11:10 Uhr: Erste fernmündliche Mitteilung aus Nordrhein-Westfalen, dass Bremen als möglicher Zielort der Gladbecker Geiselnehmer in Betracht kommen kann. Der Anruf wird von Polizeioberkommissar Günther im Lagezentrum entgegengenommen.
»Frühstückspause«, sagte Rapka und lenkte den weißen Audi an die nächste Imbissbude. Er wollte polnisch essen, die gute Krakauer.
»Von mir aus«, erwiderte Kuhlebert missmutig. Jeden Morgen das gleiche Ritual. Wenigstens einmal könnten sie zu McDonald's fahren. Aber Hermann Rapka war am Steuer. Das ließ er sich nicht nehmen.
»Mit viel Senf, wie immer, Herr Präsident!« Die Frau am Wurststand kannte ihre Stammkunden. Sie wusste, wen sie freundlich bedienen musste und wem sie lustlos die pappigen Pommes auf die Theke knallen konnte.
Bernd Kuhlebert bestellte eine doppelte Cola, er bekam die stark gesalzene Wurst sonst nicht hinunter.
Frau Soltan versah ihren Dienst an dieser Würstchenbude seit mehr als fünfundzwanzig Jahren. Eine Stunde vor Arbeitsbeginn stellte sie den blankpolierten Grill an, scheuerte die Glastheke mir scharfem Chlorreiniger, die Kunden liebten Sauberkeit. Punkt 10 Uhr ging die Klappe auf. Dann standen dort der Käptain, sein versoffener Freund Ayatollah und die rotäugige Hilde und warteten auf ihr Frühstück. Sie hatten den Stand schon wieder verlassen, wenn Rapka und Kuhlebert in Erscheinung traten.
Seit die beiden Polizisten zum Mobilen Einsatzkommando versetzt worden waren, hatte sich ihr Dienst wesentlich verändert. Sie trugen Zivil. Auf dem Lehrgang war Rapka auferlegt worden, mindestens fünfzehn Kilo abzuspecken. Das war ihm gelungen. Er hatte es seinem Beifahrer Kuhlebert zu verdanken, dass man ihn beim MEK überhaupt akzeptierte. Schon seit dreizehn Jahren saßen sie zusammen auf dem Bock. Kuhlebert wollte nur mit seinem wesentlich älteren Kollegen die Beobachtungsaufgaben übernehmen, weil er sich an dessen Macken gewöhnt hatte.
In Rapkas Personalakte stand, dass er in seiner Ausbildung versehentlich einen Schäferhund erschossen hatte. Das war zwar lange verjährt, doch der Vermerk haftete. Gelegentlich gab Rapka seinem Beifahrer Kuhlebert einen heftigen Schlag auf die Schulter. »Das haste gut gemacht, mein Junge.«