: Philipp Vandenberg
: Die Frühstücksfrau des Kaisers Vom Schicksal der Geliebten
: Verlagsgruppe Lübbe GmbH& Co. KG
: 9783838757735
: 1
: CHF 4.10
:
: Biographien, Autobiographien
: German
: 415
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Es ist die aufregendste und zugleich die undankbarste Rolle, die eine Frau spielen kann: Die Rolle der Geliebten.Warum das so ist und schon immer so war, erzählt Philipp Vandenberg in seiner lehrreichen, vergnüglichen und kuriosen Zusammenschau über das Schicksal der Geliebten in der Geschichte. Vom Kampf der Rivalinnen Charlotte von Stein und Christiane Vulpius um Johann Wolfgang von Goethe, über die lasterhaften Frauen Napoleons III., bis hin zu Katharina Schratt, die Frühstücksfrau des Kaisers Franz Josef I. - begleiten Sie Philipp Vandenberg auf eine Reise in die Welt, in der Macht das mächtigste Aphrodisiakum ist.

I
Die tödliche Liebe der Mary Vetsera


»Ein letzter Abschiedsgruß in Gedenken allen schönen Frauen Wiens, die ich so sehr geliebt…«

Aus dem Testament Erzherzog Rudolfs,
Kronprinz vonÖsterreich-Ungarn

Ein Fall für Sigmund Freud: Mann (30) erschießt nach dem Geschlechtsverkehr siebzehnjährige Geliebte, anschließend sich selbst. Selten finden Freuds Theorien der Psychoanalyse so eindeutige Bestätigung: Nach Freud ist die Libido der Hauptantrieb menschlichen Verhaltens, und eine gestörte Libido provoziert einen Todes- und Destruktionstrieb. Ja, sogar seine Theorie, dass zwischen dem ersten und fünften Lebensjahr das Schicksal des Einzelnen besiegelt wird, scheint hier Bestätigung zu finden.

Arzt und Patient wären– so sie sich jemals getroffen hätten– etwa gleich alt gewesen, und zeitweilig lebten sie nur wenige Gehminuten voneinander, aber zu einer Begegnung ist es nie gekommen. Denn als Freud seine revolutionären Erkenntnisse veröffentlichte, war der andere schon lange tot, erschossen, seinem Destruktionstrieb folgend.

Erzherzog Rudolf, Kronprinz vonÖsterreich-Ungarn, war von Geburt ausersehen, Kaiser zu werden, und vermutlich wäre die Weltgeschichte anders verlaufen, hätte er nicht 1889 sein Leben im Bett mit einer Siebzehnjährigen und einer Pistole beendet. Das Mädchen wie die Pistole sind in diesem Zusammenhang– auch das bestätigt Freud– nur Symbole. Das Mädchen kannte er wohl, er hatte mit ihm aber nur einmal geschlafen. Eigentlich hasste er Frauen (sein Verschleiß an Zweitfrauen ist ein Beweis dafür). Die Pistole erschien ihm als die schnellste und sauberste Sterbehilfe. Doch Rudolf wäre auch ohne den tödlichen Schuss vom 29. Januar 1889 vorzeitig aus dem Leben geschieden, dahingesiecht an Syphilis, am Suff und Morphium, ohnehin halbirre. Frauen, von denen er mehr verbrauchte als sein unsterblich scheinender Vater Kaiser Franz Joseph, waren nicht die Ursache für diese Entwicklung, aber sie waren ihm eine Hilfe bei seinem Selbstvernichtungstrieb. In der Tat ein Fall für die Psychoanalyse.

Rollen wir den Fall, der unter dem Codewort»Mayerling« in die Geschichte eingegangen ist, von hinten auf:

Kaiser Franz Joseph zitierte seinen Sohn und Thronfolger Rudolf am Sonntag, dem 27. Januar 1889, in die Hofburg. Grund der– wie später zu hören war– heftigen Unterredung: Seine Apostolische Majestät hatte auf Umwegen erfahren, dass sein eigener Sohn, der künftige Kaiser vonÖsterreich-Ungarn, beim Papst um die Annullierung seiner Ehe angesucht habe. Rudolf hatte, um der Staatsräson zu genügen, im Mai 1881 die Tochter des wegen seiner Grausamkeit als Kolonialherr berüchtigten Belgierkönigs Leopold II., Stephanie, geheiratet, mit dieser aber, trotz anfänglicher Zuneigung, kein Glück gefunden, dafür aber ständige Schwierigkeiten wegen seiner zahllosen Liebschaften. Die Unterredung zwischen Vater (Kaiser) und Sohn (Feldmarschallleutnant, Generalinspekteur der Infanterie und Vizeadmiral) endete mit einem lautstarken Krach, in dessen Verlauf Franz Joseph seinen Sohn Rudolf anschrie, er werde alles in seiner Macht Stehende tun, um diese Scheidung zu verhindern, während Rudolf resigniert erwiderte, nun wisse er, was er zu tun habe.

Am Vormittag gegen zehn Uhr desselben Tages betrat Kronprinz Rudolf das Grand Hotel an der Wiener Ringstraße, um sich mit Marie Gräfin Larisch-Wallersee zu treffen.»Die Larisch«, wie sie allgemein genannt wurde, bewohnte samt Zofe Jenny und Hund in dem feinen Hotel die Zimmer 21, 23 und 28, um sich, wie sie hatte wissen lassen, in Wien einer Zahnbehandlung zu unterziehen. Das mag gestimmt haben oder nicht– den Zahnärzten im heimischen Pardubitz ging nicht der beste Ruf voraus, aber Marie war jedes Mittel recht, um der langweiligen Ehe mit dem Grafen Georg Larisch-Mönnich zu entkommen.

Alle wussten, dass Marie ein wilder Trieb am Stammbaum der Wittelsbacher war (weniger poetisch: Herzog Ludwig in Bayern hatte ein Techtelmechtel mit der Schauspielerin Henriette Mendel gehabt), aber als sie Georg heiratete, war sie längst geadelt und damit von der Unperson zu einer Persönlichkeit desöffentlichen Lebens geworden, die genug Gesprächsstoff hergab. Mehr als es ihrem Stand zukam, pflegte sie das gesellschaftliche Leben, und obwohl ihre Ehe alle Züge einer Tragödie trug, spielte sie mit ihrem Ehemann nach außen hin die immerwährende Komödie.Über Rudolfs Mutter Elisabeth, die aus Bayern stammte, waren der unglückliche Kronprinz und die erlebnishungrige Gräfin Cousin und Cousine, ein Umstand, den die Larisch vor allem nutzte, um denösterreichischen Vetter um Geld anzupumpen.

Nun konnte die Cousine sich revanchieren. Nicht, dass er mit ihr ein Verhältnis anfangen wollte, Marie