: David Peace
: GB84 Roman
: Verlagsbuchhandlung Liebeskind
: 9783954380251
: 1
: CHF 13.50
:
: Erzählende Literatur
: German
: 544
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Großbritannien, 1984. George Orwells düstere Vision ist Wirklichkeit geworden. Die Bergarbeiter sind in Streik getreten und kämpfen um ihre Arbeitsplätze, um ihre Zukunft. Doch die Premierministerin und ihre Handlanger sind gnadenlose Gegner. Sie hetzen die Presse auf, lassen Gewerkschaften bespitzeln, säen Gewalt. Inmitten dieser Eskalation, die das Land an den Rand eines Bürgerkrieges treibt, beginnt ein Spiel um Leben und Tod. Terry Winters, der als Gewerkschaftsführer schon bald mit dem Rücken zur Wand steht, hat in Stephen Sweet, dem zwielichtigen Strippenzieher der Regierung, einen gefährlichen Kontrahenten. Der Geheimdienst schickt David Johnson los, der die Jobs erledigt, die anderen zu schmutzig sind. Aber dann läuft ein Auftrag schief, und es gibt die ersten Toten. Spuren und Zeugen müssen beseitigt werden, wobei Johnson schließlich selbst ins Visier rückt. Als seine Frau entführt wird, gerät er außer Kontrolle ... Unnachgiebig zerrt David Peace die Leichen aus dem Keller der englischen Zeitgeschichte. 'GB84' ist ein finsteres, atemloses Epos über den Verrat moralischer Werte und die Verzweiflung von Menschen, die alles verlieren können - und deshalb zu allem bereit sind.

David Peace, 1967 in Yorkshire geboren, schaffte seinen literarischen Durchbruch Ende der neunziger Jahre mit dem von der Kritik gefeierten 'Red-Riding-Quartett'. Er hat bislang neun Romane veröffentlicht, für die er mehrfach ausgezeichnet wurde, u. a. mit dem Grand Prix du Roman Noir und zwei Mal mit dem Deutschen Krimi Preis. Für 'GB84' erhielt er den James Tait Black Memorial Prize. Er wurde als einziger Krimischriftsteller in die renommierte 'Granta's List of Best Young British Novelists' aufgenommen. David Peace lebt mit seiner Familie in Tokio.

ERSTE WOCHE


Montag, 5. März– Sonntag, 11. März 1984

Terry Winters saß in seiner Dreizimmerwohnung in einem Vorort von Sheffield, South Yorkshire, am Küchentisch. Seine drei Kinder zankten sich ums Rührei. Seine Frau machte sich Sorgen um die Wäsche und das Wetter. Terry kümmerte sich nicht um sie. Er zog eine Karteikarte aus der rechten Jackentasche, las sie, schloss die Augen. Er wiederholte laut, was er gerade gelesen hatte. Er schlug die Augen auf und las die Karte noch einmal. Kontrollierte das Gesagte. Alles richtig. Dann steckte er die Karte in die linke Jackentasche. Er nahm eine zweite Karte aus der rechten Tasche, las sie, schloss die Augen. Dann wiederholte er laut, was er gerade gelesen hatte. Er schlug die Augen auf. Die Kinder stritten sich um einen Toast. Seine Frau machte sich noch immer Sorgen um die Wäsche und das Wetter. Sie kümmerten sich nicht um ihn. Er las die Karte erneut. Wieder alles richtig. Er steckte die Karte in die linke Tasche, zog eine weitere aus der rechten. Er las sie. Dann schloss er die Augen. Terry Winters lernte seinen Text auswendig.

Neil Fontaine steht vor der Tür zur Suite des Juden im vierten Stock des Claridge’s. Er hört das Telefon klingeln und die Stimmen drinnen lauter werden. Er denkt an den Zufall der Zustände, das Miteinander der Motive, den Sinn der Sache. Neil Fontaine steht vor der Suite des Juden im vierten Stock, hört die Korken knallen und die Gläser klingen. Er denkt an den Beginn von Kriegen und das Ende von Epochen, an den Zeitpunkt eines Meetings, dasÖffnen eines Umschlags–

Die Schließung einer Zeche und die Ausrufung eines Streiks–

Das Licht in einem Flur. Den Schatten an der Wand–

Furcht und Elend in diesem Neuen Reich.

Neil Fontaine steht vor der Suite des Juden. Drinnen prosten sie sich zu.

Sie frühstückten auf der anderen Straßenseite im County Hotel, Upper Woburn Place, Bloomsbury. Vier Tische. English Breakfast. Terry Winters trank nur Tee mit Zucker. Dick wollte noch mehr Toast. Keiner sagte ein Wort. Alle waren verkatert–

Alle außer dem Präsidenten. Der saß noch im Frühzug aus Sheffield.

Sie wischten die Teller mit dem letzten Stück Toast sauber. Tranken ihren Tee aus. Terry Winters zahlte. Sie bestellten vier Taxis zum Hobart House. Terry bezahlte. Sie bahnten sich einen Weg durch die Presse und den Graupel und gingen hinein.

Der Präsident wartete schon, zusammen mit Joan, Len und Neuigkeiten aus South Yorkshire–

Stabile Mehrheit

Noch eine letzte Zigarette, noch ein Blick auf die Uhr. Dann gingen sie nach oben–

Ins Mausoleum

Zimmer 16, Hobart House, Victoria:

Helle Lichter, Qualm und Spiegel

Orangene Anti-Terror-Vorhänge, stets zugezogen, farblich abgestimmte Teppichböden, wandhohe Spiegel, Tische rings um den Raum. In der Mitte–

Niemandsland.

Am oberen Ende das National Coal Board; rechte und linke Vertreter der Bergbaugewerkschaften BACM und NACODS–

Am unteren Ende die National Union of Mineworkers.

Fünfzig Personen hatten sich zur Sitzung des Nationalen Beratungskomitees des Kohlebergbaus eingefunden–

Doch diesmal gab es keine Beratung. Nur Provokation, echte Provokation–

Fünfzig Personen schauten zu, wie der Aufsichtsratsvorsitzende des NCB seinen Stellvertreter aufspringen ließ.

Der Mechaniker legt auf. Er schließt die Autowerkstatt und holt die Hunde aus dem Haus seiner Mutter