„… folgt mir nun des Himmels Lust“
Moments Musicaux, Franz Schubert D. 780 (op. 94),
Moderato, Andantino, Allegro moderato, Moderato,
Allegro vivace, Allegretto
I
Salziges
Wiener Konzerthaus. Gold, Weiß und Rot und ein schwarz glänzender Bösendorfer Flügel. Ich habe einen wunderbaren Platz auf der Orgelempore ergattert, mit direktem Blick auf den Pianisten. János Kahn. Weiß schimmernd umrahmen seine Locken wie ein verhuschter Heiligenschein das weich gewordene Gesicht. In seinen Zügen ist die Musik versammelt, die seine Hände als erstes der sechs „Moments Musicaux“ in sanftem Schönklang entlassen, als spielte das Leben in leichtfüßigemC-Dur. Die fröhliche Tonart täuscht mich nicht. Mir rinnt Salziges über die Wangen. Ich sehe nichts mehr, nicht den Flügel, nicht den Pianisten, nicht die Konzertgäste. Ach Gott, es gibt genug Musik, bei der es geradezu zum guten Ton gehört, ergriffen zu sein. Nicht nur die Oper, auch die Kammermusik hat dazu einiges anzubieten. „Der Tod und das Mädchen“ rührt jeden. Aber kein Mensch vergießt über Schuberts „Moments Musicaux“ Tränen. Ein Taschentuch wäre jetzt nützlich. Ich wische mir mit dem Handrücken über die Augen. Jetzt kann ich den Pianisten wieder sehen. Hinter seinen geschlossenen Augen ist die Tür zu einer anderen Welt aufgegangen. Neue Tränen. Zu verloren, zu verzweifelt, zu todesschwanger ist dasAs-Dur des Andantino. Wenn János es spielt.
„Moments Musicaux“. Momente der Seligkeit. Momente der Todesnähe.
II
Sonntagsstaat
Lang ist es her. János Kahn war eine Zukunftshoffnung, brillant, genial und charmant. Alle Musikstudentinnen – ich unter ihnen – beteten ihn an. Er spielte hinreißend und war hinreißend anzuschauen, der schwarzlockige Ungar.
Ich liebte ihn, wie man damals noch lieben konnte: aussichtslos und hingebungsvoll.
Und weil mir das Herz von dieser Liebe überging, weil ich auch daheim, am Bauernhof, von János Kahn reden musste, sprudelte es eines Sonntags am Mittagstisch aus mir heraus: „Der weltbeste Klavierspieler, der János Kahn, gibt in Graz ein Konzert, im Stephaniensaal.“ Mitgerissen von meiner Begeisterung wollte ich dieses Glück mit jemandem aus meiner Familie teilen: „Wer von euch geht mit, am Samstagabend, zum Klavierkonzert vom János?“
Gutmütiges Gelächter. Wer hätte schon Zeit und Lust für sowas. Ich wäre am liebsten aufgesprungen und weggerannt. Da fiel mein Blick auf