Die Augen der Beamten waren voller Trauer. Unruhig saßen sie am langen, nackten Tisch im Sitzungssaal unter der Landkarte Bulgariens, koloriert in kalten Rosa- und Gelbtönen. Böse Zungen behaupteten, dass die Karte hier nicht etwa hing, um bei den Bediensteten patriotische Spasmen hervorzurufen, sondern vielmehr, um sie daran zu erinnern, woher sie gekommen waren und wohin sie wieder zurückkehren würden, so sie nicht vorsichtig genug waren. In der Praxis war diese Aussicht das Einzige, was sie wirklich erschrecken konnte. Das Gespenst der Rückkehr! Es geisterte unerbittlich um sie herum, grinste aus jeder Ecke mit hässlichen Grimassen und vergiftete ihr Leben vom ersten bis zum letzten Tag ihres Mandats mit der Erinnerung an die wohlriechende heimische Schwarzerde. Die Rückkehr war ein Tabuthema, eingehüllt von beklommenem Schweigen. Jemanden zu fragen, wann er zurückkehren wollte (ein durchsichtiger Euphemismus), war ein Zeichen von Geschmacklosigkeit, von Grobheit, ja Feindseligkeit. Niemand sprach von Rückkehr, niemand wagte es, das Wort laut auszusprechen, aus Angst, die bösen Kräfte zu wecken, die irgendwo im Außenministerium schlummerten. Und obwohl alle, bis hin zum letzten Telefonisten, sich darüber im Klaren waren, dass es ein unabänderliches Schicksal war, unabänderlich wie der Winter, wie der Tod, hegten sie doch tief in ihrem Herzen die Hoffnung, dass es an ihnen vorübergehen würde, dass sie im allgemeinen Durcheinander irgendwieübersehen oder vergessen werden würden und dass die hässliche, traurige Nachricht sie nicht erreicht. Aber sie kam unwiderruflich, begleitet von der unheilvollen Formulierung»endgültige Rückkehr«– der Tat eines rachsüchtigen Bürokraten in einer weit entfernten Vergangenheit, dieüber Jahrzehnte unverändert blieb. Und es begann die Ebbe, der große Rückfluss; die verdammten Seelen machten sich auf den Weg auf die andere Seite, der Wegübersät von den Tränen ihrer Vorgänger, zurück durch das Terminal 2 in Heathrow, durch Gate 7 oder 9, zum finsteren Kahn der Balkan-Airlines, bis die Tür hinter ihrem Rücken endgültig zufiel.
Es war bald zehn vorbei. Der Platz des Vorsitzenden war immer noch leer. In kluger Distanz einige Stühle weiter saßen die Diplomaten mit geöffneten Notizbüchern und gezückten Kugelschreibern. Die technische Belegschaft hatte sich am unteren Ende des Tisches zusammengerottet– der Chauffeur, die Buchhalterin, der Funker, der Koch und der Hausmeister. Wenige Dinge verbanden diese Menschen so sehr wie die Feindseligkeit, die sich in Jahren des erzwungenen Zusammenlebens unter den Umständen von finanzieller und kultureller Resignation aufgestaut hatte. Trotz alledem konnte man sagen, dass sie es seit einiger Zeit vergleichsweise erträglich hatten und sogar sorglos lebten. Jeder hatte seine kleinen Freuden, und gemeinsam hatten sie eine große: Sie hatten keinen Vorgesetzten. Seit Monaten zögerte Sofia, jemanden für diesen wichtigen und reizvollen Posten zu ernennen. Die Interessen verschiedener Lobbys kollidierten miteinander und verhinderten eine schnelle Entscheidung. Es entwickelte sich eine Schlammschlacht, sodass der Weg zum windgeschützten Eiland begonnen hatte, einer aufgeweichten Dschungelpiste zu gleichen. In diesem weitgehenden Machtvakuum organisierte sich das Leben in der Botschaft wie von selbst auf der Grundlage der Vernunft und des Fortschritts, weit entfernt vom Chaos der administrativen Verordnungen. Die Reibereien zwischen den Bediensteten waren abgeklungen, es entstand ein diffuser Geist von Wohlwollen und Solidarität, der sich auf die Tätigkeit des Kollektivs günstig auswirkte. Nicht, dass die Denunziationen ganz aufgehört hätten, aber es gab niemanden, der darauf reagierte. Es gab niemanden, der Plus- oder Minuspunkte verteilte– Sofia war weit weg. Und nun hatte dieser ruhigen und natürlichen Koexistenz die letzte Stunde geschlagen. Der Vorgesetzte war angekommen. Er war unerwartet angekommen, ohne Vorwarnung– ein deutliches Zeichen seiner feindseligen Absichten. Das Leben der Beamten geriet durcheinander.
Die Sekretärin Tanja Vandova erschien plötzlich mit einem dicken Ti