: Karl Heinz Ritschel
: Legende Venedig Porträt einer Stadt
: Otto Müller Verlag
: 9783701360666
: 1
: CHF 14.50
:
: Erzählende Literatur
: German
: 288
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Venedig, die Stadt zahlreicher Legenden und Geschichten, amourös und abenteuerlich - Karl Heinz Ritschel erzählt in diesem Wegbegleiter vom Leben in den engen Gassen der anmutigen und bezaubernden Lagunenstadt. Der Reiz an Venedig liegt in seinen Legenden und Geschichten, von denen Karl Heinz Ritschel in unterhaltsamer Weise berichtet und somit ein unvergessliches Porträt der 'Serenissima' zeichnet. Kaum eine andere Stadt wurde mehr gerühmt und bewundert wie Venedig, und schon etliche prominente Verehrer ließen sich zu schwärmerischen Liebeserklärungen hinreißen. Seinen Zauber verdankt Venedig seiner Lage, seiner Architektur und Kunst, seinen Menschen und seiner Fülle an heiteren, amourösen und abenteuerlichen Legenden. Von diesen Legenden und Geschichten erzählt Karl Heinz Ritschel, und es sind die kleinen Details am Rande, die gleich einem Mosaik zusammengesetzt ein stimmungsvolles Bild von Venedig zeichnen. So wird beispielsweise darüber berichtet, wie der Leichnam des Hl. Markus aus einem ägyptischen Kloster nach Venedig gebracht wurde - allerdings unter einigen Lagen Speck, um ihn vor dem Zugriff der muslimischen Hafenkontrolle zu bewahren -, oder über einen dem Alkohol verfallenen Fischer, der unmittelbar nach dem Zusammensturz des Campanile im Jahr 1902 in den Hafen einfuhr, und als er die Turmspitze nicht mehr sah, sich als Opfer seiner Trinksucht glaubte und wahnsinnig wurde. Ein Gang durch die Geschichte, ein Blick auf die Speisekarte, zu Besuch auf Festen, aber auch die Probleme mit den Hochwässern und wie Venedig gerettet wird - das und vieles mehr sind Themen, die der Autor auf unterhaltsame Weise erzählt. Mit vielen praktischen Hinweisen und reizvollen Bildern ist dieses Buch für jeden Venedigkenner und solchen, die es noch werden wollen, ein Genuss.

Karl Heinz Ritschel Prof., Dr. phil., geb. 1930 in Oberaltstadt im Riesengebirge, lebt seit vierzig Jahren in Salzburg; von 1964 bis 1995 Chefredakteur der Salzburger Nachrichten; Schriftsteller und Autor zahlreicher Bücher. Mitglied des P.E.N.-Clubs. Viele Preise, Ehrungen und Auszeichnungen.

Jeder Schritt führt in ein Abenteuer

DIE STADT

Diese Gondel vergleich ich der Wiege, sie
schaukelt gefällig,

Und das Kästchen darauf scheint ein
geräumiger Sarg.

Recht so! Zwischen der Wiege und dem Sarg
wir schaukeln und schweben

Auf dem grossen Kanal sorglos durchs Leben
dahin.

Goethe, Venezianische Epigramme

Es war Juli, und es war zwei Uhr nachts. Oder morgens, je nachdem, wie man die Zeit betrachtet. Für mich war es nachts, denn ich war noch auf dem Heimweg. Auf dem Weg vom Markusplatz in mein Hotel. Eine schwüle Nacht. Hitze lag über den Laguneninseln, nicht die leiseste Brise wehte vom Meer herein. Der Heimweg hatte sich, wie an allen Tagen, die ich in Venedig verbringen konnte, verzögert. Allzu lebhaft ist die Stadt zu nächtlicher Stunde, zu viele Menschen sind unterwegs; gleichsam wie Motten vom Licht angezogen werden, so tauchen sie auf. Und die kleinen Bars waren stets Zwischenstationen für mich, wo ich gewiß sein konnte, Nacht für Nacht dieselben Menschen zu treffen. Ich hatte zwei Methoden, meinen Heimweg anzutreten: Die eine führte dieselben Gassen entlang, treppauf, treppab über die kleinen Brücken, die die Kanäle überwinden, durch Höfe und unter Bögen hinweg und durch Gassen, die schließlich immer enger werden, so daß der Passant mit seinen Schultern den Hausverputz abscheuern müßte, gäbe es so etwas überhaupt noch. Die andere Methode barg das größere Abenteuer in sich: Es war der Versuch, ungefähr die Richtung zu erraten und nach dem Stadtplan zu marschieren. Der Wanderer ist erstaunt, denn er gerät in ein Labyrinth, kommt zu den verschiedensten Winkeln, nur niemals geradewegs zu dem Ziel, das er angepeilt hat. Das geht aber, wie ich mir glaubhaft versichern ließ, dem Venezianer genauso. Auch er verläuft sich unentwegt, wenn er ein ihm nur ungefähr bekanntes Ziel anstrebt. Das mag dazu beitragen, daß das venezianische Volk gehfaul ist. Obwohl die Stadt ja doch verhältnismäßig klein ist, sitzt „man“ in immer denselben Lokalen, man bleibt in seinem Sestiere, im Stadtbezirk. Man stammt aus einem der insgesamt sechs Stadtbezirke, San Marco, Cannaregio, Castello, Dorsoduro, Santa Croce oder San Polo, und dann erst aus Venezia. Wer diesen Unterschied nicht begreift, dem bleibt Venedig fremd.

Höflich und freundlich wird der Venezianer stets Auskunft geben – dem Fremden, dem Ausländer oder auch dem Mitbürger eines anderen Stadtteiles. Fast immer aber wird diese Auskunft in dem einen Satz bestehen: „Lei vada sempre dritto!“ Gehen Sie immer geradeaus. In neun von zehn Fällen wür