: Andrea Sixt, Barbara Wilde
: Der transparente Mann Roman
: hey! publishing
: 9783942822183
: 1
: CHF 3.60
:
: Erzählende Literatur
: German
: 254
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Eine schwungvolle Beziehungskomödie mit frechen Sprüchen und viel Herz Die eigenwillige Johanna arbeitet erfolgreich als Installateurin auf einer Baustelle. Das verrät sie aber nicht, als sie den schöngeistigen Galeristen Konstantin kennen lernt: Weil sie das Gefühl hat, dass Konstantin mit der Handwerkerzunft nicht allzu viel anzufangen weiß, gibt sie sich als Architekturstudentin aus. Als die Lüge auffliegt, stellt sich heraus, dass Johanna sich die Mühe umsonst gemacht hat, denn Konstantin hat absolut kein Problem mit ihrem Beruf. Sie kann ja auch nicht ahnen, dass Konstantin ebenfalls ein sorgfältig gehütetes Geheimnis mit sich herumträgt ...

Andrea Sixt ist in Regensburg geboren und aufgewachsen. Nach einem technischen Studium in München mit dem Abschluss als Diplomingenieurin arbeitete sie als geschäftsführende Gesellschafterin in einem Unternehmen für Haustechnik. Seit 1995 hat sie als freie Autorin eine Reihe von Drehbüchern geschrieben, darunter den Kinoerfolg"Workaholic' und 'Eine ganz heiße Nummer'. Foto: (c) privat

Eins


Ein schnittiger Porsche, so blank poliert, dass er in der Morgensonne glänzte, schoss auf den einzigen Parkplatz weit und breit zu, den Joe längst anvisiert hatte.

»Vergiss es!« Spontan drückte Joe das Gaspedal ihres alten Kastenwagens durch, den auch eine weitere Beule nicht verunstalten konnte. Ein paar Sekunden lang schien es, als wollte der junge Typ im Luxusschlitten dagegenhalten, bevor er wenige Zentimeter vor ihrem Kotflügel abrupt bremste.

Na bitte. Männer lieben eben ihre Autos. Joe schmunzelte, kurbelte das Seitenfenster hinunter und streckte den Kopf hinaus.»Notfall!«, rief sie geschäftig. Sie mochte solch spielerische Manöver. Zum Trost schenkte Joe ihm ihr schönstes Strahlen und deutete entschuldigend auf den Schriftzug ihres Autos:Firma Benk– Meisterbetrieb für Sanitär und Heizung. Darunter stand die gebührenfreie Nummer für den Vierundzwanzig-Stunden-Notservice. Derüberraschte Blick, mit dem der Porschefahrer wieder weiterfuhr, amüsierte Joe. Lange blonde Haare widersprachen offensichtlich seinem Bild von einem Klempner. Erleichtert dachte Joe, dass ihr Notfall-Telefon bald nie mehr nachts klingeln würde, weil wieder irgendein Schlaumeier mit heißem Fett oder Kerzenwachs die Abwasserleitung verstopft hatte. Nicht, dass sie sexistische Vorurteile hätte! Es war vielmehr die Erfahrung, die Joe gelehrt hatte, dass die Idee, einen Kerzenständer im heißen Wasserbad zu säubern und das flüssige Wachs mittels Wasserspülung zu entsorgen, meist einem männlichen Gehirn entsprang, das sich auch mal häuslich betätigen wollte.

Nachdem sie eingeparkt hatte, schritt Joe in dem berauschenden Gefühl, endlich ein neues Leben zu beginnen, die breiten Stufen zum imposanten Portal der Universität hoch und reihte sich in die Schlange der Wartenden vor dem Immatrikulationsbüro ein. Dabei fiel ihr Blick auf ein Plakat, das für heute den Gastvortrag eines Galeristen ankündigte. Nicht, dass Joe sich brennend für Kunst interessierte. Vielmehr war es das Lächeln dieses Mannes, das sie magisch anzog. Sie starrte auf sein klassisch schönes Gesicht in Schwarz-Weiß. Schlagartig wurde ihr bewusst, dass sie seit Monaten Männer nur im Arbeitsoverall erlebt hatte, seit fast zwei Jahren keinen Freund mehr hatte und ihr Bett nur mit ihrem alten Stoffhasen, einem Relikt aus Kinderzeiten, teilte.

»Der Nächste bitte!« Die weibliche Stimme war kühl und unpersönlich und riss Joe aus ihrenÜberlegungen.

Sie betrat das Büro und zog leise die Tür hinter sich zu.

Als sie nach wenigen Minuten von den Uni-Mitarbeitern wieder entlassen wurde, schien es ihr, als würde sie den Zugang zu ihrem alten Leben verschließen und den zu einem neuenöffnen. Jetzt war sie nicht mehr die kleine Klempnerin in der Firma ihres Vaters, sondern eine ganz offiziell immatrikulierte Architekturstudentin, wenn auch mit achtundzwanzig Jahren vielälter als die anderen Jungs und Mädchen mit ihren piepsenden Handys und bauchfreien Tops, die mit ihr in der Schlange gewartet hatten. Nur noch ein paar Monate bis zum Semesterbeginn. Dann würde ihr Leben– und da war Joe sich ganz sicher– endlich so sein, wie sie es sich immer erträumt hatte. Die»Joe vom Bau« würde dann nicht mehr existieren, auch wenn sie zugeben musste, dass sie sich an die neue Johanna selbst erst noch würde gewöhnen müssen.

Lächelnd hüpfte sie die Treppen hinunter. Dabei trällerte sie den alten Hit von SimplyRed, den sie an diesem Morgen im Radio gehört hatte:»Ifyoudon'tknowmebynow, you will nevergettoknowme.« Wieder fiel ihr Blick auf das Plakat, und spontan blieb Joe erneut stehen. Sie musste einfach ergründen, ob die Augen des Mannes hell oder dunkel waren.

»Schade. Singen Sie doch weiter.« Die Stimme hinter ihrem Rücken klangäußerst männlich.

Schmunzelnd drehte Joe sich um. Das Blut schoss ihr ins Gesicht. Ungläubig starrte sie den Mann vom Plakat an, der auf wundersame Weise direkt in ihr Leben katapultiert worden war. Sie war so verwirrt, dass plötzlich alle coolen Sprüche aus ihrem Gedächtnis ausradiert waren.

»Waren Sie auch bei meinem Vortrag?« Leibhaftig vor ihr stehend, wirkte dieser Mann noch tausendmal anziehender.

Joe lächelte, weil ein Lächeln auch immer eine Antwort war.

Er schien ihre Irritation nicht zu bemerken, sondern setzte den Vortrag fort, den er wohl gerade im großen Hörsaal beendet hatte. Sehr ernsthaft erläuterte er, dass es nicht so wichtig sei, was der Künstler mit seinem Werk ausdrücken wollte, sondern was der Betrachter in ihm sah.

Joe verstand exakt, was er meinte. Denn sie sah so vieles in diesem fremden Mann. Besonders in seinen Augen. Blaugrün waren sie, geheimnisvoll, vielversprechend, sexy und intelligent. Und sie hielten Joe fest in ihrem Bann.

Ihr Schweigen deutete der Galerist als Aufforderung für weitere Ausführungenüber Kunst. Glühend erzählte er von seiner neuen Ausstellung, die gerade in Planung war, und dass er ihr, falls sie Interesse hätte, gern eine Einladung zukommen lassen würde.»Verstehen Sie das bitte nicht falsch«, beto