: Ewald Arenz
: Der Duft von Schokolade
: ars vivendi
: 9783869133249
: 1
: CHF 8.90
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 270
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Für August klingt es wie ein Traum: Als der junge Leutnant 1881 seinen Dienst bei der k. u. k. Armee Österreich-Ungarn quittiert, liegt ein ganzer langer Sommer in seiner Heimatstadt Wien vor ihm. Erst im Herbst soll er bei seinem Onkel, einem Schokoladenfabrikanten, seine neue Stelle antreten. Dann jedoch trifft er die selbstbewusste Elena Palffy, deren Mann erst kurz zuvor unter mysteriösen Umständen verschwunden ist, und die unter dem Verdacht steht, ihn umgebracht zu haben. Mit außergewöhnlichen Schokoladenkreationen wirbt August um sie und gewinnt schließlich ihr Herz. Doch nach einem Brand in der Wiener Oper bleibt Elena spurlos verschwunden ...

Ewald Arenz, geboren 1965 in Nürnberg, studierte Geschichte, amerikanische und englische Philologie. Im ars vivendi verlag erschienen seine erfolgreichen Romane Der Teezauberer (2002), Die Erfindung des Gustav Lichtenberg (2004), Der Duft von Schokolade (2007), Ehrlich und Söhne (2009) und Das Diamantenmädchen (2011) sowie mehrere Bände mit humorvollen Kurzgeschichten. Für sein literarisches Werk wurde er u.a. 2004 mit dem Bayerischen Staatsförderpreis ausgezeichnet.

 

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Im Frühjahr 1881 quittierte der Leutnant August Liebeskind nach fast zehn Jahren den Dienst in der kaiserlichen und königlichen Armee Österreich-Ungarns. Es war ein regnerischer Tag, aber der Himmel war hell, und der Duft von Gras und Sonne lag schon als verwehter Hauch und wie ein Versprechen in der kühlen, grauen Luft, als August den Hof der Stiftskaserne durchquerte. Offiziell war er jetzt schon kein Soldat mehr, aber er grüßte die Wachhabenden am Tor wie gewohnt. Dann trat er auf die Mariahilfer Straße, blieb stehen und lächelte.

Das war alles. Er konnte stehen bleiben und weiter­gehen, wie es ihm gefiel. Es gab keinen Dienst mehr und keine Befehle. Er war frei. Hatte sich der Duft der Luft geändert? Er atmete tief ein und fand, dass sie wirklich anders roch. Sie roch frei. Ein klarer Geruch. Er schob die Mütze ein Stück aus der Stirn, und schon begann die Uniform, sich ein bisschen ungewohnter anzufühlen, so wie damals, als er sie das erste Mal getragen hatte.

Eigentlich war er nicht ungern Soldat gewesen, aber ein Schönwetterleutnant, dachte er, über sich selbst amüsiert, und grüßte noch ein letztes Mal, als ein kleiner Trupp durch das Tor kam und an ihm vorbei nach rechts abbog. Er war nie ein richtiger Soldat geworden. Ein Denker, hatten manche Kameraden spöttisch gemeint, ein Träumer, und dabei doch immer das Gefühl gehabt, dass die Beschreibung nicht traf. Er war nicht versponnen und nicht verträumt. Er war anders. Er konnte befehlen, tat es aber nur selten. Er konnte manchmal überraschend mutig sein, aber er war nie kühn wie die Kameraden. Er war in all den Jahren kein richtiger Soldat geworden.

Manches hatte ihm gefallen. Die Herbstmanöver. Wenn der Himmel über den Feldern hoch und blau war und es nach Rauch vom Kartoffelkraut roch und in den ­Wäldern nach Kastanien. Auch die frostigen Wintermorgen, an denen der Atem der Pferde und Reiter dampfte, das ge­frorene Gras unter den Hufen knisterte und die Sonne so rot aufging wie im Sommer nie. Und in der Kaserne die Stunden, in denen Strategie gegeben wurde. Er mochte das Spiel mit Möglichkeiten, die Präzision, mit der eins aus dem anderen folgte und mit der sich alles berechnen ließ. Strategie war klar und genau, aber nur ein Spiel. Er war froh, dass es in diesen Jahren keinen großen Krieg gegeben hatte, auch wenn er das nie zu den Kameraden gesagt hätte. Er hatte sich nicht nach dem Abenteuer Krieg gesehnt, weil er zu viel Fantasie hatte, die ihm ungewollt ausmalte, wie sich eine Kugel anfühlen musste, wenn sie einschlug, oder ein Bajonett, wenn es traf. Ein Schön­wettersoldat eben.

Diese zehn Jahre Dienst waren eigentlich nur wie eine Fortsetzung der Schule gewesen. Es hatte große und kleine Regeln gegeben, Unangenehmes und Angenehmes und hinter allem immer einen Hauch Gemütlichkeit, der durch die Gewohnheit entstand. Ein Abschnitt, der eben zu durch­leben war.

Aber jetzt, wurde ihm mit einer kleinen Überraschung klar, jetzt war er das erste Mal seit seiner Kindheit ganz und gar frei. Ein langer, leerer Sommer lag vor ihm. Ohne Pflichten und ohne Verbindlichkeiten. Er war sein eigener Herr. Er war frei. Es war ein Schülerglück, das ihn erfüll