Coup und wir wissen: nur in schlechten Detektivgeschichten ist die Lösung materieller Natur.*Ein Jahrzehnt zuvor erschienen die »Geschichten vom überspannten Bogen« mit Helden, die in bizarre Abenteuer geraten; geschrieben mit diebischer Freude am Paradoxen, Märchenhaften und Surrealen, handelt doch jede Geschichte vom Umsetzen eines englischen Sprichworts in die Wirklichkeit - und Unmögliches wird möglich.*Nun sind diese unmöglichen Geschichten nach bald neunzig Jahren endlich ins Deutsche übertragen worden.



Gilbert Keith Chesterton, 1874 in London geboren und 1936 dort gestorben, hat ein enormes erzählerisches und essayistisches Werk hinterlassen. Am bekanntesten sind »Der Mann, der Donnerstag war« (1908) und »Die Geschichten von Pater Brown« (1911 bis 1935). In der Anderen Bibliothek erschienen von ihm: »Ketzer. Eine Verteidigung der Orthodoxie gegen ihre Verächter« (Band 165, 1998) und »Orthodoxie. Eine Handreichung für die Ungläubigen« (Band 187, 2000)

DIE DREI REITER DER APOKALYPSE


Der seltsame und bisweilen unheimliche Eindruck, den Mr. Pond trotz seiner allseits bekannten Höflichkeit und seiner gepflegten Manieren auf mich machte, war möglicherweise mit irgendwelchen Kindheitserinnerungen verknüpft und der vagen Assoziation, die sein Nachname hervorrief. Er war Regierungsbeamter und ein alter Freund meines Vaters; ich nehme an, daß meine kindliche Phantasie irgendwie den Namen von Mr. Pond mit dem Fischteich im Garten in Zusammenhang gebracht hatte. Wenn man genau darüber nachdachte, war er kurioserweise einem Gartenteich nicht unähnlich. Er war unter normalen Umständen genauso ruhig, gleichermaßen klar geformt und in gewisser Weise ebenso glänzend in seinen alltäglichen Reflexionen, wenn es um Himmel, Erde und das gewöhnliche Tageslicht ging. Und doch: ich wußte, daß es einige wunderliche Dinge im Gartenteich gab. In einem von hundert Fällen, etwa an einem oder zwei Tagen im Jahr, sah der Fischteich sonderbar anders aus: ein Schatten huschte vorbei, oder etwas blitzte auf unter seiner glatten, gelassenen Oberfläche, und ein Fisch, ein Frosch oder eine andere, noch groteskere Kreatur streckte den Kopf in den Himmel. Ich wußte, daß auch in Mr. Pond Monströses existierte: es gab Monster in seinen Gedanken, die nur einen Moment lang an die Oberfläche kamen und wieder hinabsanken. Sie zeigten sich in Form von ungeheuerlichen Aussprüchen, trotz seiner sonst so milden und vernünftigen Bemerkungen. Manche Menschen dachten, er sei mitten in einem höchst vernünftigen Gespräch plötzlich verrückt geworden. Aber selbst jene mußten zugeben, daß er ebenso schlagartig wieder klar im Kopf wurde.

Vielleicht wurde jene närrische, phantastische Vorstellung, um darauf zurückzukommen, deswegen in meinem jugendlichen Gemüt zu einer fixen Idee, weil Mr. Pond in gewissen Momenten selbst fast wie ein Fisch aussah. Seine Umgangsformen waren nicht nur durchaus höflich, sondern auch recht konventionell; selbst seine Gesten waren ganz gewöhnlich, abgesehen von seinem gelegentlichen Spleen, an seinem Spitzbart zu zupfen, der ihn vor allem dann überfiel, wenn er sich endlich einmal dazu gezwungen sah, ernsthaft über eine seiner seltsamen und zusammenhanglosen Aussagen zu sprechen.

In solchen Momenten starrte er wie eine Eule vor sich hin und zog an seinem Bart, was den drolligen Effekt hatte, daß er damit gleichzeitig den Mund öffnete, als wäre es der Mund einer Marionette, mit Barthaaren statt der Schnüre. Dieses merkwürdige, beiläufige Öffnen und Schließen des Mundes, ohne ein Wort zu sagen, wies eine durchaus überraschende Ähnlichkeit auf mit dem langsamen Luftschnappen und Schlucken eines Fisches. Jedoch dauerte dies nie länger als ein paar Sekunden; ich nehme an, daß er während dieser Zeit die unwillkommene Aufforderung, doch zu erklären, was um alles in der Welt er denn da meinte, hinunterschluckte.

Eines Tages redete er gerade in aller Ruhe mit Sir Hubert Wotton, dem bekannten Diplomaten; sie saßen unter buntgestreiften Sonnensegeln beziehungsweise riesigen Sonnenschirmen bei uns zu Hause im Garten und blickten zu dem Teich hinüber, den ich so fälschlich mit ihm in Verbindung gebracht hatte. Zufälligerweise sprachen sie beide gerade über einen Teil der Welt, der kaum jemandem in Westeuropa überhaupt ein Begriff war, den die beiden aber gut kannten, nämlich die riesigen Ebenen, die zu Moor- und Sumpflandschaften auslaufen und sich über Pommern, Polen und Rußland sowie einige weitere Länder erstrecken, bis hin zu den wüsten Landstrichen Sibiriens, soweit ich weiß. Mr. Pond erinnerte sich daran, daß in einem Landstrich, in dem die Sümpfe am tiefsten sind und von Wass