: Frauke Schuster
: Vergeltet, wie auch sie vergalten
: hey! publishing
: 9783942822732
: 2
: CHF 4.40
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 374
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Eine brutale Mordserie erschüttert eine abgelegene Benediktinerabtei. Als Commissario Luca Manaro fieberhaft nach einem Motiv für die grauenvollen Taten sucht, stoßen er und sein deutscher Kollege Lasse auf eingeschüchterte Mönche, einen alttestamentarisch-strengen Abt und eine Mauer des Schweigens. Je tiefer die Ermittler in die finsteren Geheimnisse der Klosterwelt eindringen, desto mehr scheinen sich die Fäden des Falls zu verwirren: Wohin geht der Mann, der sich regelmäßig nachts aus dem Kloster schleicht? Schießen die Gotchafanatiker, die in der finsteren Pineta hinter dem Kloster ihre martialischen Kampfspiele abhalten, wirklich nur mit Farbmunition? Und wer veranstaltet das grausame Femegericht im Morgengrauen? Als sich Luca und Lasse endlich kurz vor der Lösung des Falls wähnen, geraten sie urplötzlich selbst ins Visier des skrupellosen Mörders - und in eine schier ausweglose Situation ...

Frauke Schuster Jahrgang 1958, wuchs in Ägypten auf und studierte Chemie an der Universität Regensburg. Neben der Liebe zum Orient und den Naturwissenschaften spielt die Schriftstellerei eine Hauptrolle in ihrem Leben. Bisher hat sie fünf Kriminalromane veröffentlicht, daneben verfasst sie Kurzkrimis auf Deutsch und Englisch. Ihre Kurzgeschichte »Quetschkorn und blaue Bohnen« wurde für den Kärntner Krimipreis 2008 nominiert. Frauke Schuster ist Mitglied der Autorenvereinigungen »Mörderische Schwestern« und »Das Syndikat«. www.fraukeschuster.de Foto: © privat

Kapitel 1


Über dem uralten Pinienwald herrschten Finsternis und tiefste Stille, als sei die gesamte Welt dabei, in einem schwarzen Loch zu versinken. Nur vereinzelt brannte hinter den Fenstern des Klosters noch Licht; die winzigen hellen Flecken wirkten eigenartig verloren inmitten der schier allumfassenden Dunkelheit.

Das Auto, das sich auf der schmalen Asphaltstraße der Abbazia San Benedetto näherte, fuhr ohne Licht, als wolle es sich der allgemeinen Düsternis unterwerfen; oder hatte der Fahrer einfach vergessen, die Scheinwerfer einzuschalten? Ungewöhnlich langsam, fast im Schritttempo, bog es kurz vor der langen, mit Zypressen gesäumten Klosterzufahrt in einen Feldweg ein, rollte weiter bis zum Anfang der verschwiegenen Pineta, wo es unter den ersten Baumschirmen, die jegliches verbliebene Licht zu schlucken schienen, stehen blieb. Eine Gestalt, trotz der Lauheit der italienischen Sommernacht in eine dunkle Kapuzenjacke gehüllt, stieg aus, stapfte durch schwarzes Gras zur Mauer des Klostergartens. Hände tasteten die schmalen Backsteine ab, fanden Halt in Rissen und Spalten, und dann saß die Gestalt rittlings auf der Mauerkrone, starrte zu den gedrungenen Gebäuden mit den spärlichen Lichtflecken hinüber, malte sich aus, was in diesen beleuchteten Zimmern geschehen mochte. Sah, obwohl sie sie nicht wirklich sehen konnte, die Mönche im schwarzen Habit, wie sie sichüber ihre Bücher beugten, sich zu den Texten, die sie studierten, Notizen machten, wie sie gelegentliche Blicke zu den Fenstern warfen und nur Schwärze wahrzunehmen vermochten. Das Dunkel, in dem die Zukunft verborgen lag. Eine schreckliche, grausame Zukunft, die dort drinnen, in der ruhigen Sicherheit der Zellen, niemand erahnen konnte… Unverwandt, ohne zu blinzeln, starrte die Gestalt auf das Kloster, bis ihr vor Anstrengung die Augen tränten. Und plötzlich, wie so oft in ihrem Leben,überfiel sie das Gefühl, nicht allein zu sein, das Gefühl einer unsichtbaren Präsenz an ihrer Seite. Sie biss sich hart auf die Lippen, so fest, dass sich auf ihrer schmalen Unterlippe ein Blutstropfen zeigte, schwarz in der Nacht. Jetzt wusste die einsame Gestalt, was diese Empfindung bedeutete, dass sie kein Zeichen einer beginnenden Schizophrenie war, wie sie so lange befürchtet hatte! Nein, sie war keinesfalls psychisch krank; sie war vollständig gesund. So gesund, wie sie es für die Aufgabe, die sie sich zu erfüllen geschworen hatte, sein musste! Und in ihren Augen, deren Tränen unter der Kapuze glänzten wie dunkle Perlen, tanzten dämonische Feuer.

Heftiger, vom Meer aufkommender Wind rüttelte zornig an den Bäumen, als die einsame Gestalt zu ihrem Wagen zurückkehrte. Nur gelegentlich drang ein schwacher Schimmer des fahlen Mondlichts durch Lücken in der Wolkendecke, erhellte schwach das Gelände: den gepflasterten Vorhof des Klosters mit seinen Pinien und Zypressen, links hinten den dunklen Wald, die Pineta, der das angrenzende Sumpf- und Schilfgebiet der Pialassa Baiona verdeckte. Die Wipfel der höchsten Bäume schwankten im Sturm, dahinter lauerte tiefste Schwärze. Eine Schwärze, die an die Hölle gemahnte… Ihr werdet eure Apokalypse bekommen, dachte die Gestalt, während sie noch einmal zum Kloster zurückblickte. Früher, als ihr denkt! Sie stieg in das Auto und fuhr nach Ravenna zurück.

 

Als der Wagen die Via Cimitero erreichte, hatte der Wind sich verstärkt, peitschte schwere, regenschwangere Wolken vor sich her. Die in ihre dunkle Jacke gehüllte Gestalt zog die Kapuze wiederüber den Kopf, als erwarte sie im nächsten Moment einen Gewitterschauer. Das schmiedeeiserne Tor des Cimitero war abgesperrt, mit einem Vorhängeschloss gesichert. Mit einem raschen Blicküber die Schulter vergewisserte sich die Gestalt, dass die Straße leer war, kletterte dann katzengleich an dem Gitter hoch und sprang auf der anderen Seite ins Friedhofsgelände hinab.

Im Schein einer trüben Lampe warfen die Kopfsteine der kastenförmigen, mit schweren Steinplatten verkleideten Gräber lange, düstere Schatten. Irgendwo in der Feme pfiff jemand laut und falsch. Die Kapuzengestalt kauerte sich hinter eine Grabwand und wartete bewegungslos, bis die schrägen Töne verklangen. Erst dann lief sie einen schmalen Weg entlang, in der Hand eine unförmige Plastiktüte. Als sie schließlich vor einem gepflegten, sandfarbenen Grab stehen blieb, blickte sie kurzüber ihre Schulter und sank auf dem groben Kies auf die Knie. Aus der Tüte holte sie einen Strauß weißer Lilien, den sie sorgsam in die steinerne Vase auf der Grabplatte ordnete. Eine Weile verharrte sie stumm und reglos, zog sich schließlich in den Schatten einer Mauer zurück, und– im nächsten Augenblick zerriss die muntere Melodie eines Handys die nächtliche Stille! Hastig suchte die Gestalt in ihrer Tasche, sich nervös umblickend.

»Bist du verrückt geworden?! Warum rufst du an?!«

Das telefonino ans Ohr gepresst, schloss die Gestalt für ein paar Minuten die Augen, während sie sich vorstellte, wie sie den Rest der Nacht verbringen würde: Sie sah sich an dem mit Zeitungspapier abgedeckten Tisch sitzen, im abgedunkelten Licht einer Schreibtischlampe, sah sich die Waffeüberprüfen, laden und in der unauffälligen Reisetasche versenken. Die Lippen der Gestalt verzogen sich zu einem befriedigten Lächeln. Sie brach das Gespräch ab, blieb jedoch an die Friedhofsmauer gel