DER ROHDIAMANT
ÜberErnani
Anlässlich der Wiederentdeckung von Italo MontemezzisL’amore dei tre re bei den Bregenzer Festspielen 1998 fragte ein Rezensent rhetorisch, wo es in der Opernliteratur einen vergleichbaren Fall gäbe, dass gleich drei Männer dieselbe Frau begehren. Zumindest ein Beispiel für eine»Vierecksgeschichte« lässt sich anführen: Giuseppe Verdisdramma lirico Ernani, uraufgeführt am 9. März 1844. Vielerlei Untersuchungsansätze erlaubt diese Konstellation: etwa den feministischen (»dient« die Frau doch als Projektionsebene für dreierlei maskuline Fantasien, ja als»Schlachtfeld« für deren Rivalitäten) oder den nationalhistorischen (ist nicht– bei Verdi wie bei Montemezzi– in jenem bemitleidenswerten weiblichen Wesen die eine Frau Italia zu sehen, um deren Besitz gestritten wird?). Wir wählen einen dritten analytischen Pfad, der weniger die Frau als die Beziehungen zwischen den drei Männern beleuchtet. Und diese lassen sich unter dem Schlagwort vom Generationenkonflikt subsumieren.
Drei Generationen– eine Liebe
In Montemezzis Bühnenwerk verkörpert der greise, erblindete Archibaldo die alte Generation; sein Sohn Manfredo nimmt den Platz des Sohnes in den besten Jahren (die für eine junge Frau eben oftmals nicht gut genug sind) ein, und Avito jenen des nachrückenden, rebellischen Enkels. Nicht anders verhält es sich in Verdis fast 70 Jahreälterer Oper. Don Ruy Gomez de Silva ist ein betagter spanischer Grande, Don Carlo der eine Generation jüngere spanische König und Ernani der jugendliche Heißsporn, Adeliger von Herkunft und Bandit aus gekränkter Ehre. Montemezzi wie Verdi halten sich getreulich an die hergebrachte Alterscharakteristik der Stimmlagen: Archibaldo und Silva sind Bässe, Manfredo und Carlo Baritone und Avito bzw. Ernani Tenöre. Letzteren gehört selbstverständlich die Liebe der Hauptdarstellerinnen Fiora und Elvira, die– ebenso selbstverständlich– mit Sopranen besetzt sind. (Die ursprüngliche Stimmenverteilung, die Silva als Bariton, Carlo als Tenor und den»bartlosen Jüngling« Ernani als Altistin vorsah, wurde verworfen, da Verdi nicht willens war, eine Hosenrolle zu schreiben; doch auch in diesem Konzept wären die Fach- und somit Altersrelationen unverändert gewesen.)
Der das Stück prägende Konflikt herrscht zwischen den Randgenerationen, sowohl inL’amore dei tre re als auch inErnani, dem wir uns nach voranstehenden Vergleichen nun alleinig zuwenden wollen.
Der Sieg des Großvaters
Luigi Baldacci führt in seinem Artikel»I libretti di Verdi«4 Verdis Vorliebe für die Darstellung von Generationenkonflikten als einen Grund für des Komponisten nationale Beliebtheit an:»Der Gegensatz zwischen Vätern und Söhnen, der alles andere als eine Einladung zur Rebellion ist, spiegelt aus einem realistischen Blickwinkel jene archaischen Strukturen wider, die der italienischen Gesellschaft innewohnen, für welche die Familie letztlich der wahre, einzige Kern des Zusammenlebens war.« Ein Zusammenleben, so müssen wir ergänzen, in dem die Alten die Oberhand bewahrten. So fordert Silva Ernanis Leben als Opfer, und