WIE MAN SICH BETTET
Als ich letztes Jahr in London war, landete ich aus Gründen, die nicht allein mit mir zu tun haben, auf der Straße… Ich hatte keine große Wahl, also beschloss ich, unter einer der Themsebrücken zuübernachten. Es war ungewöhnlich warm für die Jahreszeit, und in meinem Rucksack hatte ich einen ganzen Liter Wodka, den ich in weiser Voraussicht im Duty-free-Shop am Flughafen in Bulgarien gekauft hatte.
Ich hatte außerdem zur Vorsicht einen dicken Wintermantel mitgenommen, der mir jetzt, wie ich dankbar feststellte, als Decke dienen konnte. Es gab keinen Grund, Trübsal zu blasen.
Um die Wahrheit zu sagen, ich halte mich nicht oft bei Einbruch der Dunkelheit an solchen Orten auf, deshalb war ich auf der Hut. Das kulturelle Umfeld, in dem ich gelandet war, hat seine Besonderheiten.Überall lagen Bierdosen herum, die Wände und Metallträger waren mit Graffitiübersät. Es roch ein wenig nach Fäkalien. Bald entdeckte ich, dass ich nicht alleine war… Der Mann hatte sein Biwak in einer der Nischen zwischen den Metallrippen aufgeschlagen. Er trug einen dichten, gescheckten Bart und war mächtig von Gestalt. Er war nicht alt, aber die Furchen auf seiner Stirn zeugten von einer ständigen gedanklichen Anstrengung, die ihn schneller hatte altern lassen. Er saß auf einer durchgescheuerten Matratze, das eine Bein untergeschlagen, die Schultern entspannt, und ließ seinen Blicküber den Fluss streifen.
– Hier wird nicht gepinkelt, hörte ich ihn mit deutlich schottischem Akzent sagen.
– Ich habe auch nicht die Absicht, hier zu pinkeln, entgegnete ich leicht gekränkt mit deutlich slawischem Akzent.
Ich machte es mir in der Nische nebenan bequem. Ich streckte mich auf meinem Wintermantel aus und holte den Wodka hervor. Ich hatte einen Plastikbecher aus dem Flugzeug mitgenommen, sodass ich mich gepflegt bedienen konnte. Und so trank ich Wodka Gorbatschow– weich und glatt im Geschmack, die Wellen plätscherten gegen die Brückenpfeiler, und weit entferntüber meinem Kopf zischten die Reifen der Autosüber den regennassen Asphalt. Sowie ich eingeschlummert war, empfing ich einen undeutlichen Reiz an den Rändern meiner Wahrnehmung. Ich ignorierte ihn, aber er drängte sich erneut in mein Bewusstsein… Es vergingen einige Sekunden, bis ich begriff, dass der Typ die Flasche mit sengenden, gierigen Blicken anstarrte. Solche Begehrlichkeiten sind gefährlich und ich bin nicht knauserig, also sagte ich zu ihm:
– Gib mir deinen Becher, Alter!
Ich hatteüberhaupt keine Lust, dass er mir den Flaschenhals einspeichelte– wer weiß, was alles in seinem Mund gedieh. Ich konnte nicht einmal blinzeln, schon hielt mir der Drecksack ein Colaglas unter die Nase, large size. Ich goss ihm ein paar Finger hoch ein, damit er Ruhe gab, aber er ließ sich neben mir nieder. Jetzt will er auch noch Gesellschaft, dachte ich mit wachsender Feindseligkeit, als mir sein Geruch in die Nase stach…
Ich erwartete, dass er zu schwatzen anfangen, mich mit der faden Prosa seines Lebens unterhalten würde, aber er schaute mich nicht weiter an. Er saß schweigsam da und trank aus seinem riesigen Glas. Mir ging ebenfalls mehr als genug im Kopf herum und ich brannte nicht darauf, meine Zunge zu wetzen. So verging beinahe eine Stunde. Der Verkehr auf der Brücke ließ allmählich nach, zwei Drittel vom Wodka waren dahin, und ich gewöhnte mich langsam an den Gestank meines Nachbarn. Ich fand sogar etwas Tröstliches in seiner Nähe… Ich machte Anstalten, ihm nachzuschenken, aber er zog sein Glas weg. Entschlossen erhob er sich und trat an den Rand der Plattform. Einige Sekunden stand er da und starrte ins schwarze Wasser hinunter. Dann sprang er.
Er sprang, verflucht!
Ein dumpfes Platsch, und das war’s. Ich hatte Glück, dass ich betrunken war und so langsam reagierte, denn