: Giovanni Boccaccio
: Das Dekameron
: Edition Erdmann in der marixverlag GmbH
: 9783843804066
: 1
: CHF 9.80
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: Geschenkbücher
: German
: 864
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Obwohl Boccaccio den Inhalt vieler seiner Erzählungen aus dem Fundus der Weltliteratur, aus Fabeln, Parabeln und der oralen Tradition schöpfte, gelang ihm mit dem Dekamerone ein absoluter Klassiker und neben seinem großen Vorbild der Geschichten aus Tausend und Einer Nacht die wohl bekannteste Novellenanthologie überhaupt. Die Rahmenerzählung ist schnell wiedergegeben: Die Pest wütet in Florenz. Drei junge Männer und sieben junge Frauen fliehen auf einen idyllischen Landsitz. Um sich dort die Zeit zu vertreiben, erzählen sie sich Geschichten. Die hundert kleinen Erzählungen voller Witz, Liebe, Erotik und Phantasie sind heute genauso lesenswert wie vor fast 700 Jahren.

Giovanni Boccaccio (1313-1375) lebt in Florenz und Neapel. Das Dekameron gilt als ein Hauptwerk und als Inspirationsquelle für viele Schriftsteller und Dichter.

ES BEGINNT DER ERSTE TAG DES DEKAMERON


Nachdem der Verfasser gezeigt hat, aus welchem Grunde die Personen, die später auftreten, sich zur Unterhaltung vereinigten, wird unter Pampineas Vorsitz von dem gesprochen, was jedem beliebt.

Sooft ich in meinem Herzen bedenke, holde Leserinnen, wie sehr Sie alle von Natur zum Mitleid geneigt sind, so oftüberzeuge ich mich, dass Sie den Anfang dieses Buches schwer und trübselig finden müssen, denn es trägt die schmerzliche Erinnerung an jene mörderische Pest an der Stirn, die kürzlich einen jeden in Trauer gestürzt hat, der ihre Verheerung selbst gesehen oder von ihren jammernswerten Wirkungen gehört hat.

Allein ich sähe doch nicht gern, ließen Sie sich dadurch abschrecken, weiterzulesen, als hätten Sie etwa nichts anderes als Tränen und Seufzer in dem Buch zu erwarten. Dieser schreckliche Eingang sei Ihnen vielmehr nur das, was dem Wanderer ein rauer, schroffer Berg ist, hinter dem eine angenehme, reizende Ebene liegt, die ihm desto mehr Vergnügen gewährt, je mehr ihn das beschwerliche Auf- und Niederklettern ermüdet hat. Und wie dasÜbermaß der Freude oft in Traurigkeit endet, so folgen hingegen neue Freuden aufüberstandenes Leid.

Auf eine kurze Trauer (ich nenne sie kurz, weil sie nur wenige Zeilen in Anspruch nimmt) folgt denn auch hier unmittelbar die süße Lust, die ich Ihnen oben versprochen habe und die man vielleicht nach einem solchen Anfang nicht erwarten möchte, wenn es nicht vorausgesagt würde. In der Tat, wenn ich Sie auf eine schickliche Art durch einen andern Weg als auf diesem beschwerlichen Pfade dahin hätte führen können, wohin ich wollte, so hätt‘ ich es gerne getan. Weil ich aber ohne diese Erinnerung nicht zeigen könnte, warum das, was man hernach lesen wird, geschah, so füge ich mich, gewissermaßen durch die Not gedrungen, zu dieser Beschreibung.

Ich sage also, dass nach der gnadenreichen Menschwerdung des Sohnes Gottes schon eintausenddreihundertundachtundvierzig Jahre vergangen waren, als in der prächtigen Stadt Florenz, die alleübrigen Städte in Italien an Schönheitübertrifft, die mörderische Pest ausbrach, die entweder durch die Einwirkung der höheren Weltkörper verursacht oder aus gerechtem Zorn Gottesüber unsere Bosheit, als eine Züchtigungüber uns Sterbliche, verhängt ward und die schon einige Jahre früher in den Morgenlanden begonnen, eine zahllose Menge der Lebendigen hingerafft und dann, unaufhaltsam von Ort zu Ort gegen Abend fortschreitend, auf eine schreckliche Weise um sich gegriffen hatte.

Hier half nun weder menschliche Kunst noch Vorsicht, ob man gleich eigens Beamte bestellte, die alle Unsauberkeit aus der Stadt wegschaffen mussten, einem jeden Kranken den Eingang in die Tore verwehrte, auf allerhand Mittel bedacht war, um die Gesundheit zu verwahren, und nicht nur einmal, sondern mehrmals demütige Gebete zu Gott aufschickte, sowohl durch Veranst