Für den 22-jährigen Nando Parrado sollte es eigentlich nur ein schöner Familienausflug werden.
Er spielte in einer uruguayischen Rugby-Mannschaft, die einen Flug nach Santiago in Chile gechartert hatte, um dort ein Freundschaftsspiel auszutragen. Er hatte seine Mutter Eugenia und seine Schwester Susy gefragt, ob sie nicht Lust hätten, ihn auf dieser Reise zu begleiten– eine Reise, bei der sie an Bord einer zweimotorigen Turboprop-Maschineüber die Anden fliegen würden.
Flug 571 startete am Freitag, dem 13. Oktober 1972, und einige der Jungs machten noch Witze darüber, dass dies wohl nicht gerade der beste Tag wäre, um sich auf einen Flugüber eine Gebirgskette zu begeben, auf dem Piloten mit schwierigen und gefährlichen Wetterbedingungen rechnen mussten. Denn warme Luft steigt vom Fuß der Berge auf und trifft an der Schneefallgrenze auf kalte Luftmassen. Die dadurch entstehenden Fallwinde stellen für Flugzeuge eine sehr ernste Gefahr dar.
Doch die Jungs dachten sich nichts weiter dabei. Sie rissen eben ihre Witze, denn der Wetterbericht war gut.
Allerdings kann das Wetter in den Bergen für gewöhnlich sehr schnell umschlagen. Insbesondere in dieser Gebirgsregion. Das Flugzeug war bereits einige Stunden in der Luft, als der Pilot sich gezwungen sah, aufgrund schlechter Wetterverhältnisse in der Stadt Mendoza, am Fuß der Anden, einen Zwischenstopp einzulegen und zuübernachten.
Am nächsten Morgen hatten die beiden Piloten erhebliche Zweifel, ob sie den Flugüberhaupt fortsetzen sollten. Doch da die Passagiere ihr Rugby-Spiel nicht verpassen wollten, drängten sie die Piloten schließlich dazu, weiterzufliegen.
Eine unkluge Entscheidung, wie sich bald herausstellen sollte.
Denn als die Turboprop-Maschine den Planchon-Passüberflog, wurde sie von starken Turbulenzen erfasst. Von vier heftigen Fallböen. Ein paar der Jungs grölten vor Begeisterung, als wären sie auf der Achterbahn. Aber Nandos Mutter und seiner Schwester stand die Angst ins Gesicht geschrieben und sie hielten sich an den Händen. Nandoöffnete den Mund, um sie zu beruhigen und ihnen Mut zusprechen.
Doch dann blieben ihm die Worte im Hals stecken, weil die Maschine plötzlich mehr als 100 Meter absackte.
Jetzt grölte keiner mehr.
Die Maschine wurde brutal hin und her gerüttelt. Einige der Passagiere fingen an zu schreien. Nandos Sitznachbar– er hatte einen Fensterplatz– zeigte nach draußen. Kaum mehr als zehn Meter von der Flügelspitze entfernt konnte Nando die Bergflanke erkennen– eine gewaltige Wand aus Fels und Schnee.
Als sein Nachbar ihn fragte, ob das Flugzeug denn nicht viel zu dicht an den Bergen wäre, zitterte seine Stimme vor Angst.
Nando antwortete nicht. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, auf das schreckliche Kreischen der Motoren zu hören, während die Piloten verzweifelt versuchten, wieder an Höhe zu gewinnen. Das ganze Flugzeug wurde so heftig durchgeschüttelt, dass man das Gefühl hatte, es würde jeden Augenblick auseinanderbrechen.
Nando blickte in die angsterfüllten Augen seiner Mutter und Schwester.
Und dann passierte es.
Es gab einen fürchterlichen Aufprall, gefolgt von einem unerträglich schrillen Knirschen– so ein hartes, mahlendes Geräusch, wenn Metallüber Stein schrammt. Die Maschine war in die Bergflanke gekracht und wurde in Stücke gerissen.