: Johannes Wilkes
: Ein Terrorist im Gepäck
: Prolibris Verlag
: 9783954750894
: 1
: CHF 6.20
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 182
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Einen international gesuchten Terroristen tot auf einer Seehundbank in Ostfriesland zu finden, ist ungefähr so wahrscheinlich wie ein Sechser im Lotto, aber nicht so lukrativ. Die beiden Erlanger Freunde, die den Toten entdecken, wollen jedoch aus ihrem Fund Kapital schlagen. Sie sehen sich schon in allen Fernsehtalkshows und ihr Bild in sämtlichen Illustrierten. Aber dann haben sie eine Idee, den kostbaren Körper zu Geld zu machen-eine vielversprechende, aber sehr gefährliche Idee! Die burleske Geschichte beginnt mit ihrer Heimreise nach Erlangen, und nicht einmal ihre eigenen Frauen ahnen, wen sie da im Gepäck haben...

Johannes Wilkes, in Dortmund geboren, als der Pott noch rauchte, entwickelte erste Mordfantasien beim Sezieren einer formalingetränkten Leiche während seines Medizinstudiums in München. Er lebt heute in Erlangen, arbeitet als Jugend¬psychiater, ist Autor zahlreicher unblutiger Bücher (u. a. Der kleine Kinder¬therapeut, Ich singe dir mit Herz und Mund, Der Aldi-Äquator) und leidenschaftlicher Strandgänger auf Spiekeroog. Dort spielt auch sein erster Kriminal¬roman, Der Tod der Meerjungfrau. Sein neuer Krimi, Ein Terrorist im Gepäck, startet an der Nordsee und spielt dann weitgehend in Erlangen.

1

Es gibt Tage, an denen du keine Lust auf Seehunde hast. Genauso ein Tag war das damals, als alles anfing, im Mai 2011. Heidi aber hatte darauf bestanden. Angeblich hatte ich es ihr versprochen, kann sein, ich erinnere mich nicht mehr so deutlich. Heidi wollte unbedingt hinaus zu den Seehundbänken. Heidi liebt Seehunde. Sie liebt alles, was in dieses primitive Kindchenschema passt. Große Augen, Stupsnase, Schmollmund. Ich jedenfalls hatte keine Lust auf Seehunde. Und an diesem Tag erst recht nicht. Wir hatten es doch so gemütlich in unserer Strandburg. Warum sollte ich mich bei diesem herrlichen Wetter mit einer Horde von Robbenguckern auf ein Schiff begeben, um mir Viecher anzuschauen, die mich nicht interessierten? Aber Heidi sagte, wir würden ihr den ganzen Urlaub kaputtmachen, wenn wir nicht mitkämen. Also kamen wir mit. Rüdiger hatte auch keine besondere Lust auf die Tour, und Doris, seine Frau, wirkte ebenfalls nicht so, als ob ihre Seligkeit davon abhinge, zumal sie aufgrund ihrer diversen Gelenkoperationen nicht mehr so gut zu Fuß war. Aber keinem von uns war es gelungen, Heidi den Ausflug auszureden.

Das alte Dieselboot war schnell draußen bei der Sandbank, die man schon vom Strand aus mit bloßem Auge hatte sehen können. Der Ausstieg war etwas beschwerlich. Wir mussten eine hölzerne Planke entlangbalancieren, eine wacklige Angelegenheit, denn eine Sandbank hat ja keinen gemauerten Kai. Doris weigerte sich zunächst, wurde aber von Heidi und Rüdiger mit sanftem Zwang hinübergeführt.

So eine Sandbank ist das Langweiligste der Welt. Einfach nur ein sinnloser langgestreckter weißer Hügel im Meer. Der einzige Zweck, den eine Sandbank zu haben scheint, ist, Touristen zu den hundeartigen Raubtieren zu locken. Die anderen machten sich unter der Führung von Opa Hein auf, die Sandbankspitze zu erkunden, wo die Seehunde gewöhnlich liegen. Rüdiger und ich ließen uns stattdessen in den Sand fallen und genossen die herrliche Maisonne. Sollten sie nur ruhig Robben angucken gehen, wir würden hier auf sie warten. Heidi schüttelteüber so viel Desinteresse nur verständnislos den Kopf, nahm Doris, die sich mit ihren beiden künstlichen Hüftgelenken und ihrem künstlichen Knie noch etwas schwertat, unter den Arm und stolperte Opa Hein hinterher. Es mag vielleicht auch an dem Pils gelegen haben, das wir uns an Bord genehmigt hatten, wir wollten einfach nur unsere Ruhe. Das aber sollte sich als grausamer Fehler erweisen. Wären wir doch nur mit den anderen gegangen! Dann wäre der ganze Schlamassel nicht passiert!

Rüdiger hatte ihn zuerst entdeckt. Den schwarzen Fleck am Ufer. Die Sonne stand flirrend darüber, so dass man in dem gleißenden Licht zunächst nicht wirklich was erkennen konnte.

»Ein Seehund!«, rief Rüdiger und deutete auf das schwarze Etwas.

Wir mussten lachen. Da stapfte die Seehundguckerbande mühsam Opa Hein hinterher, und gleich vor unserer Nase aalte sich das schönste Exemplar im Sand.

»Komm, wir machen ein Foto!«, schlug ich vor und erhob mich umständlich.

»Nicht zu nah«, rief mir Rüdiger hinterher,»die Dinger sind kamerascheu.«

»Kein Problem«, brummte ich und kramte meine Kamera aus der Hemdtasche hervor,»wozu habe ich mein Zweihunderterzoom?«

Ich drehte am Objektiv– und mir stockte der Atem. Das Ding im Sucher war kein Seehund! Das war etwas anderes. Das warüberhaupt kein Tier. Das war ein Mensch! Ich steckte die Kamera ein und rannte los.

Manche Kerle erkennst du auf Anhieb, selbst wenn das Meer sie angespült hat und ihnen die Algen in den Haaren hängen. Kein Zweifel, das war er, das war Osama Bin Laden! Das musste er sein, auch wegen des hässlichen kleinen Lochs in der Stirn. Ich registrierte den Fund ohne jede Emotion, so sachlich, als wäre ich auf ein Stück Treibholz gestoßen. Auf dieser gottverlassenen Sandbank vor der Küste von Norderney, im hellen Licht der Maisonne, lag die Leiche Osama Bin Ladens!

Rüdiger war auf meinen Ruf gleich hinzugeeilt.

»Das is' er!«, flüsterte auch er.

Wie um alles in der Welt kam seine Leiche hierher?

»Seebestattung, stand in der Zeitung«, sagte ich,»die Amerikaner haben ihn sofort ins Meer geschmissen!«

»Aber doch nicht in die Nordsee!«, rief Rüdiger.»Mensch, Horst, weißt du, wo sie ihn erschossen haben? In Pakistan! Weißt du, wo Pakistan liegt? Am arabischen Meer!«

Klar wusste ich, wo Pakistan liegt. Ich kannte die ganze Welt. Genauso wie Rüdiger. Uns hatten sie ja schon in die entlegensten Winkel verschickt, zum Leitungenbasteln. Klar aber war auch, das hier war Osama Bin Laden. Der Top-Terrorist lag genau zu unseren Füßen im Nordseesand und nicht am Strand des arabischen Ozeans! Und klar war ebenso: Unmöglich konnten Wellen und Strömung die Leiche von Arabien hierher gespült haben. Wie denn auch! Um das Kap von Afrika herum die gesamte afrikanische Küste hinauf, an Portugal, Spanien und Frankreich vorbei durch denÄrmelkanal? Und das Ganze in drei Tagen? Vor drei Tagen war die Sache ja erst passiert, vor drei Tagen hatte die amerikanische Spezialeinheit ihn erwischt. Wir hatten die letzte Bild-Zeitung im Strandcafé ergattert, darauf das große Foto von dem terroristischen Rauschebart. Alle hatten wir unsüber die Nachricht gefreut, nur Doris hatte den Mund verzogen und gemeint, das sei nicht richtig. Man hätte versuch