Einleitung
Seine große Liebe heißt Amerika
Felsen, Bäume und Wind im Gesicht! Der feste Boden!
Die wirkliche Welt! Die Vernunft! Kontakt! Kontakt!
Wer sind wir? Wo sind wir?
Henry David Thoreau,
The Maine Woods
Es ist so verwunschen wie in Brigadoon[1] an einem Sommertag. Man fährt von Salt Lake City aus eine Stunde auf der I-15 Richtung Süden, biegt am Hinweisschild zum Uinta National Park nach Osten ab und dann auf die Provo Canyon Road, die sich an einem Fluss entlangwindet, in dem die Forellen einst so zahlreich waren wie Kieselsteine. Dann geht es weiter nach Norden über die Alpine Loop Road, bis man sie inmitten hoher Pappeln sieht: ein paar im Kreis angeordnete Holzhütten, im Hintergrund ein oder zwei Skilifte und darüber der Mount Timpanogos, der mit atemberaubender Eleganz fast dreitausendsechshundert Meter aufragt. Abgesehen von den Holzhütten und den spinnenartigen Skilifts, sieht es hier immer noch so aus wie vor zweihundert Jahren, als die Ute-Indianer in dieser Gegend lebten. Erdhörnchen und vier Arten von Schlangen sind nach wie vor hier beheimatet. Steinadler beherrschen den Luftraum. Hin und wieder werden Pumas gesichtet. Hirsche bevölkerten das Tal zu Tausenden, bis im außergewöhnlich harten Winter1990 neunzig Prozent von ihnen verendeten. Inzwischen leben hier wieder zahlreiche Hirsche. Das Land scheint eine starke natürliche Erneuerungskraft zu besitzen.
Wenn man aus dem Auto steigt (anders kommt man nicht hin), duftet es so würzig wie in den Alpen. Man atmet tief ein, denn in dieser Höhe – fast zweitausend Meter – ist die Luft dünn. Manche bekommen hier oben Nasenbluten. Es ist ein Ort der Monumentalität. Weiter Himmel. Gigantische Berge. Extreme Widersprüche. Henry David Thoreau hat sich einmal auf dem Mount Katahdin verlaufen und inThe Maine Woods sowohl die Schönheit als auch die unterschwellige Gefährlichkeit der Natur beschrieben. Es ist ein Ort zum Innehalten.
Robert Redford entdeckte diesen Canyon vor fünfzig Jahren. Ursprünglich war es Siedlungsgebiet, das eine schottische Familie im Jahr1900 für1,3 Dollar pro Hektar von der US-Regierung kaufte, um dort Schafe zu züchten. In den fünfziger Jahren war der Wollmarkt tot, und das Land wurde aufgegeben.1961 kaufte Redford einen Hektar und baute sich ein Haus.1969, nach seinem Hollywooderfolg, kaufte er mehr als tausend angrenzende Hektar und nannte sein Grundstück nach dem Film, der ihm den Durchbruch gebracht hatte, Sundance.1980 gründete er eine Künstlerkolonie zur Unterstützung junger Filmemacher. »Ich hatte kleine Filme wieHeartland [Regie Richard Pearce] gesehen und Leidenschaft, die verpuffte. Es gab keine Infrastruktur, um solche Filme zu fördern. Hollywood war nur an Kassenschlagern interessiert.« Redford beschloss, Abhilfe zu schaffen, indem er nach dem Vorbild von Yaddo eine Künstlerkolonie gründete, wo, basierend auf dem Prinzip einer Fertigungsstraße, Drehbücher geschrieben, Filme gedreht und die fertigen Produkte vermarktet werden sollten. Er bat Freunde wie den Schauspieler Karl Malden, den Schriftsteller Waldo Salt und den Kameramann László Kovács um Unterstützung. Sie trafen sich im Canyon und setzten die Maschinerie in Gang. Im ersten Jahr wurden siebzehn junge Filmemacher eingeladen, und der Erfolg stellte sich umgehend ein. Die Begeisterung schlug sich im Arbeitseifer nieder: Die Leute arbeiteten bis zu siebzehn Stunden täglich. Es wurden Kurzfilme gedreht, bearbeitet, diskutiert, ne