: Christopher Moore
: Der Schelm von Venedig Roman
: Goldmann Verlag
: 9783641130756
: 1
: CHF 2.70
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 384
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der Hofnarr Pocket trauert um seine geliebte Cordelia, Königin von England, die vor Kurzem einem mysteriösen Fieber erlag. Vor ihrem Tod hatte sie Pocket gebeten, nach Venedig zu reisen, um die Mächtigen der Stadt von einem Krieg abzuhalten. Pocket macht sich auf den Weg, aber als er in Venedig ankommt, muss er nicht nur erfahren, dass Cordelia in Wahrheit Opfer eines Giftanschlags wurde, er wird auch noch bei lebendigem Leib in einen Keller eingemauert. Hinter alldem stecken der Senator Brabantio und der Kaufmann Antonio, die alles tun, um ihre Kriegspläne durchzusetzen. Pocket schwört Rache – wenn er sich nur erst einmal aus seinem Verlies befreien könnte ...

Der ehemalige Journalist Christopher Moore arbeitete als Dachdecker, Fotograf und Versicherungsvertreter, bevor er anfing, Romane zu schreiben. Inzwischen haben seine Bücher längst Kultstatus. Christopher Moore liebt den Ozean, Acid Jazz und das Kraulen von Fischottern. Er lebt in San Francisco.

1
Die Falle

Sie warteten am Hafen, die drei Venezianer, und harrten der Ankunft des Narren.

»Eine Stunde nach Sonnenuntergang, hatte ich ihm gesagt«, meinte der Senator, ein krummer Graubart in prunkvoll bestickter Brokatrobe, die seinem Amt entsprach.»Ich habe persönlich eine Gondel geschickt, um ihn abzuholen.«

»Aye, er wird schon kommen«, sagte der Soldat, ein breitschultriger Rohling von vierzig Jahren, in Leder und grobes Leinen gekleidet. Er trug Schwert und Dolch am Gürtel, hatte einen schwarzen Bart und eine Narbe durch die rechte Augenbraue, die ihn stets verwundert oder argwöhnisch dreinblicken ließ.»Er hält sich für einen Kenner und kann der Versuchung Eures Weinkellers nicht widerstehen. Wenn es getan ist, haben wir mehr zu feiern als nur den Karneval.«

»Und doch stimmt es mich traurig«, sagte der Kaufmann. Ein feiner Herr mit weichen Händen und heller Haut, der einen hübschen, samtenen Schlapphut trug, dazu einen güldenen Ring von der Größe einer kleinen Maus, mit welchem er Verträge besiegelte.»Fürwahr, ich weiß gar nicht, wieso.«

Über die Lagune von Venedig hinweg hörten sie in der Ferne den Klang von Flöten, Trommeln und Hörnern. Fackeln tanzten am Ufer beim Markusplatz. Hinter den drei Männern ragte das dunkle Anwesen des Senators auf, die Villa Belmont, nur von einer Sturmlaterne in einem der oberen Fenster beleuchtet, ein Licht, das einem Gondoliere helfen mochte, die private Insel anzusteuern. Draußen auf dem Wasser hatten die Fischer Fackeln entzündet, die wie trunkene Sterne auf tintenschwarzen Fluten schwankten. Auch während des Karnevals musste die Stadt essen.

Der Senator legte dem Kaufmann eine Hand auf die Schulter.»Wir erweisen Gott und dem Staat einen Dienst, erleichtern ihm das Herz und das Gewissen– eine Läuterung, die unserem Vorhaben einige Türenöffnet. Denkt nur an das gewaltige Vermögen, das Euch zuteil wird, sobald die Ratte aus dem Kornspeicher vertrieben ist.«

»Aber seinÄffchen mag ich eigentlich ganz gern«, sagte der Kaufmann.

Der Soldat grinste und kratzte sich am Bart, um zu verbergen, dass er sich amüsierte.»Habt Ihr dafür gesorgt, dass er allein kommt?«

»Es war Bedingung für seine Einladung«, sagte der Senator.»Ich habe ihm erklärt, schon aus christlicher Nächstenliebe müsse er seinen Dienern Gelegenheit geben, am Karneval teilzunehmen, ganz wie ich es mit meiner Dienerschaft handhabe.«

»Geschickt eingefädelt«, sagte der Soldat mit Blick auf die unbeleuchtete Villa.»So wird er sich nichts dabei denken, wenn er keine Diener sieht.«

»Äffchen können schrecklich schwer zu fangen sein«, sagte der Kaufmann.

»Vergesst doch endlich mal diesen Affen«, knurrte der Soldat.

»Ich habe ihm gesagt, dass meine Tochter sich vor Affen fürchtet und mit ihnen nicht im selben Raum sein kann.«

»Aber sie ist doch gar nicht da«, sagte der Kaufmann.

»Das weiß der Narr ja nicht«, sagte der Soldat.»Unser tapferer Montressor würde selbst seine jüngere Tochter als Köder auswerfen, obwohl ein Schwarzbarsch ihm dieÄlteste vom Haken geschnappt hat.«

»Des Senators Verlust schmerzt auch ohne Eure Stichelei schon genug«, sagte der Kaufmann.»Verfolgen wir denn nicht dasselbe Ziel? Euer Witz ist zu böse, um gewitzt zu sein. Er ist nur grob und grausam.«

»Aber holder Antonio«, sagte der Soldat.»Ich bin zugleich listig, grobund grausam, was für Euer Unterfangen durchaus von Vorteil ist. Oder möchtet Ihr Euch lieber mit der mildtätigen Klinge eines vornehmeren Schwertes verbünden?« Er legte eine Hand auf das Heft seines Schwertes.

Der Kaufmann blickte auf die dunklen Fluten hinaus.

»Dachte ich mir«, sagte der Soldat.

»Setzt freundliche Gesichter auf, Ihr zwei!« Der Senator trat zwischen die beiden und blinzelte in die Nacht.»Das Boot des Narren naht. Dort drüben!«

Inmitten der Fischerboote schwankte eine hellere Laterne, die sich langsam aus deren Reihen löste. Bald darauf schon glitt die Gondel an den Kai. Der Gondoliere ging so geschickt mit seinem Ruder um, dass er die Reling des schwarzen Bootes bis auf eine Handbreit an den Steg manövrierte. Die Tür der Felze klappte auf, und ihr entstieg ein kleiner, drahtiger Mann in schwarz-silbernem Narrenrock und der Maske eines Harlekins. Seiner Größe nach zu urteilen hätte man ihn für einen Knaben halten können, doch seinübergroßer Hosenbeutel und der Schatten eines Bartes auf den Wangen verrieten sein wahres Alter.

»Nur eine einzige Laterne?«, fragte der Harlekin und hüpfte auf den Holzsteg.»Hättet Ihr nicht vielleicht noch ein, zwei Fackeln zusätzlich spendieren können, Brabantio? Hier draußen ist es finster wie im Hodensack der Nacht.« Er stolzierte an dem Soldaten und am Kaufmann vorbei.»Arschkriecher«, raunte er ihnen zu, und schon war er auf dem Weg hinauf zur Villa, wobei er im Gehen ein puppenköpfiges Narrenzepter schwang wie ein Tambourmajor. Der Senator trabte hinterher und hielt die Laterne hoch, um ihnen den Weg zu leuchten.

»Dieser Abend lässt Großes hoffen, Fortunato«, sagte der Senator.»Und ich habe die Dienerschaft schon vor Einbruch der Dunkelheit fortgeschickt, also…«

»Nennt mich Pocket«, sagte der Narr.»Nur der Doge nennt michFortunato. Und ich frage mich, ob er nicht alle Welt so nennen sollte, wenn man sieht, wie selt