: Laurence Sterne
: Michael Walter
: Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman Roman
: Verlag Kiepenheuer& Witsch GmbH
: 9783462308112
: 1
: CHF 20.00
:
: Hauptwerk vor 1945
: German
: 848
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Laurence Sterne zum 250. Todestag: Der witzigste, bizarrste und komischste Roman aller Zeiten, der Ur-Roman der Moderne in Michael Walters kongenialer Übertragung. 'Wo ist der Mann von Verstand und Geschmack, dessen Seele einen Sinn für die Launen des Genies, für Witz und Ironie, für attisches, britisches, Cervantisches, Rabelais'sches, und (was feiner und pikanter ist als alle vier übrigen Arten) für Yoricksches Salz hat; wo ist, sag ich, ein solcher Mann, in dessen Händen Tristram Shandy nicht schon wäre, der nicht lieber alle seine übrigen Bücher, und seinen Mantel und Kragen im Notfall dazu, verkaufen wollte, um dieses in seiner Art einzige, dieses mit allen seines Verfassers Wunderlichkeiten und Unarten dennoch unschätzbare Buch anzuschaffen, von Stund an zu seinem Leibbuch zu machen, und solange darin zu lesen, bis alle Seiten davon so abgegriffen und abgenutzt sind, dass er sich - zum größten Vergnügen des Verlegers - ein neues anschaffen muss?', fragte Christoph Martin Wieland im 18. Jahrhundert. Und wir können heute unverändert dasselbe fragen: Ja, wo wäre er? Aber vor allem: Was hätte er die letzten Jahre gemacht, wenn er nicht so glänzend Englisch kann, dass er die genialisch-kniffligen Feinheiten und hochverzwickten Zweideutigkeiten des Originals versteht? Denn die einzig wirklich adäquate, die wahrhaft kongeniale Übersetzung dieses Ur-Buchs der komischen Literatur war jahrelang nicht lieferbar. Jetzt gibt es sie endlich wieder - als Teil der Laurence-Sterne-Werkausgabe und als einzelnen Band.

Laurence Sterne (1713-1768) schrieb nur zwei literarische Bücher. Beide aber machten weltweit Furore wie kaum je andere: Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman (1759-1767) und Eine empfindsame Reise durch Frankreich und Italien. Von Mr. Yorick (1768). Er gilt (zu Recht) als Urvater des modernen Romans, seine Verehrer sind zahllos (um nur einige nicht-britische zu nennen: Lessing, Wieland, Diderot, Goethe, Jean Paul, Thomas Mann, Sigmund Freud, Nabokov, Arno Schmidt, Italo Calvino, Javier Marias). Seine Bücher sind seit Erscheinen Grundbestand jedes guten Bücherschranks.

BAND II.

 

 

 

KAP. I.

ICH habe mit Fleiß ein neues Buch begonnen, auf daß ich Platz genug bekäme, die Natur der Verlegenheiten zu erklären, in die mein OnkelToby infolge der vielen Gespräche und Befragungen über die Belagerung vonNamur geriet, wo er seine Blessur empfing.

Ich muß dem Leser ins Gedächtnis rufen, falls er die Geschichte der KriegeKönigWilliam’s gelesen hat, – so er’s aber nicht hat,-- bringe ich’s ihm also zur Kenntnis, daß eine der memorabelsten Attacken bei dieser Belagerung jene war, dieEngländer undHolländer gegen die Spitze der vorgeschobenenContreescarpe am Tor vonSt. Nicolas führten, welche das große Siel oder Schleusenwehr einschloß, wobei dieEngländer dem Beschuß von der Contregarde und der HalbbastionSt. Roch gräulich ausgesetzt waren: Der Ausgang dieses hitzigen Streits war mit drei Worten der; Daß dieHolländer sich auf der Contregarde einnisteten,--- und daß dieEngländer sich des bedeckten Weges vor demSt. Nicolas-Tor bemeisterten, unerachtet der Heldenmütigkeit derfranzösischen Offiziere, die sich auf dem Glacis mit dem Degen in der Faust die Blöße gaben.

Da dies die Hauptattacke war, welcher mein OnkelToby vorNamur als Augenzeuge beiwohnte,– indem daß die Armee der Belagerer durch den Zusammenfluß vonMaas undSambre daran verhindert wurde, viel von den gegenseitigen Operationen hüben wie drüben zu sehen, – so zeigte sich mein OnkelToby in seiner Schilderung davon gemeiniglich besonders eloquent und ausführlich; und die mannigfachen Verlegenheiten, in denen er stak, erwuchsen aus den schier unübersteiglichen Schwierigkeiten, die es ihm bereitete, seine Geschichte faßlich vorzutragen und so klare Begriffe zu geben von den Unterschieden und Unterscheidungen zwischen der Escarpe und Contreescarpe,– dem Glacis und bedeckten Weg,– dem Halbmond und Ravelin,– um es seiner Gesellschaft gänzlich einsichtig zu machen, just wo und wobei er sich aufhielt.

Selbst Verfasser pflegen gar zu gern diese Ausdrücke zu verwechseln;– destoweniger wird es Euch also wundersnehmen, daß mein OnkelToby, im Bestreben, sie zu erklären, sowie im Kampf gegen allerlei Mißverständnisse, seine Besucher oftmals in Verwirrung stürzte; und manchmal auch sich selbst.

Die Wahrheit zu sagen, bestand die Gesellschaft, die mein Vater treppauf führte, nicht aus leidlich hellen Köpfen oder befand sich mein OnkelToby nicht in bester Erklärerlaune, so blieb’s ein schwierig Ding, er mochte sich noch so mühen, das Gespräch von allen Unklarheiten freizuhalten.

Was die Schilderung dieses Gefechts für meinen OnkelToby noch vertrackter machte, war dies, – daß bei der Attacke auf die Contreescarpe am Tor von St.Nicolas, welche sich vom Ufer derMaas bis ganz hinauf zum großen Schleusenwehr erstreckte; – das Gelände allenthalben die Kreuz die Quer von einer solchen Unzahl von Deichen, Abzugsgräben, Bächen und Sielen durchschnitten wurde, – und er sich darin so kläglich verfranste und festrannte, daß er häufig weder vor noch zurück konnte, um sein Leben zu retten; und sich oft genötigt sah, einzig und allein deswegen die Attacke aufzugeben.

Diese bestürzenden Schlappen verstörten meinem OnkelToby Shandy die Gemütsruh