In der Forensischen Psychiatrie ist die Frage der Schuldbzw. Zurechnungsfähigkeit ein ganz zentrales Thema. Der fachliche Diskurs war allerdings lange Zeit keineswegs von der ärztlichen Profession bestimmt, sondern wurde, wie etwa während der Zeit der Aufklärung, vom rechtsphilosophischen Diskurs der Naturrechtsbewegung dominiert. Deren Doktrin der Abhängigkeit des Ausmaßes an Schuld von einer abgestuften Willensfreiheit fand Eingang in dieConstitutio Criminalis Theresiana (1770). Dort hieß es: „Eines Verbrechens können sich alle und jede ohne Unterschied des Standes und des Geschlechts schuldig machen, welche den Gebrauch ihrer Vernunft und freyen Willen haben; dahingegen sind jene, welche es an einem oder anderen ermangelt, eines Verbrechens unfähig.“
1783 wurde im Zuge der Errichtung des Allgemeinen Krankenhauses in Wien der „Narrenturm“ mit 139 Zellen erbaut. 1806 erfolgte in Österreich erstmals eine medizinische Überprüfung der psychischen Verfassung eines Mörders, und ab 1840 wurde vom Gericht im Zweifel regelmäßig eine gutachterliche Überprüfung der Zurechnungsfähigkeit angeordnet. Anlage und Einrichtung des Narrenturms, ursprünglich als wegweisende psychiatrische Einrichtung angesehen, waren relativ bald der Kritik ausgesetzt, sodass bereits Anfang des 19. Jahrhunderts „nur mehr Tobsüchtige, [...] Gefährliche, Unreine, Unheilbare und zur Flucht Neigende“ dort untergebracht waren (Hausner 1998). Der Narrenturm wurde schließlich Mitte des 19. Jahrhunderts aufgrund der nicht mehr tragbaren Verhältnisse, wohl aber auch aufgrund des entstandenen Platzmangels – eine Folge der im Laufe des 19. Jahrhunderts