: Alek Popov
: Schneeweißchen und Partisanenrot
: Residenz Verlag
: 9783701744558
: 1
: CHF 11.70
:
: Erzählende Literatur
: German
: 328
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die unglaubliche Geschichte der Partisanenzwillinge Kara und Jara Alek Popovs wüste Politsatire über die heldenhaften Partisanen des Zweiten Weltkriegs wird Fans des schwarzen Humors begeistern. Die attraktiven Zwillinge Kara und Jara schließen sich in den Wäldern Bulgariens den Kämpfern gegen den Faschismus an. Wegen ihrer bürgerlichen Herkunft geraten sie jedoch in den Verdacht, Verräterinnen zu sein. Auf der Flucht werden sie getrennt und treffen einander erst Jahre später zufällig wieder - doch Jara hat die Seiten gewechselt... Respektlos mixt Popov einen Cocktail aus abenteuerlichen Kämpfen, zerstörten Utopien und tragikomischen Helden, aus Spannung, Witz und Absurdität, bis zumindest ideologisch kein Stein auf dem anderen bleibt.

Alek Popov 1966 in Sofia geboren, studierte dort bulgarische Philologie und war u.a. als Kulturattaché der bulgarischen Botschaft in Großbritannien und Nordirland tätig. Er arbeitet als Schriftsteller und ist zudem Autor einer Reihe von Erzählungen, Drehbüchern und Hörspielen. Popovs Werk wurde in mehrere Sprachen übersetzt und mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem 'Helicon' für das beste Prosawerk 2002, 'Mission: London' (Residenz Verlag 2006). Sein zweiter Roman,'Die Hunde fliegen tief' (Residenz Verlag 2008), stand wochenlang an der Spitze der bulgarischen Bestsellerlisten und erhielt 2007 den renommierten Elias-Canetti-Preis. Alek Popov lebt in Sofia.

Kuckuck, Kuckuck ruft’s aus dem Wald


Schon seit zwei Stunden gingen sie so, schweigsam und ohne anzuhalten. Nur der kleine Ziegenhirt, der vorauslief, drehte sich von Zeit zu Zeit um und prüfte, ob die anderen auch nicht zurückblieben. Er war es gewohnt, alle möglichen Leute ins Balkangebirge zu führen, aber nicht solche wie diese beiden. Schon als er ihren Duft einatmete, begriff er, dass siesehr speziell waren, und er konnte nicht aufhören, sich zu wundern, was sie hier zu suchen hatten. Sowohl ihre Kleidung als auch ihre Hände und Gesichter, ja sogar ihre Stimmen, soweit er sie vernommen hatte, hatten nicht das Geringste mit der rohen, kargen Wirklichkeit zu tun, die er kannte. Sie waren zusammen mit dem Studenten gekommen, den er zu den Waldleuten führen sollte, wie man die Partisanen auch nannte. Voll ausgerüstet– mit Rucksäcken, Knickerbockern, Windjacken und hohen Schuhen mit so dicken Sohlen, wie er sie noch nie zuvor gesehen hatte.»Schau sich die einer an!«, sagte sich der kleine Ziegenhirt.

»Der Zonenstab schickt sie!«, versicherte ihm der Student.

Aber da war er sich irgendwie nicht ganz sicher… Der Student taugte nicht viel. So ein Langer, mit Nickelbrille und Uniformmütze, eingehüllt in einen Stadtmantel, der mit einem Gürtel zugebunden war. Er trug weiche Stiefel, die höchstwahrscheinlich beim ersten Schnee kaputtgehen würden.Über seiner Schulter hing eine Tasche aus Zeltleinwand, selbst genäht und nicht sonderlich voll. Lozan, wie sich der Bebrillte vorgestellt hatte, war schon nach einer Stunde Fußmarsch am Ende. Er begann schwer zu atmen, japste, stolperteüber die Unebenheiten auf dem Weg und strauchelte. Aber aus Ehrgeiz und Trotz erlaubte er nicht, dass sie seinetwegen stehen blieben. Dafür schritten die Stadttussis, die so aussahen, als würden sie schon am Hügelüber dem Dorf die Segel streichen, flink den Berg hinauf, ohneüberhaupt außer Atem zu geraten. Nur ihre Gesichter röteten sich in der Gebirgsluft und wurden noch schöner.

Wer weiß warum, aber der kleine Ziegenhirtärgerte sich und begann noch schneller zu laufen. Das Röcheln hinter seinem Rücken verstärkte sich. Einige Klumpen Erde kullerten in die Talschlucht. Er grinste schadenfroh, wobei er seine verfaulten Zähne entblößte, als ihn jemand heftig amÄrmel zog. Er konnte nicht sagen, welche von beiden. Sieähnelten sich, mussten Zwillinge sein.

»Lauf nicht so schnell!«, das Mädchen sah ihn böse an.

Als sie zu einem kleinen Brunnen kamen, versteckt zwischen dem Wurzelwerk dreier ineinander verstrickter Buchen, blieb der kleine Ziegenhirt stehen, lauschte und rief fünfmal wie ein Kuckuck. Keine Antwort. Lozan ließ sich schwer ins Gras fallen, eines der Mädchen drehte den Verschluss seiner Feldflasche auf und gab ihm zu trinken. Der kleine Ziegenhirt rief erneut Kuckuck, diesmal sogar siebeneinhalb Mal. Er lauschte– nichts. Irgendwo in der Ferne hämmerte ein Specht.

»Zu dieser Jahreszeit gibt es keine Kuckucke«, merkte eine der Zwillingsschwestern an.»Das haben wir in Zoologie gelernt.«

Er schenkte ihr jedoch keine Beachtung und fuhr konzentriert fort, wie ein Kuckuck zu rufen, bis etwas durch die Luft zischte. Der kleine Ziegenhirt jaulte auf wie ein getretenes Kätzchen und fasste sich an die Schulter. Zwei sichtlich verärgerte Männer sprangen aus den Büschen und stürzten auf die Gruppe zu.

»Verdammt, Rajčo!«, rief der eine, der einen gekürzten Karabinerüber die Schulter gehängt hatte.»Dass du dir aber auch nicht eine einzige Parole merken kannst! Alles was recht ist, aber… Wie oft, haben wir dir gesagt, solls