: D. H. Lawrence
: Lady Chatterley
: Rowohlt Verlag Gmbh
: 9783644025813
: 1
: CHF 10.00
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: Hauptwerk vor 1945
: German
: 480
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Diese Geschichte einer alle Fesseln der Konvention sprengenden Leidenschaft ist ein klassisches erotisches Meisterwerk und einer der großartigsten Romane des 20. Jahrhunderts. England 1920: Freiheit und Selbsterfüllung gibt es für Lady Constance Reid nicht mehr, seit sie mit ihrem kriegsversehrten Ehemann Sir Clifford Chatterley nach Wragby Hall gezogen ist. Die Dorfbewohner meiden sie, die gesellschaftlichen Zwänge engen sie ein, und auch die Zuneigung zwischen ihr und Clifford, der die Tage zurückgezogen mit dem Schreiben von Geschichten verbringt, schwindet von Tag zu Tag. Als sie eine Pflegerin einstellt, die sich um Clifford kümmert, entflieht Constance den schweren Gemäuern immer öfter und genießt ihre wiedererlangte Freiheit. Dabei lernt sie den eigensinnigen Wildhüter Oliver Mellors kennen. Constance beginnt eine Affäre mit ihm, die alle Standesunterschiede aufhebt. Eine Liebe voller Sinnlichkeit, verbotener Lust und entfesselter Leidenschaft.

David Herbert Lawrence wurde am 11. September 1885 als Sohn eines Bergarbeiters und einer Lehrerin in Eastwood (Nottinghamshire) geboren. Zunächst Lehrer, musste er diesen Beruf wegen seines Lungenleidens aufgeben, dem er 1930 erliegen sollte. Von 1912 an lebte er als freier Schriftsteller. In diesem Jahr lernte er Frieda Weekly, geborene Freiin von Richthofen, eine Deutsche, kennen. Sie bereisten Deutschland und Italien und heirateten 1914 in England. Nach dem Krieg unternahmen sie Reisen nach Australien, Neuseeland, Tahiti, Ceylon und Mexiko. 1926 kehrte das Ehepaar nach Italien zurück, und hier schloss Lawrence Freundschaft mit Aldous Huxley. In seinen letzten Jahren lebte er im ständigen Bewusstsein seines Todes. Der zeitlebens Ruhelose starb am 2. März 1930 in Bandol, Südfrankreich.

ERSTES KAPITEL


Unser Zeitalter ist seinem Wesen nach tragisch, also weigern wir uns, es tragisch zu nehmen. Die Katastrophe ist hereingebrochen, wir stehen zwischen den Trümmern, wir fangen an, neue kleine Gewohnheiten zu bilden, neue kleine Hoffnungen zu hegen. Es ist ein hartes Stück Arbeit: Kein ebener Weg führt in die Zukunft; wir umgehen die Hindernisse jedoch oder klettern über sie hinweg. Wir müssen leben – einerlei, wie viele Himmel eingestürzt sind.

Ungefähr in dieser Situation befand sich Constance Chatterley. Der Krieg hatte das Dach über ihrem Kopf zusammenbrechen lassen, und sie hatte einsehen müssen, daß Leben: Lernen heißt! Sie heiratete Clifford Chatterley 1917, als er für vier Wochen auf Urlaub nach Hause kam. Ihre Flitterwochen dauerten einen Monat. Dann ging er wieder nach Flandern und wurde sechs Monate später mehr oder weniger zerstückelt zu Schiff nach England zurückgebracht. Constance, seine Frau, war damals dreiundzwanzig Jahre alt, er neunundzwanzig.

Sein Lebenswille war erstaunlich. Er starb nicht, und die Stücke schienen wieder zusammenzuwachsen. Zwei Jahre verbrachte er unter den Händen der Ärzte. Dann wurde er für geheilt erklärt und durfte ins Leben zurückkehren – die untere Hälfte seines Körpers, von den Hüften abwärts, für immer gelähmt.

Das war 1920. Die beiden – Clifford und Constance – kehrten in sein Elternhaus zurück, nach Wragby Hall, dem «Familiensitz». Sein Vater war gestorben. Clifford war jetzt Baronet – Sir Clifford –, und Constance war Lady Chatterley. Mit einem ziemlich unzureichenden Einkommen fingen sie an, auf dem ziemlich ungeselligen Landsitz der Chatterleys einen Haushalt und ein Eheleben zu führen. Clifford hatte eine Schwester, aber sie war fortgezogen. Sonst gab es keine näheren Verwandten. Der ältere Bruder war im Krieg gefallen. Verkrüppelt für immer, gewiß, niemals Kinder haben zu können – so kehrte Clifford heim in die rauchigen Midlands, um den Namen der Chatterleys lebendig zu halten, so lange er es vermochte.

Er war eigentlich nicht niedergeschlagen. Er konnte in einem Rollstuhl fahren, und er hatte einen Krankensessel mit einem kleinen Motor, so daß er sich langsam durch den Garten steuern konnte in den schönen, melancholischen Park hinaus, auf den er so stolz war, wenn er auch tat, als mache er sich nichts aus ihm.

Er hatte so gelitten, daß seine Fähigkeit zu leiden bis zu einem gewissen Grad erstorben war. Er wirkte sonderbar heiter, fast unbekümmert, könnte man sagen; sein Gesicht zeigte eine gesunde, kräftige Farbe, und die blaßblauen Augen funkelten herausfordernd. Seine Schultern waren breit und stark, seine Hände kräftig. Er trug teure Anzüge und elegante Krawatten aus der Bond Street. In seinem Gesicht aber lag der lauernde, leere Ausdruck des Krüppels.

Er war dem Tod so knapp entronnen, daß das, was ihm vom Leben übrigblieb, unsäglich kostbar für ihn war. Der begierige Glanz seiner Augen ließ erkennen, wie stolz er darauf war, nach der gewaltigen Erschütterung noch am Leben zu sein. Aber er war so schwer verwundet worden, daß etwas in ihm erstorben, ein Teil seiner Empfindungen verschüttet war. Eine fühllose Leere war geblieben.

Constance, seine Frau, war ein rosiges, ländlich aussehendes Mädchen mit weichem braunem Haar und von kräftigem Wuchs, ihre gemächlichen Bewegungen verrieten ungewöhnliche Energie. Sie hatte große, nachdenkliche Augen und eine sanfte, dunkle Stimme, und es schien, als sei sie gerade aus ihrem Heimatdorf gekommen. Das war aber durchaus nicht der Fall. Ihr Vater, der alte Sir Malcolm Reid, war ein vormals wohlbekanntes Mitglied der Königlichen Akademie. Ihre Mutter hatte in der Glanzzeit der Präraphaeliten zu den kultivierten Fabiern gehört. Constance und ihre Schwester Hilda genossen unter Künstlern und gebildeten Sozialisten eine – wie man sagen könnte – ästhetisch unkonventionelle Erziehung. Sie waren nach Paris, Florenz und Rom mitgenommen worden, um Kunst z