: Alfred Döblin
: Die beiden Freundinnen und ihr Giftmord Fischer Klassik PLUS
: S. Fischer Verlag GmbH
: 9783104024851
: 1
: CHF 9.00
:
: Hauptwerk vor 1945
: German
: 160
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Döblins legendäre Giftmordgeschichte Eine junge Frau ermordet gemeinsam mit ihrer Freundin den Ehemann. Was hat sie dazu getrieben? Welche Symbiosen verbergen sich hinter der Tat? Eindringlich erzählt Alfred Döblin von einem der berühmtesten Kriminalfälle der Weimarer Republik und verwandelt dabei die wahre Geschichte des Giftmords in einen radikal offenen, literarischen Text, dessen Skepsis sich nicht nur gegen die Urteile von Justiz und Presse, sondern auch gegen das eigene Erzählen richtet. Mit einem Nachwort von Hania Siebenpfeiffer.

Alfred Döblin, 1878 in Stettin geboren, arbeitete zunächst als Assistenzarzt und eröffnete 1911 in Berlin eine eigene Praxis. Döblins erster großer Roman erschien im Jahr 1915/16 bei S. Fischer. Sein größter Erfolg war der 1929 ebenfalls bei S. Fischer publizierte Roman ?Berlin Alexanderplatz?. 1933 emigrierte Döblin nach Frankreich und schließlich in die USA. Nach 1945 lebte er zunächst wieder in Deutschland, zog dann aber 1953 mit seiner Familie nach Paris. Alfred Döblin starb am 26. Juni 1957.

Die hübsche blonde Elli Link kam1918 nach Berlin. Sie war19 Jahre alt. Vorher hatte sie in Braunschweig, wo ihre Eltern Tischlersleute waren, angefangen zu frisieren. Es passierte ihr ein kleiner Bubenstreich: sie nahm einer Kundin fünf Mark aus dem Portemonnaie. Ging dann auf einige Wochen in eine Munitionsfabrik, lernte in Wriezen aus. War leicht und lebenslustig; es heißt, daß sie in Wriezen nicht asketisch lebte und Sinn für Kneipgelage hatte.

Sie kam nach Berlin-Friedrichsfelde. Der Friseur, bei dem sie arbeitete, fand sie fleißig, ehrlich, von sehr gutem Charakter. Er behielt sie bis zu ihrer Verheiratung, ein einviertel Jahr. Daß sie lebenslustig war, entging ihm auch nicht. Bei den Ausgängen mit einer ihrer Kundinnen begegnete sie November 19 dem jungen Tischler Link.

*

Elli hatte eine besondere, wenn auch nicht seltene Art. Sie war harmlos frisch, von der Munterkeit eines Kanarienvogels, wie ein Kind lustig. Männer anzulocken, machte ihr Vergnügen. Vielleicht gab sie sich dem und jenem hin: das war Neugierde, Freude, den anderen, das Männchen zu beobachten, dann kameradschaftliches Herumbalgen, das Spaß machte. Sie wunderte sich und fand es lustig, aber komisch, wie wichtig die Männer das nahmen, wie sie sich aufregten. Sie liefen an, man quirlte sie herum, schickte sie weg. Da kam dieser junge Tischler Link.

Er war ernst und beharrlich. Er redete von politischen Dingen, die sie nicht verstand, war leidenschaftlicher Kommunist. Er hängte sich an sie. Sie hatte solchen blonden Wuschelkopf, gesunde volle Backen, blickte so vergnügt in die Welt. Sie konnte so übermütig sein, daß ihm das Herz aufging. Er wollte sie zur Frau. Die wollte er neben sich haben.

Das war ihr gar nicht komisch. Link fiel aus dem Rahmen der Männer, die sie sonst kannte. Er hatte den Beruf ihres Vaters; sie kannte die Arbeitsdinge, von denen er erzählte. Das beschränkte sie etwas in ihrer Art sich zu geben. Sie konnte nicht mit ihm umspringen wie mit den anderen Männern. Es ehrte und beglückte sie, daß dieser Mann um sie warb; sie war in ihrem Familienniveau. Aber sie mußte sich auch ändern; er legte seine Hand auf sie.

Sie berichtete tastend nach Hause: sie habe eine gute und feste Stelle und der Tischler Link, ein fleißiger Arbeiter mit schönem Einkommen bemühe sich um sie. Sie ließ sich von Haus dafür loben. Vater und Mutter freuten sich. Und Elli, wie sie alles überdachte, merkte selbst etwas Angenehmes in sich. Sie war ihm eigentlich ganz gut. Er hatte vor, sie zu versorgen; sie sollte eine eigene Wirtschaft führen. Es kam ihr vor: eine Ehe ist etwas furchtbar Drolliges, aber Nettes; er will mich versorgen und freut sich darüber. Sie war ihm eigentlich recht gut. Von gelegentlichen heimlichen Seitensprüngen ließ sie auch jetzt nicht.

Link war ihr ganz verfallen. Sie merkte es, je länger sie zusammen waren. Zuerst achtete sie nicht darauf. Männer waren immer so. – Aber dann war es unbequem. Es war auch so stark bei ihm und dann immer gleichmäßig. Und ganz leise stieg etwas in ihr auf: ganz leise verdachte sie ihm dies Wesen. Link hinderte sie, den Faden weiter zu spinnen, den sie angefaßt hatte: er wäre ein ernster Mann, von der Art ihres Vaters, sie wollten eine Familie gründen. Nun sank er auf die Stufe ihrer früheren Liebhaber. Nein tiefer, weil er so an ihr hing, so schrecklich aufdringlich an ihr festhielt. Zu ihrem Ärger, ihrem Schmerz bemerkte sie, mit dem konnte man ja umspringen. Er fo