: Uwe Berger
: Der Schamanenstein Menschen und Orte
: EDITION digital
: 9783863940034
: 1
: CHF 6.50
:
: Asien
: German
: 185
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Uwe Berger schaut sich die Welt persönlich an, über die er schreibt. Das gilt auch für den dritten und letzten Band seiner Reiseimpressionen DER SCHAMANENSTEIN, in dem er von Menschen und Orten nicht nur in Europa, sondern auch in Sibirien berichtet. Mit seiner Frau geht er, bewacht von riesigen Zirbelkiefern, am steinigen Ufer des Baikalsees entlang. Die unendlichen Wasser scheinen sich zu krümmen. Beide sprechen mit Ewenken, Burjaten und den Buddhisten eines Lamaklosters bei Iwolginsk. Die Mönche empfangen und verabschieden die Gäste mit milder Freundlichkeit. Am Ufer des Bratsker Stausees erzählt eine junge Frau von den Verbannten, die ihre Vorfahren waren, und von dem, was der Amerikaner George Kennan in seinem Buch SIBERIA AND THE EXILE SYSTEM im 19. Jahrhundert festgehalten hat. INHALT: Erinnerung in Wolgast Herbststurm Fischkutter Gefährliche Natur Dörfer Überbleibsel Stein und Eisen Humus Engagierte Bewährung Intakt Die Frau mit dem Fahrrad Nicht mitgekommen Seen Im Motorboot Herbstliche Veränderung Eisbrecher Schlittschuhlaufen Dorf in der Braunkohle Nach Grimma Das Göschenhaus Näheres über Sagorski Dreitagestadt An einem Haar Regen Ein Mensch Wohin denn? Justitia Die Friedensburg Seen versetzen Alarm Grotten Fröhliche Landschaft Die Geste des Geologen Planung in Schwarza Der Vater Arnstädter Treffen Ankunft in Böhmen Alles Freund! Um ein weniges Welche Freude, welche Kenntnis Kirchen Die Frauen von Loket Der Marktplatz Folgerichtigkeiten Nur einmal ... Die Angara Stadtbummel Verbannung Juli am Baikal Der Jäger Zedern Steine Rote Feder Steppenleben Ein lamaistisches Kloster Trankopfer Tanja

Uwe Berger wurde 1928 in Eschwege geboren. Seine Jugend verlebte er in Emden und Augsburg. Mit 15 Jahren war er Flakhelfer bei Berlin. Anfang 1945 meldete er sich, um nicht zur Waffen-SS gezogen zu werden, freiwillig zur Kriegsmarine. Im selben Jahr wurde er vorzeitig aus britischer Gefangenschaft entlassen. Während seines Studiums in Berlin (Germanistik, Kunstwissenschaft) arbeitete er im Volk und Wissen Verlag. Bald darauf wurde er in den Aufbau-Verlag geholt. Wegen eines positiven Gutachtens zu Hanns Eisler ('Johann Faustus") maßregelte ihn die SED. Ermutigt sah er sich von Friedrich Wolf und Jahre danach von dem Schriftsteller und späteren estnischen Staatspräsidenten Lennart Meri. Literarisch bedeutsame Reisen nach Nordrussland (Nowgorod) und Mittelasien, nach Sibirien und anderen Ländern unternahm er mit seiner Frau und Gefährtin. Er ist 2014 in Berlin verstorben. Bibliografie Lyrik und Prosa Die Einwilligung. Sechs Erzählungen Straße der Heimat. Gedichte Der Dom in dir. Gedichte Der Erde Herz. Gedichte Hütten am Strom. Gedichte 1946-1961 Rote Sonne. Skizzen und Aufzeichnungen Mittagsland. Gedichte. Aufbau-Verlag Gesichter. Gedichte. Aufbau-Verlag Die Chance der Lyrik. Aufsätze und Betrachtungen Bilder der Verwandlung. Gedichte Arbeitstage. Aus dem Tagebuch 1964-1972 Feuerstein. Gedichte. Auswahl und Nachwort von Armin Zeißler Lächeln im Flug. Gedichte Backsteintor und Spreewaldkahn. Märkische Landschaften Nebelmeer und Wermutsteppe. Begegnungen Zeitgericht (Gedichte 1946-1975) Leise Worte. Gedichte Der Schamanenstein. Menschen und Orte Lächeln im Flug. Ausgewählte Gedichte (1946-1978; russisch) Nur ein Augenblick. 99 Reiseskizzen Auszug aus der Stille. Gedichte Das Verhängnis oder Die Liebe des Paul Fleming (Roman) Die Neigung. Roman In deinen Augen dieses Widerscheinen. Gedichte Woher und wohin. Aufsätze und Reden 1972-1984 Das Gespräch der Delphine. Tierverse Weg in den Herbst Traum des Orpheus. Liebesgedichte 1949-1984 Last und Leichtigkeit. Oden Flammen oder Das Wort der Frau Suche nach mehr. Roman. 1989-1991 Atem. Liebesgedichte und Grafiken Räume. Verse und Bilder Pfade hinaus Wegworte. Gedichte und Zeichen Kater-Vater. Sinngedichte Den Granatapfel ehren, Hundert Gedichte 1946 - 1989 Du wirst sein. Gedichte und Zeichen Vom Sinn. Nachlese Ungesagtem lauschen. Aus dem Tagebuch der Jahre 2000 bis 2012 Suche nach mehr Das Gespräch der Delfine und anderer Tiere Ein Schiff fährt über Land. Ostfriesland und das Meer
Verbannung In einem kleinen, liebevoll ausgestatteten Museum in Ulan-Ude sehen wir neben Zeugnissen der burjatischen Geschichte eine jener eisernen Fußfesseln, die den vom Zarismus Verbannten auf dem Marsch angelegt wurden. Die Fessel besteht aus zwei durch Nieten zusammengehaltenen offenen Eisenreifen für die Fußgelenke, einer großgliederigen Kette, die die Reifen verbindet, und einem Schloss, das die Kette verschließt. Das Ganze wiegt etwa fünf Pfund. Die Kette wurde am Gürtel befestigt. Mit gefesselten Füßen mussten die, die es traf, ursprünglich vom europäischen Russland bis zu ihrem Ziel in Sibirien gehen. Noch Ende des 19. Jahrhunderts wurde in Sibirien von den Verbannten nur marschiert, und zwar das ganze Jahr hindurch, also auch bei 40 Grad Kälte. Die Strecke von Tomsk bis Irkutsk legte eine Sträflingsgruppe in etwa einem Vierteljahr zurück. Frauen und Kinder gehörten zu den Kolonnen. Allein Kranke und Gebrechliche fuhren in Telegas, offenen Bauernwagen. Manche Frauen folgten ihren Männern freiwillig in die Verbannung. Auch in Irkutsk finde ich die Erinnerung an die politischen Verbannten wachgehalten. Und nicht nur das. Ihr Wirken ist lebendig. Brachten sie doch als erste revolutionäres Gedankengut, Wissen und Bildung nach Sibirien. Ich unterhalte mich darüber mit Mark Sergejew, der ein Buch über verbannte Dekabristen und ihre Frauen unter dem Titel 'Dem Unglück eine treue Schwester' geschrieben hat. Von Mark stammt übrigens auch die Inschrift am Mal für die gefallenen Irkutsker des zweiten Weltkrieges: 'In Sibirien wurde nicht gekämpft, aber Sibirier liegen vor Moskau, bei Wolgograd, bei Kursk und bei Prag.' Pioniere, ein Mädchen und Junge von vielleicht zwölf Jahren, halten mit geschulterten Gewehren Wache vor der Ewigen Flamme. Der amerikanische Publizist George Kennan schreibt in seinem Buch 'Siberia and the Exile System' (1891) über eine Verbannte, die er in Irkutsk kennenlernte: 'Frau Tscherniawski war zu der Zeit, als ich ihre Bekanntschaft machte, eine zarte, blasse, hohlwangige Frau, die ihre Gesundheit durch jahrelange Haft, Verbannung und Kummer eingebüßt hatte. Sie hatte zwei Kinder zur Welt gebracht und sie beide im Exil verloren, unter Begleitumständen, die den Verlust fast unerträglich machten ... Seit sieben Jahren befand sich Frau Tscherniawski mit ihrem Mann in der Verbannung, und es schien dem Reisenden beim Abschied, 'als neige sich ihr von Unglück und Leid erfülltes Leben seinem Ende zu'. In Bratsk weist uns unsere einheimische Begleiterin auf ihre Abstammung von den Verbannten in dem alten Dorf hin, das hier einmal stand. Radistschew, der Verfasser der 'Reise von Petersburg nach Moskau', Dekabristen und polnische Revolutionäre lebten hier, erzählt sie. Ihr junges Gesicht ist schmal, ausdrucksvoll, mit dunklen Augen, reizvoll geschwungenen Lippen. Eine zierliche Gestalt. Sie spricht fließend Deutsch. Voll Charme unterrichtet sie uns über die Lebensbedingungen im Hohen Norden. Früher fiel hier das Thermometer im Winter bis auf 59 Grad, heute erreicht es minus 47 Grad. Der Grund für den Wandel ist der Stausee, auf dem aber noch im Juni Eis liegt. Frostfrei sind nur drei Monate. Bis vor einiger Zeit - bis zu ihrer erfolgreichen Bekämpfung - erschienen jeden Sommer Heere von Schnaken. 'Wir nannten sie nicht anders als'die Faschisten', weil sie auf den Tag genau am 22. Juni kamen. Schweigend blickt uns die junge Frau ins Gesicht. Ihre Mütter konnten das Leben an sie weitergeben. Lebendig steht sie in der warmen Julisonne bei uns, vor ihrer großen sowjetischen Stadt, auf die sie so stolz ist.