: Agatha Christie
: Mord im Pfarrhaus Ein Fall für Miss Marple
: Atlantik Verlag
: 9783455170221
: 1
: CHF 8.10
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: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 288
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Vor wenigen Stunden hat Pfarrer Clement noch gesagt, der Menschheit würde ein großer Dienst erwiesen, wenn jemand Kirchenvorsteher Colonel Protheroe ins Jenseits befördere - nun ist Protheroe tatsächlich tot und Pfarrer Clement in einer unangenehmen Situation. Zum Glück führt das seitliche Tor der Pfarrei direkt in den Garten von Miss Marple, die die Ermittlungen aufnimmt.

Agatha Christie begründete den modernen britischen Kriminalroman und avancierte im Laufe ihres Lebens zur bekanntesten Krimiautorin aller Zeiten. Ihre beliebten Helden Hercule Poirot und Miss Marple sind - auch durch die Verfilmungen - einem Millionenpublikum bekannt. 1971 wurde sie in den Adelsstand erhoben. Agatha Christie starb 1976 im Alter von 85 Jahren.

Erstes Kapitel


Es ist schwer zu sagen, wo man mit dieser Geschichte beginnen soll, aber ich habe mich für einen gewissen Mittwoch beim Lunch im Pfarrhaus entschieden. Obwohl das Gespräch im großen Ganzen für die bewusste Angelegenheit belanglos war, fielen doch ein oder zwei Andeutungen, die den Fortgang der Ereignisse beeinflussten.

Ich hatte gerade das gekochte Rindfleisch zerlegt (es warübrigens bemerkenswert zäh) und setzte mich wieder, da erklärte ich in einer meinem Stand ganz unangemessenen Regung, dass jeder, der Colonel Protheroe um die Ecke bringen würde, der Welt einen großen Dienst erweise.

Mein junger Neffe Dennis sagte sofort:»Das wird gegen dich sprechen, falls der alte Knabe in seinem Blut gefunden wird. Mary wird es bezeugen, nicht wahr, Mary? Und beschreiben, wie rachsüchtig du das Fleischmesser geschwungen hast.«

Mary, die ihren Dienst im Pfarrhaus als Sprungbrett zu besseren Dingen und höherem Gehalt betrachtet, sagte nur laut und sachlich:»Gemüse«, und knallte aufsässig eine angeschlagene Schüssel auf den Tisch.

Meine Frau fragte mitfühlend:»War er sehr anstrengend?«

Ich antwortete nicht gleich, weil Mary mir eine Platte mit ausnehmend feuchten und unappetitlichen Klößen unter die Nase schob. Ich sagte:»Nein, danke«, sie schmiss die Platte geräuschvoll auf den Tisch und ging hinaus.

»Zu schade, dass ich eine so grässliche Hausfrau bin«, sagte meine Frau mit echtem Bedauern.

Ich neigte dazu, ihr recht zu geben. Meine Frau heißt Griselda – ein höchst geeigneter Name für eine Pfarrersfrau. Aber da hört die Eignung auch schon auf. Sie ist kein bisschen sanft.

Ich war immer der Meinung, ein Geistlicher sollte unverheiratet bleiben. Warum ich Griselda nach vierundzwanzigstündiger Bekanntschaft bedrängte, mich zu heiraten, ist mir ein Rätsel. Die Ehe, behaupte ich stets, ist eine ernste Angelegenheit, die erst nach reiflicherÜberlegung und mit Vorbedacht in Angriff genommen werden sollte, und dieÜbereinstimmung von Geschmack und Neigung spielt dabei die bedeutendste Rolle.

Griselda ist fast zwanzig Jahre jünger als ich. Sie ist verwirrend hübsch und ganz unfähig, irgendetwas ernst zu nehmen. Sie ist in jeder Hinsicht untüchtig und eineäußerst anstrengende Lebensgefährtin. Sie betrachtet die Pfarrei als eine Art riesigen Spaß, der zu ihrer Belustigung arrangiert wurde. Ich habe mich bemüht, ihren Geist zu formen, und bin gescheitert. Mehr denn je bin ich davonüberzeugt, dass der Zölibat für den Klerus wünschenswert ist. Häufig habe ich das Griselda gegenüber angedeutet, aber sie hat nur gelacht.

»Meine Liebe«, sagte ich jetzt,»wenn du dir ein wenig Mühe geben würdest …«

»Manchmal mache ich das«, sagte Griselda.»Aber alles in allem glaube ich, dass noch mehr schiefgeht, wenn ich es versuche. Ich bin offenbar von Natur aus keine Hausfrau. Ich finde es besser, Mary alles zuüberlassen und mich damit abzufinden, ungenügend zu sein und scheußliche Sachen essen zu müssen.«

»Und was ist mit deinem Ehemann, meine Liebe?«, fragte ich tadelnd und folgte dem Beispiel des Teufels, indem ich die Schrift in meinem Sinne zitierte:»›Sie schaut, wie es in ihrem Hause zugeht …‹«

Griselda unterbrach mich schnell.»Denk nur, wie gut du dran bist! Du wirst weder von Löwen in Stücke gerissen noch am Marterpfahl verbrannt. Schlechtes Essen und viel Staub und tote Wespen sind wirklich kein Grund zur Aufregung. Erzähl mir mehrüber Colonel Protheroe. Jedenfalls konnten die frühen Christen von Glück reden, dass sie keine Kirchenvorsteher hatten.«

»Aufgeblasenes altes Ekel«, sagte Dennis.»Kein Wunder, dass ihm seine Frau davongelaufen ist.«

»Ich weiß nicht, was sie sonst hätte tun sollen«, bemerkte meine Frau.

»Griselda! Ich dulde nicht, dass du so sprichst.«

»Liebling«, sagte meine Frau zärtlich.»Erzähl mir von ihm. Was war los? Ging es darum, dass Mr Hawes ständig knickst und nickt und sich bekreuzigt?«

Hawes ist seit gut drei Wochen unser neuer Vikar. Er ist Anhänger der High Church und fastet freitags. Colonel Protheroe hasst Rituale in jeder Form.

»Diesmal nicht. Er hat das Thema nur gestreift. Nein, der ganzeÄrger dreht sich um Mrs Price Ridleys unglückselige Pfundnote.«

Mrs Price Ridley ist ein frommes Mitglied meiner Gemeinde. Beim Frühgottesdienst am Jahrestag des Todes ihres Sohns hatte sie eine Pfundnote in den Klingelbeutel gesteckt. Als sie später las, was die Kollekte eingebracht hatte, bemerkte sie zu ihrem Schmerz, dass ein Zehn-Shilling-Schein als höchster Einzelbeitrag genannt wurde.

Sie beschwerte sich deshalb bei mir, und ich wies sie mit allem Respekt darauf hin, dass sie sich geirrt haben musste.

»Wir sind alle nicht mehr so jung, wie wir einmal waren«, taktvoll hatte ich versucht abzulenken,»und wir müssen den Jahren Tribut zollen.«

Merkwürdigerweise schienen meine Worte sie noch mehr zu erbosen. Sie sagte, die Sache sehe höchst merkwürdig aus und sie seiüberrascht, dass ich ihre Meinung nicht teile. Dann stürmte sie davon und trug offenbar ihre Sorgen Colonel Protheroe vor. Protheroe gehört zu den Menschen, die mit Vergnügen aus jedem nur denkbaren Anlass Wirbel machen. Und er machte Wirbel. Zu schade, dass er sich dazu einen Mittwoch aussuchte. Mittwochs morgens unterrichte ich am theologischen Seminar, was mich immer Nerven kostet und den ganzen Tag aus dem Gleichgewicht bringt.

»Nun, ein bisschen Spaß muss er wohl haben.« Meine Frau gab sich den Anschein einer Unparteiischen.»Schließlich schwi