KAPITEL 1
Rom, Ende des Jahres 41AD
Optio Lucius Cornelius Macro beobachtete, wie die Diener im schwindenden Licht die provisorischen Tribünen abbauten, und schüttelte den Kopf. Die Aufräumarbeiten auf dem Forum Iulium wurden mit großem Aufwand betrieben. Am Nachmittag hatte der Soldat zugesehen, wie sein junger Schützling, der Gladiatorenschüler Marcus Valerius Pavo, den Barbaren Britomaris unter den Augen der lärmenden Menge besiegt hatte. Kaiser Claudius und sein Gefolge von Freigelassenen hatten mit versteinerten Mienen die Bewunderung des Publikums für den Sohn des Legaten, den Rom als Verräter betrachtete, zur Kenntnis genommen und waren schnell verschwunden. Pavo war in die Gladiatorenschule von Paestum zurückgeschickt worden. Nun herrschte auf dem Platz eine geradezu unheimliche Ruhe, während Bedienstete angeschlagene Tonmünzen und Scherben von zerbrochenen Weinkrügen zusammenfegten. Zwei Sklaven mühten sich damit ab, Britomaris’ Leiche auf einen Handkarren zu hieven.
»Scheiß drauf!«, murmelte Macro und schoss verärgert einen Weinbecher weg.»Ich sollte in Germanien sein, nicht in diesem verdammten Rom.«
»Du solltest den Göttern danken, statt zu fluchen!«, rief ein Prätorianer, der am Eingang der Arena Wache stand. Sein Kamerad links neben ihm lächelte dünn. Die beiden waren angewiesen worden, ein Auge auf Macro zu werfen, bis der Beauftragte des kaiserlichen Beraters von seinen Geschäften im Palast zurückkehrte.»Wenn du mich fragst, kannst du froh sein, dass du nichtüber die Klinge springen musstest. So ergeht es nämlich gewöhnlich Leuten, die dem Kaiser in die Quere kommen.« Er zwinkerte seinem Kameraden zu.»Übrigens, wie geht es deinem Kopf?«
Macro betastete die Beule an seinem Hinterkopf und schnaubte. Das Haar war mit Blut verklebt. Der Optio dachte mit Wut daran, wie ihm der Prätorianer, der vor ihm stand, kurz vor dem Gladiatorenkampf einen Hieb auf den Schädel verpasst hatte. Ich bin von einem beschissenen Prätorianer bewusstlos geschlagen worden, dachte er. Er spürte die Schmach in seinem Magen brennen.
»Nichts für ungut«, kicherte die Wache.»Aber das ist die Strafe, wenn man seine Nase in Dinge steckt, die einen nichts angehen.«
»Versucht nicht, mich zu verarschen«, sagte Macro.»Ihr habt den Speer des Barbaren vergiftet. Ihr wolltet sichergehen, dass Pavo stirbt, auch wenn er siegt! Das ist nicht besonders gerecht.«
Die Wache verzog das Gesicht.»Wir sind in Rom, Kamerad. Hier gibt es keine Gerechtigkeit.«
»Du bist eine Schande für Rom. Genau wie dieses schleimige griechische Arschloch Murena.«
»Was hast du gesagt, Optio?«, ertönte eine helle durchdringende Stimme hinter seinem Rücken.
Macro wirbelte herum. Eine dünne Gestalt tauchte aus dem Schatten des westlichen Portikus auf und kam langsam auf Macro zu. Servius Ulpius Murena, der Beauftragte des kaiserlichen Beraters, ging gemessenen Schrittes und warf achtsame Blicke zu beiden Seiten.
»Nichts«, entgegnete Macro grob. Murena blieb vor ihm stehen, studierte sein Gesicht und schenkte ihm ein anerkennendes Lächeln. Dann blickte er streng zu den belustigten Prätorianern und nickte zur Arena.»Ihr beiden. Helft den Bediensteten.«
Die rechte Wache sah ihn ungläubig an.»Das ist Arbeit für Sklaven. Nicht für Prätorianer.«
»Eure Aufgabe hier ist erledigt. Ich habe euch soeben einen Befehl erteilt.«
»Aber…«
»Gehorcht, oder ich lasse euch an die Rheingrenze versetzen.«
Der Prätorianer drehte sich zu seinem Kameraden. Leise murrend schlurften die beiden widerwillig durch den Gang zur Arena. Ruhig wandte sich Murena wieder Macro zu. Sein lockiges schwarzes Haar war zerzaust. Die Augen waren blutunterlaufen. Eine tiefe Falte hatte sich wie eine Schlucht in seine Stirn gegraben. Murena wirkte angespannt, dachte der Optio.
»Eigentlich sollte heute gefeiert werden«, beklagte sich Murena.»Der Tag, an dem ein Römer diesem gallischen Raufbold Britomaris ein Ende bereitet.« Er warf einen missbilligenden Blick auf die Leiche auf der Handkarre.»Stattdessen schickt mich Pallas durch die Gegend, um Feuer zu löschen.«
Macro spürte, wie seine Wangen bei der Erwähnung von Marcus Antonius Pallas brannten. Es war seine Idee gewesen, Pavo gegen Britomaris kämpfen zu lassen. Der griechische Freigelassene diente Kaiser Claudius als enger Berater, und Macro rief sich in Erinnerung, dass Murena– auch wenn er eine widerwärtige Gestalt war– nicht die Verantwortung trug; es war Pallas, der Macro in Rom festhielt und ihn zwang, nach der Pfeife des Kaiserpalastes zu tanzen.
»Erspart mir das Gejammer«, sagte der Optio.»Ihr habt bekommen, was Ihr wolltet. Pavo hat gewonnen, oder? Britomaris ist tot. Ihr und Pallas habt Euren wertvollen Sieg. Claudius muss begeistert von Euch sein. Ihr braucht mich hier nicht länger. Meine Aufgabe ist es, nach Germanien zurückzukehren und den Rest des Haufens dort niederzumetzeln.« Macro nickte schroff zu dem toten Britomaris hinüber.»Diese verdammten Barbaren…«
Murena wrang die Hände. Er vermittelte den Eindruck eines Mannes, der in einem schrecklichen Dilemma steckte.»Du vergisst, dass Pavo noch lebt, Optio. Und der Pöbel feiert ihn! Bei den Göttern, einige erklären ihn sogar zum neuen Helden Roms!« Sein Gesicht nahm einen schmerzlichen Ausdruck an, als er fortfuhr.»Zweifellos schmieren sie die Kunde von seinem Sieg an die Mauern der Stadt. Kannst du dir vorstellen, was Kaiser Claudius denkt, wenn er von Pavos neuem Ruhm erfährt?«
»Er wird wohl kaumü