: Nina George, Angela Eßer, Roger M. Fiedler, Romy Fölck, Nicola Förg, Edgar Franzmann, Peter Godazgar
: Zügig ins Jenseits Mörderische Geschichten für Bahnfahrer
: Grafit Verlag
: 9783894258832
: 1
: CHF 8.10
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 158
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Mord in vollen Zügen - die etwas andere Reiselektüre. 'Die Bahn macht mobil' und die Bahn ist ein nicht mehr wegzudenkendes Fortbewegungsmittel. Doch vielen Bahnfahrern mag schon mal ein mörderischer Gedanke während der Fahrt gekommen sein. Und zwar nicht nur, weil 'außergewöhnlich hohes Betriebsaufkommen' für Verspätung sorgt, weil die Klimaanlage ausfällt oder ein Schaffner seinen ganzen Charme auspackt. Auch Mitreisende wie grölende Fußballfans, pathologische Besserwisser oder picknickende Großfamilien sorgen für Verdruss. Und was für Gedanken wohl die Bahnangestellten hegen, die sich tagtäglich mit uns Kunden auseinandersetzen müssen? Um dies herauszufinden, haben sich fünfzehn versierte KrimiautorInnen auf die Reise begeben. Folgen Sie Angela Eßer, Roger M. Fiedler, Romy Fölck, Nicola Förg, Edgar Franzmann, Nina George, Ralph Gerstenberg, Peter Godazgar, Stephan Hähnel, Kathrin Heinrichs, Michael Herzig, Tatjana Kruse, Jutta Profijt, Niklaus Schmid und Ella Theiss auf das Schienennetz kurzweiliger Reiselektüre. Und was die Sammlung ganz besonders macht: Nicht alles ist böse, die Geschichte von Alexandra Trudslev erzählt von der Liebe - ausgezeichnet mit dem Literaturpreis Ruhr (Förderpreis).

Wussten Sie schon, dass …

 

… der Hamburger Verkehrsverbund HVV täglich mehr als 2,3 Mio. Menschen auf über 680 Linien transportiert?

 

 

 

 

U-Bahn Hamburg

Nina George

16 : 52 Uhr ab St. Pauli

Wolf

16 : 52 Uhr, Haltestelle St. Pauli

Das Leben war also vorbei.

Tom Wolf sah aus dem Fenster, als die U3 in die Röhre hineinschoss. Wie eine Schlange, die sich in ihr Nest ringelt, dachte er.

Wie eine Kugel, die durch einen Lauf schießt. Wie …

Er saß in der Hamburger ›gelben Linie‹, U3, zweiter Wagen, Mittelgang. Kurz vor 17 : 00 Uhr. Feierabend, Pendlerverkehr; auf Pauli machte sich der Kiez bereit. Für die Nachtschwärmer, für die Nutten, für die Rastlosen. Der Winter kam nass und grau.

Wolfs Gedanken kehrten zu der Abschiedszeremonie zurück. Vierzig Jahre gemeinsames Leben. Die meisten hatten ihn nicht gemocht.

Die Tanzmädchen, die Barschlampen, die Bühnenvögel hatten dramatisch getan: »Och, Wulfilein, wer soll an der Tür stehen, wenn nicht du?«, die Barkeeper, die Securityschränke, jovial. »Na, Wolf, jetzt erst mal schön Ferien, wirst sehen, hast bald Rentnerstress vom Daueramüsieren.«

Aber keinen hatte es wirklich gejuckt, dass er als Portier, als Koberer des NachtklubsBel Ami aufhörte. Aufhören musste.

Sie hatten seinen Ausstands-Helbing weggetrunken, der Chef, dieser Bube, hatte ihm die Schultern getätschelt. Wolfs Nachfolger stand schon an der Tür und quatschte Leute rein. Der würde sich nie hinsetzen müssen, so wie der aussah.

Jung. Beine gleich lang. Einen Herzschlag wie ein Duracellhase. Wie ein Rennpferd. Wie …

Wolfs Augen scannten das Abteil. Wollten sich festhalten, an einem Lächeln, einem ermunternden Blick. An irgendetwas.

Doch die Einzige, die ihn musterte, war eine alte Frau, die sich krampfhaft im Gang an eine der Haltestangen klammerte.

Annalisa

16 : 53 Uhr, Haltestelle Feldstraße

Die Welt wird leiser, wenn man alt wird. Einige behaupten, man will sie nicht mehr hören, aber Annalisa wusste es besser.

Die Welt verlor ihre Farben und ihren Ton. So wie jetzt, wo dieJingle Bells und all die seligen Kinderchöre vom Winterdom bruchstückhaft zu ihr durchdrangen, als sich die Türen an der Feldstraße, direkt unterm Heiliggeistfeld, zischend öffneten.

Was sie aber klar hörte und deutlich sah, war dieser Junge, der Kaugummi kaute und mit seinem Handy spielte. Er lehnte im Eingang, war auf St. Pauli zugestiegen, und man wusste ja, was da alles so unterwegs war!

Annalisa dimmte die Obertöne in ihrem Hörgerät und griff fester nach ihrer Handtasche. Sie war unterwegs zur Sparkasse, um die laufenden Kosten einzuzahlen. In bar. Mit gutem, ehrlichem Geld. Es war ihr Ritual, vorher mit der U3 bis zum Rathaus zu fahren, um unter den Arkaden Kuchen zu essen. Jetzt, zur Vorweihnachtszeit, gab es Christstollen und Zimtkakao mit ordentlich Amaretto, aber dem echten. An den Weihnachtsmarktständen drückten sich die Angestellten herum, unten kalte Füße, oben heiße Weinfahne. In den U-Bahnen und Bussen roch es nach rotem Fusel mit Nelk