: Thomas Stompe
: Vom Wahn zur Tat Wahre Fälle aus der forensischen Psychiatrie
: Residenz Verlag
: 9783701743346
: 1
: CHF 11.70
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: Angewandte Psychologie
: German
: 240
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Das kranke Böse: Warum Schizophrene zu Verbrechern werden. Anders Breivik, Josef Fritzl, die 'Eis-Lady' - sind Täter wie diese 'ganz normal böse' oder sind sie psychisch krank? Ist der Fanatiker zurechnungsfähig, der Wahnkranke nicht? Ist der eine schuldig, der andere unschuldig? Als forensischer Psychiater betreut Thomas Stompe 'geistig abnorme Rechtsbrecher', die nicht mit einem Strafmaß belegt, sondern im 'Maßnahmenvollzug' mit besonderen Sicherheitsvorkehrungen untergebracht werden. Er erzählt faszinierende Fallgeschichten aus seiner Praxis im therapeutischen Umgang mit diesen Menschen: von den Motiven der kranken Täter, ihrem Wahn und ihren Taten, ihrer Behandlung und ihrem Leben 'danach'. ihre Geschichten rufen Befremden, aber auch Mitleid hervor - denn sie sind Menschen wie du und ich.

Prof. Dr. Thomas Stompe, ist Facharzt für Psychiatrie und Neurologie an der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Wien und in der Justizanstalt Göllersdorf, Leiter des Wiener Zirkels für Psychopathologie sowie Präsident der deutschsprachigen Gesellschaft für Kunst und Psychopathologie des Ausdrucks. Zahlreiche Veröffentlichungen auf den Gebieten der Psychopathologie, transkulturellen Psychiatrie und forensischen Psychiatrie. Jürgen Hatzenbichler Jahrgang 1968, studierte Philosophie und Geschichte und war bis 2012 Chefredakteur des Magazins 'Universum'.

2. DIE RECHTLICHEN RAHMENBEDINGUNGEN DES ÖSTERREICHISCHEN MASSNAHMENVOLLZUGS


In der Forensischen Psychiatrie ist die Frage der Schuldbzw. Zurechnungsfähigkeit ein ganz zentrales Thema. Der fachliche Diskurs war allerdings lange Zeit keineswegs von der ärztlichen Profession bestimmt, sondern wurde, wie etwa während der Zeit der Aufklärung, vom rechtsphilosophischen Diskurs der Naturrechtsbewegung dominiert. Deren Doktrin der Abhängigkeit des Ausmaßes an Schuld von einer abgestuften Willensfreiheit fand Eingang in dieConstitutio Criminalis Theresiana (1770). Dort hieß es: „Eines Verbrechens können sich alle und jede ohne Unterschied des Standes und des Geschlechts schuldig machen, welche den Gebrauch ihrer Vernunft und freyen Willen haben; dahingegen sind jene, welche es an einem oder anderen ermangelt, eines Verbrechens unfähig.“

1783 wurde im Zuge der Errichtung des Allgemeinen Krankenhauses in Wien der „Narrenturm“ mit 139 Zellen erbaut. 1806 erfolgte in Österreich erstmals eine medizinische Überprüfung der psychischen Verfassung eines Mörders, und ab 1840 wurde vom Gericht im Zweifel regelmäßig eine gutachterliche Überprüfung der Zurechnungsfähigkeit angeordnet. Anlage und Einrichtung des Narrenturms, ursprünglich als wegweisende psychiatrische Einrichtung angesehen, waren relativ bald der Kritik ausgesetzt, sodass bereits Anfang des 19. Jahrhunderts „nur mehr Tobsüchtige, [...] Gefährliche, Unreine, Unheilbare und zur Flucht Neigende“ dort untergebracht waren (Hausner 1998). Der Narrenturm wurde schließlich Mitte des 19. Jahrhunderts aufgrund der nicht mehr tragbaren Verhältnisse, wohl aber auch aufgrund des entstandenen Platzmangels – eine Folge der im Laufe des 19. Jahrhunderts