KAPITEL 1
Rom, Ende des Jahres 41
Der kaiserliche Gladiator blinzelte sich den Schweiß aus den Augen und beobachtete, wie die Bediensteten die Leichen wegschleiften, die den Boden der Arena pflasterten.
Aus dem Schatten des Ganges hatte Gaius Naevius Capito einen gutenÜberblicküber die Folgen der nachgestellten Schlacht. In der Mitte des mit Leichenübersäten Amphitheaters des Statilius Taurus stand der grobe Nachbau einer keltischen Siedlung. Capito hob den Blick zu den Tribünen. Dort sah er auf dem Podium den neuen Kaiser, der von einer Schar um Aufmerksamkeit buhlender Freigelassener umgeben war. Am Rand der Gruppe saßen die Senatoren und die Hohepriester in ihren unverwechselbaren Togen.Über dem Podium drängten sich die Zuschauer Schulter an Schulter auf den Steinsitzen, die die oberen Ränge säumten. Capito spürte einen Schauder, als die Menge grölte. Er sah zu, wie zwei Bedienstete einen zusammengesackten Barbaren mit einem glühenden Eisen stachen. Der Mann zuckte. Die Zuschauer verhöhnten ihn, weil er versucht hatte, sich tot zu stellen, und einer der Arenabediensteten gab einem anderen Diener, der einen schweren doppelköpfigen Hammer trug, ein Zeichen. Ein weiterer Bediensteter streute frischen weißen Sand auf den blutbefleckten Boden der Arena. Dann zogen sie sich in den Gang zurück und ruhten sich wenige Schritte von Capito entfernt im Schatten aus.
»Sieh dir den Scheiß an«, klagte einer der Bediensteten, während er seine blutverschmierten Hände hob.»Es wird eine Ewigkeit dauern, die Sauerei abzuwaschen.«
»Gladiatoren«, murrte der andere Bedienstete.»Allesamt egoistische Arschlöcher.«
Capito warf ihnen einen finsteren Blick zu, als der Diener mit dem Hammer zu dem Gallier schritt, sich vor dem niedergestreckten Mann auftürmte und ihm mit hämischem Grinsen den Hammer auf den Kopf schlug. Capito hörte den Schädelknochen bersten und verzog das Gesicht. Als ranghöchster Gladiator der julischen Schule in Capua war er sehr stolz auf sein Handwerk. Doch das Schauspiel hatte einen bitteren Nachgeschmack bei ihm hinterlassen. Er hatte aus dem Gang zugesehen, wie als Legionäre verkleidete Gladiatoren ihre Gegner niedergemetzelt hatten– zum Tode Verurteilte und Sklaven mit stumpfen Waffen. Dazu war nicht viel Geschick vonnöten gewesen. Er empfand es als Herabsetzung seines Gewerbes.
Ein Diener zog die letzte Leiche mit einem Metallhaken davon.
»Ein Blutbad«, murmelte Capito vor sich hin.»Nichts als ein Blutbad.«
»Was hast du gerade gesagt?«, herrschte ihn ein Bediensteter an.
»Nichts«, antwortete Capito.
Der Bedienstete wollte noch etwas entgegnen, doch da rief der Editor mit sonorer Stimme, die sich bis zu den oberen Rängen aufschwang, Capitos Namen. Die Menge brüllte. Der Bedienstete wies mit dem Daumen zur blutbefleckten Sandfläche.
»Dein Auftritt«, knurrte er.»Und denk dran: Das ist der Höhepunkt der Veranstaltung. Zwanzigtausend Leute sind gekommen, um es sich anzusehen. Der Kaiser sitzt da oben und zählt darauf, dass du Britomaris eine ordentliche Abreibung verpasst. Enttäusche ihn nicht.«
Capito nickte bedächtig. Sein Kampf stellte das Hauptereignis des ersten großen Schauspiels dar, das Kaiser Claudius dem Volk schenkte. Am Nachmittag war mit Hunderten von Männern eine offene Feldschlacht nachgestellt worden, bei der die Gladiatoren wenigüberraschendüber eine Horde armselig ausgerüsteter Barbaren triumphierten. Nun würde der Stolz der kaiserlichen Gladiatoren gegen einen Barbaren kämpfen, der den Führer eines keltischen Stammes spielte. Doch es war nicht irgendein Barbar. Britomaris hatte zurÜberraschung der erfahrenen Beobachter bereits fünf Siege in der Arena errungen. Barbaren, die nicht anständig im Schwertkampf geschult waren, erlitten gewöhnlich schon bei ihrem Debüt einen grausigen Tod, und Britomaris’ Siegesserie hatte die Veteranen der kaiserlichen Schule verunsichert. Capito wies solche Bedenken von sich und versicherte sich, dass die Männer, denen Britomaris in früheren Kämpfen gegenübergestanden hatte, geringere Krieger waren als er. Capito war eine Legende der Arena. Er brachte den Tod und heimste die Ehre ein. Während er die Halsmuskeln anspannte, schwor er sich, Britomaris eine Lektion zu erteilen. Sein Selbstvertrauen wurde auch dadurch gestärkt, dass er die vollständige Ausrüstung trug, einschließlich Beinschienen, Armschutz, Brustharnisch sowie einem langen roten Umhangüber dem Rücken. Die Rüstung sollte den Sieg sicherstellen. Es war eine unerträgliche Vorstellung, dass ein Römer– oder auch ein als Römer verkleideter Gladiator– in Gegenwart des Kaisers gegen einen Barbaren verlor. Doch die schwere Rüstung hatte auch Nachteile. Mit dem reich verzierten Helmüber dem Kopf schwitzte Capito sich unter der vollständigen Panzerung fast zu Tode.
Der Bedienstete reichte ihm ein Kurzschwert und einen rechteckigen Schild. Capito nahm das Schwert mit der rechten und den Schild mit der linken Hand. Er konzentrierte sich auf den dunklen Schlund des Ganges auf der gegenüberliegenden Seite der Arena. Der Gladiator beobachtete, wie eine Gestalt langsam aus dem Schatten trat und nach links und rechts blickte, als