: Marko Rostek
: 33 Tage Der letzte Sommer des alten Europa
: Styria Verlag
: 9783990402542
: 1
: CHF 8.90
:
: Historische Romane und Erzählungen
: German
: 400
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
In den 33 Tagen nach dem Attentat von Sarajevo am 28. Juni 1914 fielen die verhängnisvollen Entscheidungen, die zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs führten. Tagesgenau und detailliert erzählt Marko Rostek die Stationen der Julikrise 1914, in seiner packenden Zusammenschau der Ereignisse werden dabei sowohl die österreichisch-ungarischen als auch die deutschen, englischen, französischen und russischen Positionen und Entscheidungen beschrieben. Hautnah begleitet der Leser die maßgeblichen Akteure auf ihrem Weg in den Krieg. Die Geschichte dieses letzten Sommers im Frieden ist Spannung pur Staunend und kopfschüttelnd erlebt der Leser, wie Europa im Juli 1914 sehenden Auges in den Untergang marschiert

Marko Rostek, geboren 1969 in Graz, studierte an der Donau Universität Krems. In seinem Hauptberuf begleitet er erfolgreich Unternehmen bei deren Immobilienstrategien und Veränderungsprozessen bis hin zu neuen Standortkonzepten. Dem vorliegenden Werk, seinem Erstlingsroman, liegt eine intensive, dreijährige Recherche- und Forschungsarbeit zugrunde. Marko Rostek lebt und arbeitet seit 2009 in Wien.

MONTAG, 29. JUNI, FEIERTAG „PETER UND PAUL“


„Schon wieder Verwicklungen mit Serbien!“ Der Gedanke, der immer wieder durch seinen Kopf geistert, klingt fast verzweifelt. Während er sich erschöpft auf die Rückbank des Automobils sinken lässt, fährt der Fahrer mit dem Wagen langsam die Schlossallee hinunter und biegt nach kurzem Stopp in die Straße Richtung Karlsbad. Von dort geht es weiter nach Wien, das sie nach drei Stunden Fahrzeit erreichen werden.

Graf Leopold Berchtold, der k. u. k. Minister des Äußeren, sitzt im Fond und versucht, seine Gedanken zu ordnen. Die bevorstehenden Stunden der Fahrt werden die ersten ungestörten sein, seit gestern am frühen Nachmittag die unfassbare Nachricht aus Sarajevo eingetroffen ist. Der Graf neigt seinen Kopf und blickt aus dem Fenster, lässt die Landschaft vorbeiziehen. Wieder schießt ein Gedanke durch seinen Kopf, der seinen Magen verkrampfen und die Atmung schwer werden lässt: „Ich muss mich jetzt endlich diesem Problem stellen …!?“ Obwohl er, seit er im Februar 1912 die Nachfolge des Grafen Aehrenthal als Leiter des Auswärtigen Amtes angetreten hat, schon einige schwierige Phasen bewältigt hat, scheinen nun die schwersten Tage seiner Amtsführung auf ihn zuzukommen. Der österreichische Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand und seine Gemahlin, die Herzogin von Hohenberg, sind in Sarajevo von einem jungen Fanatiker ermordet worden. Immer wieder zieht diese Schreckensmeldung vor seinem geistigen Auge vorbei. Beim Gedanken an die letzten Stunden spürt Graf Berchtold, wie seine Schläfen pulsieren und ihn gleichzeitig die Müdigkeit übermannt. Die unruhige Fahrt wird durch die hohe Geschwindigkeit des Wagens noch verstärkt, denn er hat seinem Fahrer Anweisung gegeben, bis spätestens 17:30 Uhr das Ministerium in Wien zu erreichen. Immer wieder schreckt er aus seinen Gedanken hoch und erinnert sich an die Bürde seines Amtes. Seine Ausbildung und die Erfahrungen der letzten Jahre in Russland haben ihn gelehrt, auf katastrophale Ereignisse dieser Art vorbereitet zu sein. Mit der Ermordung des Erzherzog-Thronfolgers ist nun das bei Weitem Schlimmste eingetreten. „Dieses Mal muss ich Stärke zeigen!“ Sein Gesicht spiegelt sich fahl im Fenster des Automobils. „Ein weiteres Anzeichen politischer Schwäche kann ich mir in meiner Position nicht mehr leisten“, murmelt er vor sich hin, während er versucht, seine Gedanken zu sammeln. Er richtet sich auf, öffnet seine Aktentasche und beginnt, sich auf die bevorstehenden Treffen in Wien vorzubereiten.

***

Er saß gerade im Arbeitszimmer im 2. Stock seines Schlosses in Buchlau und wollte sich auf den planmäßigen Ministerrat in der kommenden Woche vorbereiten. Die Stimmen der Kinder, die vom Garten zu ihm heraufdrangen, stellten seine Konzentrationsfähigkeit immer wieder hart auf die Probe und lassen nun im Rückblick ein Lächeln in seinem Gesicht erscheinen. Am frühen Nachmittag schließlich rang er sich dazu durch, das Fenster zu schließen, um sich voll auf seine Arbeit konzentrieren zu können. Als er gerade am Fenster stand, fiel sein Blick auf eine Staubwolke, die durch ein heranrasendes Auto