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Das Telefon klingelte anhaltend. Kira brauchte einen Moment, um zu sich zu kommen.
„Meixner“ meldete sie sich mit verschlafener Stimme.
„Hallo Kira, hier ist Liane. Bist du krank? Du klingst so komisch.“
„Nein.“ Kira seufzte.„Ich bin kerngesund. Aber dieses Mistwetter hier schläfert mich regelrecht ein. Ich bin beim Lesen in einen Tiefschlaf gefallen.“ Sie war jetzt hellwach.„Bist du mal wieder in München?“
„Gott bewahre! Im Februar zieht mich nun wirklich nichts in eure schöne Stadt. Ich bin in meinem Haus auf Mallorca. Wir haben hier wunderbares Wetter, 20 Grad im Schatten und die Mandelbäume beginnen bereits zu blühen.“ Kira fröstelte.„Ich beneide dich. Hier ist es seit Monaten kalt und trüb. Ich hasse dieses Wetter.“
„Warum kommst du nicht mit Hannes für ein oder zwei Wochen her? Mein Haus ist, wie du weißt, groß genug. Ich würde mich wirklich sehr freuen.“
„Eine wunderbare Idee!“ Kira war begeistert.„Ich werde das gleich mit Hannes besprechen. Sobald ich ihn erreicht habe, rufe ich dich zurück.“
Kira und Liane waren zusammen in die Schule gegangen und jahrelang eng befreundet gewesen. Dann hatte Liane einen Hamburger Kaufmann geheiratet und war für eine Weile aus Kiras Leben verschwunden. Ein paar Jahre später tauchte sie wieder in München auf.„Ich bin erfolgreich geschieden“, erzählte sie ihrer alten Freundin strahlend.„Dafür habe ich jetzt ein Traumhaus auf Malle und eineäußerst zufriedenstellende monatliche Apanage. Und einen tollen Liebhaber habe ich auch.“ Die Liebhaber kamen und gingen in Lianes Leben, aber der Kontakt zu Kira blieb bestehen.
„Kann ich meinen Mann sprechen?“ Kira hatte direkt nach dem Gespräch mit Liane versucht, Hannes in seinem Büro zu erreichen.
„Ihr Mann ist leider außer Haus. Er wollte noch etwas erledigen.“ Die Stimme der Sekretärin klang unbeteiligt.„Er kommt auch nicht mehr herein. Für den Rest des Nachmittags hat er mir freigegeben.“‚Merkwürdig’ dachte Kira‚davon hat er mir gar nichts gesagt.’ Aber schon wieder klingelte das Telefon. Ihre Mutter war dran.
„Kirachen, ich muss dir etwas erzählen ...“ In epischer Breite berichtete sie ihrer Tochter, was sie die letzten Tage alles erlebt hatte, sodass Kira vergaß, weiterüber Hannes nachzudenken.
„Mama, wir blockieren die Leitung“, versuchte sie nach einer Weile den Redefluss ihrer Mutter zu bremsen.„Liane hat uns nach Mallorca eingeladen und ich wollte gerade versuchen, Hannes zu erreichen, um das mit ihm zu besprechen.“
„Hat das nicht Zeit, bis er nach Hause kommt?“ Inge Cardow war leicht verstimmt.„Ich hab dir noch so viel zu erzählen.“
„Später Mama. Ich rufe dich zurück.“ Kira hängte ein und wählte erneut Hannes Nummer, doch sie konnte ihn nicht erreichen und sein Handy war abgestellt. Nur die Mailbox bat freundlich um eine Nachricht. Nach ein paar Versuchen gab Kira es auf. Sie machte sich einen Tee und begann wieder zu lesen.
Es war fast acht Uhr, als Hannes nach Hause kam.„Wo warst du denn bloß solange“, fragte Kira erstaunt.„Ich warte schon seit einer Stunde mit dem Abendessen auf dich. Und ich habe mehrmals versucht, dich zu erreichen, aber im Büro warst du nicht und dein Handy war abgestellt.“ Ihre Stimme klang jetzt ein wenigärgerlich.„Ich habe einen neuen Kunden getroffen“, sagte er.„Er wollte mich gar nicht gehen lassen. Du weißt doch, wie so was ist. Und was gibt esüberhaupt so Wichtiges?“
Kira hatte keine Ahnung‚ wie‚sowas ist’, das hörte sie heute zum ersten Mal von ihrem Mann. Aber im Moment interessierte es sie auch nicht.
„Liane hat angerufen“, sagte sie aufgeregt.„Sie ist in Malle und hat uns eingeladen sie zu besuchen. Was hältst du davon?“ Sie sah ihren Mann gespannt an.„Es ist dort ein Traumwetter, 20 Grad ... Wenn ich nur daran denke, wird mir warm.“ Hannes schüttelte den Kopf.„Ganz unmöglich! Ich kann hier nicht weg.“
„Wieso kannst du nicht weg? Seit Wochen meckerst duüber das Sauwetter hier. Was ist los mit dir?“ Sie war maßlos enttäuscht.
„Ich habe im Geschäft wahnsinnig viel zu tun ... der neue Kunde ...“
Kira lachte jetzt schallend.„Sag mal, willst du mich auf den Arm nehmen? Das ist ja ganz was Neues. Deine Firma läuft doch seit Jahren quasi wie von selbst.“
„Die Zeiten haben sich eben geändert.“ Sein Ton nahm an Schärfe zu und trieb Kira die Tränen in die Augen.„Ich hatte mich schon so gefreut ... kannst du nicht doch ...?“
„Warum fliegst du nicht allein?“ Hannes Stimme klang jetzt etwas versöhnlicher.„Mit Liane, dem verrückten Huhn, wirst du dich bestimmt nicht langweilen.“
„Ja, du hast Recht. Liane und ich werden auch ohne dich unseren Spaß haben. Gleich morgen früh versuche ich, einen Flug zu buchen.“ Dennoch war Kira verstimmt