Aller Anfang
Mein Herz bevorzugte für gewöhnlich einen ruhigen, lebensbejahenden Rhythmus. Doch im Moment hatte es sich den Partybässen angepasst und wummerte in demselben Takt.
Selbst auf dem hintersten und verstecktesten Teil des Parkplatzes und noch im Auto sitzend konnte man die Melodie identifizieren. Der Lautstärke sei Dank!
Trotz besseren Wissens und trotz der Befürchtung, bald einem Hörsturz zum Opfer zu fallen, war der Rhythmus des Liedes sofort und ungefragt in mein Blutübergegangen. Er lud mit Nachdruck zum Tanzen oder zumindest zum Mitwippen ein. Bei mir sorgte er zusätzlich dafür, dass ich wieder nervös wurde.
Einen hilfesuchenden Blick zu meinem Freund werfend, bemerkte ich seine Ruhe. Er wirkte entspannt, in sich und seine Gedanken versunken, beneidenswert!
Doch ich kannte den einzigen Grund, warum er nicht nervös war: mich.
Niemals würde er ausgerechnet vor mir zugeben, dass er aufgeregt war. Nicht, wenn ich seine Stärke bewunderte und seine selbstbewusste Anwesenheit benötigte, um keinen Rückzieher zu machen.
Er musste meinen Blick gespürt haben, denn er sah auf. Die Lachfältchen um seine braunen Augen runzelten sich ein wenig mehr, als er mir ein verschmitztes Lächeln schenkte und meinte:»Mensch, bin ich nervös!«
Tsk tsk tsk. So kann man sich täuschen!, dachte ich. Doch statt einen frechen Kommentar von mir zu geben, nickte ich verständnisvoll. Schließlich sollte einer von uns beiden denselben Mut und dieselbe Entschlussfreudigkeit beweisen wie bei der Planung des Events. Ich war mir nur noch nicht ganz sicher, ob ich diejenige sein würde, und starrte unentschlossen und zögerlich aus der Frontscheibe.
Ein Pärchen torkelte an unserem Auto vorbei.
Ganz offensichtlich nicht, weil sie bereits betrunken ankamen. Die Frau war auf halsbrecherischen Absätzen unterwegs und fand selbst am Arm ihres Begleiters noch nicht genügend Halt, um würdevollüber den Parkplatz zu stolzieren.
Der Boden hatte sich nach tagelangen Regenfällen und wegen der unzähligen Reifenspuren trotz aller Vorkehrungen des Veranstalters in einen besseren Rübenacker verwandelt. Gegen die Natur kamen weder Schotter noch Planen an und neben Matsch und Pfützen gab es so Stolperfallen, die man durch die Dunkelheit sicherlich erst bemerkte, wenn man sich bereits im freien Fall befand.
Trotzdem warfen Mark und ich uns einen erleichterten Blick zu. Das Pärchen sah normal aus.
Nicht wie Personen, die anderswo gesucht wurden. Sie hatten keine Steckbriefgesichter oder sahen aus wie Filmbösewichte.