ZWEITES KAPITEL:
DAS DOPPELGESICHT VON LOS ALAMOS
1.
Mein weiterer Weg hat mich dorthin geführt, wo der Schatten sich formte, der seither über unser aller Leben liegt: nach Los Alamos in New Mexico, der Ort, in dem sie die ersten Atombomben entwarfen und zusammenbauten. Gerade hier, so hatte ich zu meiner Überraschung gehört, erforsche man nun die Wirkungen der Sonnenstrahlung.
Ende 1945 hieß es, diese im Krieg vom Militär hastig improvisierte Geheimsiedlung auf einem flachen Tafelberg unweit von Santa Fe werde aufgelassen. Aber als ich 1949 zum ersten Mal dort war, sprach schon niemand mehr von solchen Plänen, die noch vom ersten Schock über die Massenvernichtung in Hiroshima und Nagasaki beeinflußt gewesen waren. Und 1955, als ich den „Ort über dem Geheim steht“ – so hatte ich die Eindrücke über meine erste Visite in der festungsähnlichen Siedlung beschrieben – wiederbesuchte, war aus dem Kriegsprovisorium längst die Hochburg noch monströserer Waffen geworden, die in zahlreichen neuerrichteten Labors entworfen und zum Teil auch in den tiefen umliegenden Canyons erprobt wurden.
Heute ist Los Alamos eine Stadt mit über 20.000 Einwohnern, die gerne als „Gemeinde wie alle anderen“ gelten möchte. Die Kontrollstellen an den Zufahrtsstraßen sind 1957 abgeschafft worden, die Wohn- und Geschäftsviertel stehen nun jedermann offen, ja man rechnet sogar mit möglichst zahlreichen Touristen, die im lokalen Museum Photos, Dokumente, Reliquien und Modelle aus den historischen Jahren besichtigen dürfen, da der „Hügel“ aus Geheimhaltungsgründen nicht einmal den Namen „Project“ tragen durfte und nur unter der Sammeladresse Post Box 1663 erreicht werden konnte.
Das eigentliche „Lab“, das von 1943 bis 1945 noch mit einer einzigen „Technical Area“ auskam und sich inzwischen auf mindestens dreißig Versuchsstätten vergrößerte, ist eher noch stärker abgesichert als in den Kriegsjahren. Zwei Drittel aller Nuklearwaffen des amerikanischen Arsenals sind auf diesen durch tief einschneiden