: Andreas Heusler
: Lion Feuchtwanger Münchner - Emigrant - Weltbürger
: Residenz Verlag
: 9783701744602
: 1
: CHF 13.50
:
: Biographien, Autobiographien
: German
: 364
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Erfolgreicher Schriftsteller und einflussreicher Intellektueller Lion Feuchtwanger, der weltberühmte Autor von 'Jud Süß' und 'Erfolg', war ein wirkungsstarker Akteur seiner Zeit: stilprägend in Theater und Literatur, politisch bewusst angesichts verstörender Zeitläufte, konsequent menschlich trotz existenzieller Bedrohung. Der 1884 in München geborene jüdische Intellektuelle warnte als einer der Ersten vor der nationalsozialistischen Gefahr. Im Exil in Frankreich und den USA war er eine stets hilfreiche Anlaufstelle. Freundschaften verbanden ihn mit vielen anderen Vertriebenen wie Arnold Zweig, Bertolt Brecht und Heinrich Mann. Wie viel uns seine Lebensgeschichte auch heute zu erzählen hat, zeigt diese Biografie.

Andreas Heusler geboren 1960 in Calw, hat Geschichte und Politikwissenschaft in München und Tübingen studiert. Seit 1994 leitet er die Sachgebiete Zeitgeschichte und Jüdische Geschichte am Stadtarchiv München. Zuletzt erschienen: 'Das Braune Haus. Wie München zur 'Hauptstadt der Bewegung' wurde' (2008).

Was bleibt? (an Stelle einer Einleitung)


»Wie leicht ist es, die Menschen glücklich zu machen. Eine Biographie. Was ist eine Biographie? Als ob etwas anderes zählte als das schöpferische Werk. Aber da kramt einer herum in den Abfällen, in der sogenannten Wirklichkeit, im Abgelebten, und ist glücklich.«1

Lion Feuchtwanger hat sich stets einem autobiographischen Diskurs verweigert. Als Schriftsteller wollte er nicht in eigener Sache tätig werden, wollteüber sich selbst vor allem durch sein Werk Auskunft geben. Aus gutem Grund, wie er fand:»Eine Selbstbiographie schreiben, ist ein heikles Unternehmen. Das Wort›ich‹ ist gefährlich für den Schriftsteller. Läßt er sich nur ein wenig gehen, dann bekommen seine Sätze sogleich einen wichtigtuerischen Klang; versucht er, kühl zu bleiben, dann wirkt eine solche Kühle rasch wie falsche Bescheidenheit, und die Ich-Erzählung wird doppelt unerträglich.«2 Dieser Maxime der autobiographischen Diskretion ist Lion Feuchtwanger zeitlebens treu geblieben. Es gibt nur wenige Texte aus seiner Feder, die das eigene Werden und Leben reflektieren. Meist sind es kurze, summarischeÜbersichten, mehr Notizen und Fragmente, die als unfertige Bausteine und Module für eine Biographie dienen können, bisweilen aber auch den Blick auf die Person Feuchtwanger mehr verstellen als erhellen. Selbst die Tagebücher, als Fragmente für die Jahre 1906 bis 1940überliefert, sind weder für literaturwissenschaftliche noch für biographische»Ermittler« geschrieben. Es sind intime, oft im Telegrammstil abgefasste Zeugnisse, die eher den Charakter chronologischer Ereignisprotokolle haben und kaum einmal den Leser mit klugen, diskursiven Reflexionenüber Literatur, Kunst, Philosophie und Politik erfreuen. Sie sind erkennbar nicht mit Blick auf eine spätere, womöglich posthume Veröffentlichung geschrieben. Es sind Zeugnisse der Selbstvergewisserung, persönliche, bisweilen explizit intime Notizen, die in der geschützten Sphäre des Privaten bleiben sollen– andernfalls hätte Lion Feuchtwanger diese nicht in der den meisten Lesern unzugänglichen Kurzschrift verfasst. Da also Feuchtwanger mit Informationen und Datenüber seine Person und sein Leben sehr sparsam war, müssen andere die Aufgabe des lebensgeschichtlichen Erzählersübernehmen. Germanisten und Historikern fällt die Aufgabe zu, Zeugnis abzulegen von einem Leben, dessen Verlauf wie wenige andere die Höhen und Untiefen, die Möglichkeiten und Unmöglichkeiten des»langen 20. Jahrhunderts« (Charles S. Maier) widerspiegelt.

Dieses Buch ist mehr als eine Biographie. Denn es verschränkt Lebensgeschichte mit sozialen, kulturellen, politischen Gegebenheiten. Fragt nach Bezugssystemen, Netzwerken, Abhängigkeiten, Bedingungen. Stellt den Protagonisten in einen Kontext, der– im Rang gleichwertig– die lebensgeschichtliche Erzählung einrahmt und stützt. Und doch ist dieses Buch auch viel weniger als eine Biographie. Denn: Die Geschichte eines kompletten Lebens zwischen zwei Buchdeckeln einzufangen, den Werdegang eines Menschen»von der Wiege bis zur Bahre« in all seinen unberechenbaren Windungen und letztlich doch folgerichtigen Entwicklungen zu erzählen, ist ein