Kapitel 1
In welchem Velvet ohnmächtig wird und dadurch eine neue Stelle erhält
Velvet falle viel zu oft in Ohnmacht und ihre Entlassung sei daher unumgänglich. So seien nun mal die Regeln in Ruffold’s Dampfwäscherei.
»Mir bleibt keine andere Wahl«, fuhr Mrs Sloane, die die Aufsicht über die Wäscherinnen führte, mit ihrer Tirade fort, während sie Velvet in den Hof hinausbegleitete und ihr ein Fläschchen Riechsalz unter die Nase hielt. »Wer sich so schlecht im Griff hat, dass er ständig bewusstlos zu Boden sinkt, der hat hier nichts zu suchen. Das war heute schon das zweite Mal.«
Velvet, die sich gegen die Mauer gelehnt hatte, um ihrem schmerzenden Rücken Linderung zu verschaffen, schaute zu ihr hoch. »Aber man bekommt heute überhaupt keine Luft da drin, Ma’am«, sagte sie so höflich, wie sie konnte, »und ich arbeite direkt neben einem der Heißwasserkessel.« Samstag war der schlimmste Tag in der Wäscherei, vor allem, wenn man neben einem der Kessel stand, in denen das Wasser erhitzt wurde – das wussten alle, die hier arbeiteten. Am Sonntag wurden die riesigen Heizkessel abgestellt, deshalb waren die Bedingungen zu Beginn der Woche noch erträglich. Danach wurde die Hitze in dem großen Waschsaal jedoch von Tag zu Tag schlimmer, das Kondenswasser lief in Sturzbächen die Wände herab, den Mädchen standen Schweißperlen auf der Stirn und rannen ihnen in die Augen und zwischen den Schulterblättern den Rücken hinunter. Jeder Atemzug kostete Mühe.
Mrs Sloane schürzte die Lippen und musterte Velvet über den Rand ihrer Brille hinweg, deren Gläser so gut wie immer beschlagen waren. »Es gibt nun mal Vorschriften«, sagte sie. »Das weißt du sehr wohl. Wenn eine alle naselang ohnmächtig wird, dann kann das nur heißen, dass sie ihrer Arbeit nicht gewachsen ist.« Sie nickte zum Hoftor hinüber, wo ein Grüppchen ärmlich gekleideter Mädchen unter dem geschwungenen Eisenschild mit der Aufschrift »Ruffold’s Dampfwäscherei« stand. »Schau dir die da drüben an – die lauern nur auf eine Stelle hier. Unddie arbeiten sogar für weniger als einen Shilling die Woche.«
Velvet warf einen Blick zu den Mädchen hinüber. Sie waren allesamt klein und schmächtig, keine sah älter als neun Jahre aus, und die meisten standen an diesem ersten richtig kalten Wintertag des Jahres 1900 barfuß und ohne Jacke da. »Aber die wären nicht annähernd so schnell und geschickt wie ich«, sagte sie zu der Wäschereiaufseherin, die, wie allgemein bekannt war, ein weicheres Herz hatte, als es nach außen hin den