: Hans Küng
: Was bleibt Kerngedanken
: Piper Verlag
: 9783492961608
: 2
: CHF 9.30
:
: Christliche Religionen
: German
: 336
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Hans Küng hat mit seinen Werken seit über fünfzig Jahren nicht nur weltweit Millionen von Lesern gefunden, sondern auch die Sicht auf die großen Fragen verändert. Von Kirche und Christentum über die Weltreligionen zum gemeinsamen Verständnis von Gut und Böse für alle Menschen geht sein denkerischer Weg und berührt damit alle existentiellen Fragen. Wie geht »Christ sein«? Braucht es eine Kirche und einen Papst? Existiert Gott? Können alle Menschen die gleichen Werte teilen, können alle Gut und Böse finden? In diesen Schlüsseltexten ist das gesamte Werk Hans Küngs versammelt und zeigt, worauf es ankommt im Leben - und was bleibt.

Hans Küng, geboren 1928 in Sursee/Schweiz, ist Professor Emeritus für Ökumenische Theologie an der Universität Tübingen und Ehrenpräsident der Stiftung Weltethos. Er gilt als einer der universalen Denker unserer Zeit. Sein Werk liegt im Piper Verlag vor. Zuletzt erschienen von ihm 'Was ich glaube' - sein persönlichstes Buch -, 'Erlebte Menschlichkeit', der dritte Band seiner Memoiren, sowie 'Sieben Päpste'.
•   Keine äußere Rationalität, die eine abgesicherte Sicherheit verschaffen könnte: Die Existenz Gottes wird nicht zuerst vernünftig bewiesen oder aufgewiesen und dann geglaubt, was so die Rationalität des Gottesglaubens garantierte. Nicht zuerst rationale Erkenntnis Gottes, dann vertrauende Anerkenntnis. Die verborgene Wirklichkeit Gottes zwingt sich der Vernunft nicht auf,•   Eine innere Rationalität vielmehr, die eine grundlegende Gewißheit gewähren kann: Im Vollzug, durch die »Praxis« des wagenden Vertrauens zu Gottes Wirklichkeit, erfährt der Mensch bei aller Anfechtung durch Zweifel die Vernünftigkeit seines Vertrauens: gegründet in einer letzten Identität, Sinn- und Werthaftigkeit der Wirklichkeit, in ihrem Urgrund, Ursinn, Urwert. Ist so nun der Zusammenhang zwischen Grundvertrauen und Gottesglauben nicht offenkundig geworden? Material gesehen bezieht sich das Grundvertrauen auf die Wirklichkeit als solche (und auf mein eigenes Dasein), das Gott-Vertrauen aber auf Urgrund, Urhalt und Urziel der Wirklichkeit. Trotzdem zeigen Grundvertrauen und Gott-Vertrauen, formal gesehen, eine analoge Struktur, die im materialen Zusammenhang (bei allem Unterschied) von Grundvertrauen und Gott-Vertrauen ihre Wurzel hat. Denn: Wie das Grundvertrauen, so ist auch der Gottesglaube•   eine Sache nicht nur der menschlichen Vernunft, sondern des ganzen konkreten lebendigen Menschen: mit Geist und Leib, Vernunft und Trieben, in seiner ganz bestimmten geschichtlichen Situation, in der Abhängigkeit von Traditionen, Autoritäten, Denkgewohnheiten, Wertschemata, mit seinen Interessen und in seiner gesellschaftlichen Verflochtenheit. Von dieser »Sache« kann der Mensch nicht reden und sich selber aus der »Sache« heraushalten;•   also überrational: Wie für die Wirklichkeit der Wirklichkeit, so gibt es auch für die Wirklichkeit Gottes keinen -logisch zwingenden Beweis. Der Gottesbeweis ist so wenig wie die Liebe logisch zwingend. Das Gottesverhältnis ist ein Vertrauensverhältnis;•   aber nicht irrational: Es gibt eine von der menschlichen Erfahrung ausgehende und an die freie menschliche Entscheidung appellierende Reflexion über die Wirklichkeit Gottes. Der Gottesglaube läßt sich gegenüber einer rationalen Kritik rechtfertigen. Er hat einen Anhalt an der erfahrenen fraglichen Wirklichkeit selbst, die erste und letzte Fragen nach der Bedingung ihrer Möglichkeit aufgibt;•   somit eine nicht blinde und wirklichkeitsleere, sondern eine begründete, wirklichkeitsbezogene und im konkreten Leben rational verantwortete Entscheidung: Ihre Relevanz wird an der Wirklichkeit der Welt und des Menschen für die existentiellen Bedürfnisse wie die gesellschaftlichen Verhältnisse ersichtlich;•   im konkreten Bezug zum Mitmenschen vollzogen: Ohne die Erfahrung eines Angenommenseins durch Menschen scheint die Erfahrung eines Angenommenseins durch Gott schwierig zu sein;•   nicht ein für allemal gefaßt, sondern stets neu zu realisieren: Nie ist der Gottesglaube gegenüber dem Atheismus durch rationale Argumente unangreifbar und krisenfest abgesichert. Der Gottesglaube ist stets bedroht und muß gegenüber den andrängenden Zweifeln stets in neuer Entscheidung realisiert, durchgehalten, gelebt, errungen werden: Der Mensch bleibt auch gegenüber Gott selbst in den unaufhebbaren Gegensatz zwischen Vertrauen und Mißtrauen, Glauben und Unglauben gestellt. Aber gerade durch alle Zweifel hindurch bewährt sich das Ja zu Gott in Treue zur einmal getroffenen Entscheidung: es wird ein geprüfter und bewährter Gottesglaube.   Gottesglaube als Geschenk Gottesglaube ist vertrauende Entscheidung des Menschen, ist meine Tat. Dies hat mit Rationalismus oder Pelagianismus nichts zu tun. Denn wie schon angedeutet: Nicht schon vorher - aufgrund eines Beweises oder Aufweises -, sondern erst indem ich mich vertrauend auf sie einlasse, eröffnet mir die Wirklichkeit selber ihren ersten Grund, tiefsten Halt, ihr letztes Ziel. Deshalb gilt der Satz: Ohne Bereitschaft zur vertrauenden Anerkenntnis Gottes (die praktische Konsequenzen hat!), gibt es keine rational sinnvolle Erkenntnis Gottes! Wie beim Grundvertrauen, so wird von mir auch beim Gott-Vertrauen ein Vorschuß, ein Wagnis, ein Risiko erwartet. Aber wie das Grundvertrauen, so läßt sich auch das Gott-Vertrauen nicht einfach beschließen, wollen, erzwingen oder machen. Letzte Gewißheit, Geborgenheit, Beständigkeit kann ich mir nicht einfach selber schaffen oder verschaffen. Gott ... ist kein unmittelbarer Gegenstand der Erfahrung; er gehört nicht zum Seienden, zu den in der Erfahrung vorfindbaren Objekten: Keine Intuition oder Spekulation, keine direkte Erfahrung oder unmittelbare Erkenntnis vermag ihn zu »schauen«. Gerade so erscheint der Gottesglaube als Geschenk: Es ist die rätselhafte Wirklichkeit selbst, die mich - oft wider den Augenschein - einlädt und herausfordert, mich grundsätzlich auf einen Urgrund, einen Urhalt, ein Urziel in ihr einzulassen, und mir so mein Gott-Vertrauen ermöglicht. Es ist die rätselhafte Wirklichkeit selbst, bei der sozusagen die »Initiative« liegt: die mir den verborgenen Ursprung, Ursinn und Urwert auch meines eigenen Daseins manifestiert. Es ist die rätselhafte Wirklichkeit selbst, die mir die »Vertrauensbasis« liefert für jenes »Vertrauensvotum«, das für Gottes Wirklichkeit in dieser Weltwirklichkeit abgegeben werden soll. Es ist die rätselhafte Wirklichkeit selbst, die mir ermöglicht, daß bei allem Zweifel, aller Angst und Verzweiflung die Geduld im Blick auf die Gegenwart, die Dankbarkeit im Blick auf die Vergangenheit, die Hoffnung im Blick auf die Zukunft letztlich begründet ist. Somit gilt: Der Gottesglaube ist ein Geschenk! Die Wirklichkeit ist mir vorgegeben. Schließe ich mich nicht ab, sondern öffne ich mich der sich öffnenden Wirklichkeit ganz, so kann ich ihren ersten Grund, ihren tiefsten Halt, ihr letztes Ziel glaubend annehmen: Gott, der sich als Ursprung und Urwert offenbart! Offenbart? Ist es theologisch gestattet, im Zusammenhang der allgemeinen - und gerade nicht spezifisch christlichen - Gotteserkenntnis von »Offenbarung« zu reden? Daß Gott im christlichen Verständnis von allen Menschen, auch den Nichtjuden und Nichtchristen, erkannt werden kann, haben wir dargelegt: Dies wird vom ganzen Alten und Neuen Testament, von der gesamten katholischen, orthodoxen und reformatorischen Tradition (mit Ausnahme der Dialektischen Theologie) als selbstverständlich vorausgesetzt und auch von der Religionsgeschichte bestätigt. Und gerade der Apostel Paulus, der sonst über die Heiden als Gruppe pauschal negativ urteilen kann, setzt im Römerbrief nicht nur eine faktische Gotteserkenntnis der Heiden aufgrund der Welterkenntnis voraus, sondern spricht geradezu von »Offenbarung«: »Weil das, was man von Gott erkennen kann, unter ihnen offenbar ist; denn Gott hat es ihnen geoffenbart. Sein unsichtbares Wesen, das ist seine ewige Kraft und Gottheit, ist ja seit Erschaffung der Welt, wenn man es in den Werken betrachtet, deutlich zu ersehen, damit sie keine Entschuldigung haben, deshalb, weil sie Gott zwar kannten, ihm aber doch nicht als Gott Ehre und Dank erwiesen.« Dies wird im Johannesprolog und besonders - mit Entschuldigung der Heiden und ihres Nichtwissens - in der Apostelgeschichte bestätigt. Gott existiert; es ist legitim, hier von Offenbarung und auch von Gnade zu reden. »Existiert Gott?« (1978), S. 624-640