: Maria von Welser
: Zurück zur Zuversicht Als das Leben vor meinen Augen verschwand
: hey! publishing
: 9783942822459
: 1
: CHF 3.60
:
: Biographien, Autobiographien
: German
: 118
: kein Kopierschutz/DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB/PDF
Die Journalistin Maria von Welser berichtet von ihrer tragischen Krankheit: 'Meine Augenlider machten nicht mehr das, was ich wollte, sie schlossen sich wie in einem Krampf. Oft so lange, dass ich zeitweilig wie blind durchs Leben tappte. Ich war der Verzweiflung nahe. Das Leben schien mir nichts mehr wert. Mein Beruf, den ich liebe, nicht mehr ausführbar. Dieser Alptraum dauerte genau 11 Monate und 11 Tage. Denn fand ich endlich einen Arzt, der mir sagen konnte, an was ich wirklich leide: Blepharospasmus, eine Form der Dystonie. Wie mir geht es Millionen Menschen überall. Ihnen möchte ich mit diesem Buch helfen.'

Maria von Welser ist Fernsehjournalistin, Publizistin und erfolgreiche Buchautorin, die für ihre Arbeit vielfach ausgezeichnet wurde. Bekannt wurde sie 1988 als Redakteurin und Moderatorin des Frauenjournals ML - Mona Lisa, das sie fast zehn Jahre lang leitete und moderierte. 2001 ging sie als Leiterin des ZDF-Auslandsstudios nach London, von 2003 bis 2010 war sie Direktorin des NDR Landesfunkhauses Hamburg. Maria von Welser engagiert sich im Hochschulrat der Universität Hamburg und bei UNICEF Deutschland, deren stellvertretende Vorsitzende sie seit 2008 ist. www.mariavonwelser.de

1. Kapitel: WIE ALLES BEGANN

Klick– und nochmal: klick. Mit dem vertrauten Diddeldi-Diddeldum schließt sich der Bildschirm. Es ist Freitag, 17 Uhr. In mein Büro auf dem Lerchenberg leuchtet die untergehende Sonne. Davor auf der Wiese tollen schon den ganzen Tag vier kleine Kaninchen herum. Ich freue mich auf das Wochenende, auf die Heimfahrt nach München. Wenn ich Glück habe, brauche ich nur vier Stunden. Hoffentlich.

Auf dem Lerchenberg, dem Hauptsitz des ZDF in Mainz, ist schon friedvolle Ruhe eingekehrt; die Parkplätze gelichtet, und wer einem noch begegnet, grüßt freundlich und wünscht ein schönes Wochenende.

Der BMW rollt an Alzey vorbei, den Rhein flussaufwärts. Ich höre Richard WagnersTannhäuser.

Als meine Augenlider nach dreißig Minuten Fahrt zu blinzeln beginnen, schiebe ich es auf die Sonne. Also: Sonnenbrille auf die Nase. Aber: Es wird nicht besser. Die Abstände zwischen Augen auf– Augen zu erscheinen mir gefährlich lange. Ich fahre auf den Parkplatz, lege eine kleine Pause ein. Bin ich müde?

Eigentlich gibt es keinen Grund dafür. Die Woche war wie immer: Sitzungen, Filmabnahmen für das Ombudsmagazin»Mit mir nicht!– Welsers Fälle«, dann das Einlesen in die Themen der Sendung, Moderationen schreiben, die Fragekarten vorformulieren für die Gesprächsrunden im Studio. KurzeÜberlegung: Was ziehe ich an? Nichts Dunkles, das wirkt nicht vor der Kamera, und möglichst keine kleinen Muster, die flirren. Alles gewohnte Routine. Nach fast zehn Jahren und 430 Sendungen»ML– Mona Lisa« und den inzwischen drei Jahren und 50 Sendungen Ombudsmagazin. Ein Programm, das mir immer mehr ans Herz gewachsen ist. Vor allem auch die Kolleginnen und Kollegen, die so fröhlich, schwungvoll und mit ungebrochenem Engagement an der Sendung arbeiten. Dazu Hunderte von Menschen, die uns anrufen, schreiben, motivieren. Sich bedanken, dass wir uns für sie und ihren Kummer,Ärger einsetzen.

Also aus meiner Sicht: kein Grund für Erschöpfung oder gar Müdigkeit. Ich fahre weiter, will ja nach Hause. Es ist Spätsommer, vielleicht können mein Mann und ich noch ein wenig auf der Terrasse im Garten sitzen. Das fehlt mir unter der Woche. Denn da lebe ich von Montag bis Freitag in Wiesbaden-Freudenberg. In einer sehr gemütlichen Zweizimmerwohnung. Aber: allein, ohne meinen Mann. Und ohne meinen roten Berg-Kater Pedro. So kreisen meine Gedanken beim Fahren rund um meine Familie

Komisch: Es hört nicht auf mit dem Blinzeln. Obwohl jetzt schon längst die Sonne untergegangen ist. Ich muss wieder anhalten und noch einmal nach nur zwanzig Minuten. Ein wenig schmerzt die Halswirbelsäule. Das kann jetzt aber auch vom Autofahren kommen In einer Stunde werde ich sicherzumindest am Stadtrand von München sein. Hoffe ich. Doch so schnell geht es dann nicht. Es ist halt Freitagabendverkehr. Und je südlicher ich komme, desto dichter rollen die Schlangen zweispurigüber die Autobahn. Inzwischen habe ich Eros Ramazotti eingelegt. Tannhäusers Liebeskummer hat mich doch ein wenig bedrückt. Vielleicht wirkt Eros' Stimme zweifach: gegen den Verkehrsfrust und gegen das Blinzeln.

Zu Hause– endlich. Als hätte er's gespürt, kommt mein Mann mir entgegen. Kater Pedro dagegen, der seit 16 Jahren mein Gefährte ist, hält es eher umgekehrt: Wenn er mich nach dieser Woche Absenz erblickt, macht er auf der Pfote kehrt und versteckt sich erst mal im Garten.

Macht nichts. Spätestens heute Nacht, wenn mein Mann eingeschlafen ist, kommt er zu mir und schleicht sich wie schon zu seinen Baby-Zeiten zwischen das Kopfkissen und das Kopfteil des Bettes. Da fühlt er sich wohl, versteckt sein Köpfchen dann in meinen Haaren. Vielleicht seine Erinnerungen an den Bergbauernhof auf der Hohen Salve in Tirol, wo ich ihn im Alter von vier Wochen vor einem Katzen mordenden Bauern gerettet habe:»Vor dem Winter müssen die weg…«

Jeder, der nur die Wochenenden zu Hause verbringen kann, kennt dieses wunderbare Freitagsgefühl: vor sich eine schier endlose Zeit (bis Sonntagabend…), wieder daheim in der vertrauten Umgebung, mit den geliebten Menschen. Die ja ihrerseits liebevoll auf die Heimkehrerin zugehen. Probleme, Kummer, Sorgen– das bleibt außen vor. Auf beiden Seiten. Man will ja nicht die kurze Zeit stimmungsmäßig belasten.

Dennoch erzähle ich später– nicht mehr auf der Terrasse, es war dann doch zu kühl– meinem Mann von meinem Blinzeln und Blinkern. Von den Fahrpausen, die ich ungewohnterweise einlegen musste auf der Fahrt nach Hause. Mein Mann, im Berufsleben Pilot, weiß auch sofort des Rätsels Lösung:»Wahrscheinlich kommt irgendwie Abgas in den Innenraum deines Autos; das sind die klassischen Reaktionen, ich kenne das vom Fliegen…

Nächste Woche will er mit mir nach Wiesbaden fahren. Einen Abgastest machen lassen, dann wird sich alles klären. Ich bin beruhigt.

Aber eine Woche später in Wiesbaden schütteln d