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Gestern erst hier angekommen, kaum den Koffer ausgepackt, das Bett bezogen, das Bad in Besitz genommen, mich aus dem Fenster gelehnt, mich am Ausblick erfreut, eine Nacht verbracht, geschlafen trotz des Lärms, gut geschlafen; gestern erst das Atelier in Augenschein genommen, voll Hoffnung und Zuversicht gewesen und heute schon ein Anruf. Ich hätte ihn überhören können, hätte nicht da sein müssen, war ja auch gerade am Weggehen, war aber eben noch nicht weg. Wenn ich doch schon weg gewesen wäre, vielleicht hätte sie mich auch das nächste Mal nicht erreicht. Da wäre ich im Bad gewesen, unter der Dusche, oder im Bett, tief im Schlaf, oder ich hätte mir vorgenommen, keinen Anruf entgegenzunehmen. Aber das habe ich noch nie ausgehalten. Natürlich würde ich den Hörer abnehmen, es könnte ja mein Agent sein oder ein Galerist. Eigentlich interessierten mich nur Ausstellungsmacher. Ich hatte vor, hier in Rom keinerlei private Kontakte zu pflegen, keine Zeit mit persönlichen Dingen zu verschwenden. Habe deshalb niemandem meine Telefon-Nummer gegeben. Doch meine Schwester, sie hat sie herausgefunden.
So schnell läßt man nicht alles stehen und liegen, was stellt sie sich vor! Wer weiß, wann ich wieder nach Rom komme, ob ich je wieder Gelegenheit haben werde, ob ich jemals wieder ein Stipendium erhalte. Ich bin hier, um zu malen, ich bin eine Künstlerin, sagte ich zu meiner Schwester. Wenn du das noch nicht wissen solltest, ich bin in Rom, um Anregungen für meine Bilder zu bekommen, ich bitte dich, nimm das zur Kenntnis. Am Ende muß ich etwas vorlegen können, meine Geldgeber verlangen von mir etwas Vorzeigbares, eine Ausstellung meiner neuen, während meines Aufenthalts in Rom geschaffenen Arbeiten ist vorzubereiten, Werke, die ich erst schaffen muß. Meine Arbeit duldet keine Unterbrechung; denn wer nach Rom kommt und sich einbildet, Form zu haben, der wird, wenn er einsichtig ist, bald finden, daß er von n