Kapitel eins
Liebeslied
Der auf einem Berg gelegene Ort Sévignan war nicht von einem großen Landbesitz umgeben. Lanval de Sévignan war nur ein kleinerer Lehnsherr, doch innerhalb der Mauern seiner Stadt war er der absolute Herrscher. Und innerhalb seiner Burg war sein Wort Gesetz.
Es sei denn, befand er bisweilen, wenn es um seine ältere Tochter ging. Seine Frau Clara war eine vorbildliche Ehefrau; sie hatte ihm als Erstes einen Sohn geboren, Aimeric, und darauf zwei Töchter, Elinor und Alys. Und obwohl Seigneur Lanval wohl einen weiteren Sohn vorgezogen hätte, um sicherzugehen, dass seine Linie fortbestehen würde, waren weitere Schwangerschaften nicht erfolgt, und er war mit seinem Los zufrieden. Aimeric war ein gesunder, kräftiger Sechzehnjähriger, der sich auf die Waffen verstand und bereit war, das Anwesen seines Vaters zu verteidigen oder das eines jeglichen Adligen in der Gegend, der um Hilfe bat.
Alys mit ihren elf Jahren war eigentlich die Einzige, die noch ein Kind war. Aber selbst die dreizehnjährige Elinor war noch weit davon entfernt, erwachsen oder gar zur Heirat bereit zu sein, weder ihrer Neigung noch ihren Fähigkeiten nach. Sie war eigensinnig, stur und stets im Konflikt mit ihrer Mutter. Es gab Momente, da hatten beide Eltern das Gefühl, dass sie eigentlich ein Junge hätte werden sollen. Und sie war leidenschaftlich. Lanval war sicher, dass sie einigen seiner Ritter bereits unzüchtige Blicke zugeworfen hatte, einschließlich der drei Knaben, die er für einen anderen örtlichen Lehnsherr in Pflege genommen hatte, der gesegneter mit Söhnen war als der Seigneur von Sévignan.
Vielleicht sollte man Elinor tatsächlich schon verheiraten, überlegte ihr Vater, aber im Augenblick machten ihm ernstere Angelegenheiten Sorgen. Er hatte bereits eine Truppe Spielleute samt ihrem Troubadour über die Winterszeit im Haus, aber vor ein paar Tagen war unerwartet Bertran de Miramont eingetroffen. Dessen Art war es eigentlich nicht, im Januar den Hof zu wechseln. Daher wusste Lanval, kaum, dass Bertran in den Burghof eingeritten war, dass sein Erscheinen nichts Gutes bedeutete.
Aber es war schlimmer, als er befürchtet hatte: Der päpstliche Legat ermordet und der Graf von Toulouse unter Verdacht! Bertran w