: Kurt Kotrschal
: Einfach beste Freunde Warum Menschen und andere Tiere einander verstehen
: Christian Brandstätter Verlag
: 9783850338387
: 1
: CHF 16.20
:
: Natur und Gesellschaft: Allgemeines, Nachschlagewerke
: German
: 224
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
In einer Zeit der rasch voranschreitenden Urbanisierung haben viele Menschen den Kontakt zum Tier fast vollständig verloren. Gleichzeitig zeigt das hartnäckige Festhalten der Stadtmenschen an Topfpflanzen und Haustieren, dass auch der moderne Zivilisationsmensch einen Bezug zu Tieren und Natur braucht. Für den Verhaltensforscher, Biologen und Bestsellerautor Kurt Kotrschal sind Menschen ohne 'andere' Tiere weder erklärbar noch lebensfähig. Besonders an Kindern lasse sich die Bedürftigkeit des Menschen nach Tierbeziehung gut erkennen: Ein Aufwachsen mit Tieren sei eine der wichtigsten Zutaten für eine gelingende körperliche, emotionale, kognitive und soziale Entwicklung. Hunde sind das Alter Ego des Menschen. Die lange gemeinsame Entwicklungsgeschichte bedingt ein 'Menschenrecht auf Hundehaltung' und ein 'Hunderecht', mit verständigen Menschen zu leben. Tiere sind aber nicht nur unsere evolutionären Geschwister, sie entfalten als unsere Freizeitpartner oder in therapeutischen Settings oft positive Wirkungen. Gute Beziehungen mit Tieren helfen Menschen, in emotionaler Balance ein langes und glückliches Leben zu führen. Dass etwa Hundehalter weltweit gesünder sind als Menschen ohne Hund, ist statistisch belegt. Warum wir Menschen die Tiere brauchen und wie das Zusammenleben und die Kommunikation mit Tieren - vor allem mit unseren wichtigsten Kumpantieren, den Hunden und Katzen - partnerschaftlich funktionieren kann, erklärt Kurt Kotrschal anschaulich, humorvoll und provokant in seinem neuen Buch.

Kurt Kotrschal, Professor an der Universität Wien, Leiter der Konrad-Lorenz-Forschungsstell Grünau und Mitbegründer des Wolfsforschungszentrums wolfscience.at in Ernstbrunn, Wissenschaftler des Jahres (2010). Sein Buch 'Wolf, Hund, Mensch' im CBV wurde 2013 als Wissenschaftsbuch des Jahres ausgezeichnet.

2. Warum Menschen und Tiere miteinander wollen


Das prähistorisch-evolutionäre Geworden-Sein des Menschen wird nur im Lichte seiner Natur- und Tierbeziehung verständlich. Gerade das hartnäckige Festhalten der Stadtmenschen an Topfpflanzen und Tierkumpanen zeigt letztlich, dass es auch für moderne Zivilisationsmenschen zu den Lebensnotwendigkeiten zählt, ihre Umwelt mit Tieren und Natur zu vervollständigen.

Menschen sind biophil


Städte sind der ideale Ort zum Menschenschauen– sozusagen ein Hochdichtelebensraum für Menschen. Man sieht dort mit wenig Anstrengung auch mehr Tiere als irgendwo draußen in freier Natur. Und man erfährt dabei vielüber Mensch-Tier-Beziehungen. Manches ist so selbstverständlich, dass es uns gar nicht mehr auffällt. Etwa folgende Szene, die ich zwar schon oft beobachten konnte, die mich aber immer wieder rührt: Ein ein- bis dreijähriges Kind schwebt in seinem Wägelchen wie Napoleonüber der Welt, von eiligdevotem Betreuungspersonal geschoben. Es kaut brabbelnd und sabbernd an einem Stückchen Brot. Die Gruppe passiert eine in geringem Abstand auf dem Gehsteig trippelnde Taube, das Kind streckt seine kleinen Arme in ihre Richtung, quietscht vor Vergnügen, fällt beinahe aus seinem Gefährt und wirft sein Brot in Richtung Taube, nicht immer zum Vergnügen der diensteifrigen Wagenschieber. Für Taube könnte auch Hund oder Katze stehen.

Haben wir es hier mit einem besonders tierfreundlichen Kind zu tun? Tierfreundlich– ja,„besonders“– nein. Alle gesunden Kleinkinder dieser Welt sind, unabhängig von Kultur oder Einstellung ihrer Eltern, höchst tierfreundlich. Ab etwa drei Monaten nach ihrer Geburt zeigen Menschenkinder die längste Aufmerksamkeit gegenüber Tieren oder Tierabbildungen (Judy DeLoache und Mitarbeiter 2011). Auch die ersten Lautäußerungen von Kindern sind gewöhnlich tierbezogen. So ist es wahrscheinlich, dass unser Kind im Wagen nicht nur jauchzte, sondern unter Hinzeigen auch ein mehr oder weniger klares„Wauwau“ sprach und dabei zwischen Kinderwagenschieber und Tier am Gehsteig hin- und herblickte. Dass nicht nur Hunde, sondern auch Tauben und Katzen anfangs„wauwau“ genannt werden, entspricht der Reifung der Kategorisierfähigkeit während der Entwicklung der zunehmenden Differenzierung der Abbildung der Welt im kindlichen Gehirn.

Gerade an Tieren entwickelt sich bei Kleinkindern der symbolische Gebrauch der Sprache. Eine Lieblingsbeschäftigung aller Kleinkinder ist es, auf dem Schoß eines vertrauten Erwachsenen sitzend die ersten Bilderbücher durchzublättern, mit dem Finger auf die abgebildeten Tiere, Personen oder Gegenstände zu deuten, sie zu benennen und den Erwachsenen anblickend aufzufordern, diese ebenfalls zu benennen. Was leicht zu Missverständnissen führen kann. Deutet ein Kleinkind mit dem Finger auf ein Pferd und sagt dazu„muh“, so fühlt sich der kognitionsbeherrschte Erwachsene gewöhnlich bemüßigt, das Kind zu verbessern, während dessen Hauptintention war, einfach ein Lächeln und verbale Anerkennung zu bekommen. In dieser Anerkennung sollte freilich durchaus auf das Nicht-Kuh-Sein des Pferdes hingewiesen werden. Das kindliche Gehirn lernt so den Symbolgebrauch der Sprache, indem es die Bedeutung neuer Worte und die Namen von neuen Gegenständen nichtüber Definitionen, sondern aus dem Kontext heraus lernt; so reift seine Einsicht, dass Katzen und Hühner„Tiere“ sind, das Feuerwehrauto dagegen nicht, oder dass Hühner und Tauben„Vögel“ sind, Kühe und Schildkröten dagegen nicht.

Im Heranwachsen zeigt dann vor allem der Wandel in der Einstellung zu Tieren die Entwicklung zum Denken der Erwachsenen, wie Stephen Kellert von der US-amerikanischen Yale University 1984 beschrieb: Im Alter von sechs bis neun Jahren differenzieren sich zuerst die emotionalen Beziehungen zu unterschiedlichen Tieren. Im Alter von 10–13 Jahren nimmt dann das sachliche, verstandesgeleitete Interesse an und das Faktenwissen zu Tieren sprunghaft zu, besonders wenn es durch entsprechende Angebote gef&oum