VIELLEICHT SIND'S JA DOCH
NUR DIE HORMONE (1)
ODER: WARUM ALLES BEGANN
Mein Name ist Charlotte Niesguth, ich bin unter vierzig und sehe dem Ende entgegen. Nicht meinem persönlichen Ende, sondern dem Ende der Dreißigerjahre.Meiner Dreißigerjahre, nix von wegen Hitler oder so. Und nein, keine Angst, ich bin auch nicht in der Midlife-Crisis, die ich durch Makramee-Kurse an der Volkshochschule und peinliche Auftritte mit selbst verfasster melancholischer Lyrik zuüberwinden versuche. Noch nicht jedenfalls.
Bis vor Kurzem habe ich auch nicht im Traum daran gedacht,über mein Alter nachzudenken, warum auch? Ich bin wenig von Tod und Krankheit umgeben, ich lebe die meiste Zeit in einer ziemlich egozentrischen, undramatischen Happywelt, in der die größte Katastrophe darin besteht, dass jemand seineÄgyptenreise canceln muss, weildort Bürgerkrieg herrscht.
Ich habe nie etwas durch meinen Geburtskanal gepresst, ich hatte es nie ernsthaft vor und möchte es ganz bestimmt nicht nachholen. Ich vermisse weder das Gefühl, das eigene Kind im Arm zu halten, noch die Erfahrung einer Schwangerschaft. Ich heule schon, wenn ich mir den kleinen Zeh am Türrahmen stoße, da muss ich echt kein Kind zur Welt bringen. Ich musste nie länger als drei Monate aufs Rauchen oder Trinken verzichten und bin dafür sehr dankbar. Wenn ich mal nichts Besseres zu tun habe, bewundere ich Mütter und auch Väter für ihre Fähigkeit zur Selbstaufgabe zugunsten eines Kleinkindes, für ihre Disziplin, ihr Durchhaltevermögen, aber meistens habe ich etwas Besseres zu tun. Ich möchte nicht mit ihnen tauschen. Darum habe ich auch keine Katzen oder Hunde, denn auf die muss man genauso aufpassen (Katzen und Hunde sind das Methadon der Kinderlosen!). Ich habe meinen Freund, Marcus, derüber weite Strecken sehr gut für sich selbst sorgen kann und noch weitere liebenswerte Eigenschaften in sich vereint, zum Beispiel eine hohe Attraktivität bei geringem Aufwand für dieselbe. Das erweist sich als ungemein vorteilhaft bei der Badezimmeraufenthaltszeit, wenn man zusammenlebt. Wir sind beide mehr oder weniger zufällig in Köln gelandet und dort geblieben, er aus beruflichen Gründen, ich aus Bequemlichkeit. Marcus schuftet in einem gut bezahlten, festen Job und ist ein solider, bodenständiger Freigeist, solange ihm niemand Jägermeister in die Hand drückt. Er hat ein Herz für Albernheiten und wenig Sinn für Selbstmitleid. Außerdem möchte er genau wie ich keine Kinder, denn er hat schon welche.
Auf diese Weise bin ich also vor sieben Jahren trotzdem an zwei Kinder geraten, zwar nur in Teilzeit, dafür aber Zwillinge, Mona und Lisa. Das wäre natürlich eigentlich direkt ein Trennungsgrund gewesen. Nicht die Kinder an sich, sondern die Erkenntnis, dass ein Mensch, der zwei unschuldigen jungen Wesen solche Namen verpasst, eine eher befremdliche Art von hinterhältigem Humor haben muss, die einen im Zweifelsfall auch selbst treffen könnte. Aber ehrlich gesagt ist das ein Charakterzug, den ich an Marcus sehr schätze. Und lieber Mona und Lisa als Hanni und Nanni. Zum Glück sind sie zweieiig und somit auch für Laien wie mich leicht zu unterscheiden. Als ich sie zum ersten Mal sah, waren sie sechs Jahre alt und sprachen nicht viel. Das war eine schöne Zeit, nach der ich mich manchmal sehne, denn mittlerweile plappern sie wie die Niagarafälle und schlagen mich mit Argumenten, die ich ihnenüber die Jahre selbst beigebracht habe. Das ist so, als ob sich dein Spiegelbild morgens plötzlich selbst schminkt, anschließend besser aussieht als du, dir den Stinkefinger zeigt und dich mit Zahnbürste im Mund allein dastehen lässt. Zum Glück haben sie eine Art eigenes Leben, eine Erstfamilie und eine Mutter, und darüber sind alle sehr froh, ich vielleicht am meisten.
Und auch wenn das jetzt&uum