: Frank Göhre
: Hot Stuff. Eine Nacherzählung Mit einem Nachwort von Thomas Wörtche
: CULTurBOOKS
: 9783944818139
: 1
: CHF 4.40
:
: Erzählende Literatur
: German
: 85
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Mit einem Nachwort von Thomas Wörtche. »Hot stuff - can't get enough« - Ein alter Song ertönt, ein Track auf einer verstaubten CD-Box, seit Jahren im Regal, ein Live-Mitschnitt, ein Zeitsprung, zurück in die Siebziger, bewegte Bilder, flackernd und voller Sprünge, ein Film läuft ab, ein Film in Worten: »Hot Stuff«. Es ist eine Reise nach Rom und weiter nach New York und Washington, D. C. Sie führt zu den Straßengangs aus den Vorstädten, zu den bad guys, die an das große Geld und an die Macht wollen. Und es geht zurück auf den Kontinent, nach Yorkshire, wo es ständig regnet und in den nasskalten Nächten ein Killer seine Opfer sucht. Auch anderswo wird brutal gemordet und zumeist geht es dabei um »Sister Morphine« und »Cousin Cocaine«. Vier groß angelegte Romanzyklen erzählen davon. Frank Göhre zitiert und rafft Romane von Giancarlo De Cataldo, David Peace, George P. Pelecanos und Don Winslow. Er ergänzt sie assoziativ mit Passagen aus Filmen und »Love You Live«, dem dritten Livealbum der Rolling Stones, mit Ausschnitten aus populären Songs, Texten von u. a. Thomas Adcock, Keith Richards, innovativen Reportagen, aus den Archiven politischer Intrigen. So entsteht das Porträt einer (Gegen-)Gesellschaft im Zeichen der Sucht, der Gier nach Reichtum und Macht - »Hot Stuff« also. Ein Film in Worten. Mit einem Nachwort von Thomas Wörtche »In New York ist es in diesem Jahr einer dieser Es-ist-nicht-die-Hitze-es-ist die-Feuchtigkeit-Nachmittage, und zwei junge Iren sitzen in einem Pub an der 47th Street, Ecke 12th und trinken Bier. Es ist der Stadtbezirk Hell's Kitchen. (...) Ein hünenhafter Schutzgeldeintreiber kommt in den Pub und will einem der Jungs ins Maul pissen. Aber der andere ist schneller. Er zieht eine 22er unterm Hemd vor und schießt dem Drecksack zwei Löcher in die Stirn.« »Göhre ist ein Klassiker, vielleicht der Klassiker des Noir made in Germany; ein Autor, der kleinen Gangstern, gefallenen Ladys und gebrochenen Polizisten literarisch eine Stimme gibt, und das im Klang so authentisch wie formal experimentell.« Ulrich Noller

Frank Göhre, Jahrgang 1943, arbeitete als Buchhändler, Bibliothekar, Verlagsangestellter und Hörfunkautor. Er lebt in Hamburg und schrieb neben Romanen (siehe www. pendragon.de) u. a. die Drehbücher zu den Kinofilmen »Abwärts«, »Die Ratte« und das mit dem Deutschen Drehbuchpreis ausgezeichnete Drehbuch »St. Pauli Nacht« (Regie: Sönke Wortmann). Göhre ist Mitarbeiter bei CULTurMAG (www.culturmag.de).

EINS


Für die einen ist es ein absolut grottiges Teil, Rumpelrock der schrecklichsten Art. Andere finden bestenfalls zwei, drei Tracks akzeptabel, und nur einige wenige fahren voll drauf ab.»Love You Live«, das dritte Livealbum der Rolling Stones, gilt allgemein als eine primär auf Druck der Plattenfirma entstandene Veröffentlichung. Eine»Zwischendurchveröffentlichung«. Es sind Aufnahmen aus den Jahren 1975–1977, Mitschnitte bei Konzerten in London, Paris, Los Angeles und Toronto– achtzehn»laut und klapperig« gespielte Songs,»rau und ungeschliffen«, so die Kritik. Aber: Rau und ungeschliffen– ist nicht geradedas die Qualität derStones? Und laut?

 

I’m simply dying for some thrills and spills
Oh yeah
If you can’t rock me
If you can’t rock me
Ah somebody will

 

If You Can’t Rock Me, aufgenommen in London, 27. Mai 1976,»Love You Live«, Track 3.

 

Chaos, Chaos auf den Straßen. Autos,überall Autos. Auspuffgase. Ein wahnsinniges Gehupe, gellende Trillerpfeifen. Geschrei, Flüche. Staubige Plätze, kaputte Bäume. Graffiti und Parolen auf Hauswänden undöffentlichen Gebäuden. Hammer und Sichel, der Rote Stern.Brigate Rosse. Schmierereien auf antiken Statuen. Das ist Rom Mitte der siebziger Jahre. Lage: 12°30’östlicher Länge, 41°54’ nördlicher Breite. Fläche: 1.507 Quadratkilometer. Zweiundzwanzig innere und fünfunddreißigäußere Stadtviertel. Zirka 2,7 Millionen Einwohner.

 

Kleine Läden. Lederwaren. Koffer und Handtaschen. Uhren und billiger Schmuck. Ramsch. Kleider und Schuhe. Friseurstuben. Voll aufgedrehte Transistorradios:Ti amo, ti amo, singt Umberto Tozzi. Ich liebe dich, Rom, ich liebe und ich hasse dich. Trattorias und Bars. Straßencafés. Palavernde Ragazzi, rauchend und sich am Sack kratzend:»Es gibt keine Gruppe von Jugendlichen, denen man auf der Straße begegnet, die nicht ebenso Kriminelle sein könnten ... Sie können nicht lächeln oder lachen. Sie können nur grinsen oder kichern ...«

 

Eine offene Fleischerei, Hühnerhäute und bleiche Koteletts. Schmutzige, nasse Schlieren auf den Fliesenwänden. Am Straßenrand umgekippte schwarze Plastiksäcke voll Abfälle, stinkender Müll. Büchsen, Scherben und Speisereste. Zerschlissene Gestalten auf Pappkartons liegend. Ein Maronenverkäufer. Heiße Maronen in Fetzen von Seiten alter Telefonbücher gewickelt. Vollgestopfte Busse auf den Routen in die Randbezirke und bis ans Meer:»Die Straße nach Montesacro, deren Asphalt nur noch aus einzelnen schwarzen Flecken im Schotter zwischen Abfällen und Schmutz bestand, folgte dem Lauf des Aniene. Die Böschungsmauer war ebenfalls von Schmutz und Kot bedeckt, vor allem dort, wo die Kloake von der Poliklinik austrat; drüben stieg die andere Betonwand auf, dahinter sah man Häuser und Hütten, Arbeitsschuppen und Barackensiedlungen.«

 

Ein zerfurchter Fußballplatz, mit Maschendrahtzaun von der Straße abgetrennt. Unkrautfelder. Eingetrocknete Scheißhaufen. Leere Flaschen. Ein zerrissener Slip. Fabrikgebäude mit grauen Umrissen als düstere Kulisse. Von daher kommen sie– aus dem Dreck, dem Unrat der Vorstädte. Es sind Dandi, Botola, Bufalo, Fierolocchio, der Schielende und Libanese. Es sind Freddo, Satana, Scrocchiazeppi und die Gebrüder Aldo und Ciro Buffoni. Es sind anfangs konkurrierende Banden, es sind Kleinkriminelle, und sie sind hungrig. Sie kommen aus der Gosse und wollen nach oben, nach ganz oben. Und dabei ist ihnen jedes Mittel recht. Raub, Erpressung, Mord. Sie wollen den Drogenmarkt beherrschen und dann die ganze Stadt in den Griff bekommen. Rom, die Heilige, die Ewige Stadt.– Here we go!

 

Hot Stuff, singt Mike Jagger.Hot stuff, cant’t get enough, hot stuff, play it rough, can’t get enough. Aufgenommen am 6. Juni 1976 im Pavillon de Paris vor 10.000 Leuten,»Love You Live«, Track 5.

 

In Rom weht der Schirokko, die Wolken hängen tief, und die Luft ist drückend. Es ist sch